DPhG-Jahrestagung

Neues aus der Telomerenforschung

Prof. Dr. Karl Lenhard Rudolph vom Institut für Molekulare Medizin der Universität Ulm berichtete über aktuelle Ergebnisse der Telomerenforschung, aus denen sich interessante Ansatzpunkte für Therapien zum "gesunden Altern" ergeben.
Karl Lenhard Rudolph
Foto: DAZ/cb

Mit dem Älterwerden und altersbedingten Krankheiten mussten sich unsere Vorfahren kaum auseinandersetzen, denn vor etwa 50.000 Jahren erreichten nur etwa zehn Prozent der Menschen das siebte Lebensjahrzehnt. Heute dagegen werden in den westlichen Industrieländern fast 90% der Bevölkerung zwischen 70 und 80 Jahre alt und sehen sich mit Prozessen wie nachlassender Organfunktionen und abnehmender Stressresistenz konfrontiert. Wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, spielen die Telomere – die "Endkappen" der Chromosomen – eine wichtige Rolle bei Alterungsprozessen.

Telomere – die "Schutzkappen" der Chromosomen

Als Telomere (griech. telos = Ende, meros = Teil) werden einfache, nicht codierende DNA-Sequenzen bezeichnet, die die Enden der Chromosomen schützen, z. B. vor dem Angriff von Reparaturenzymen, die diese ansonsten fälschlicherweise als DNA-Strangbrüche identifizieren würden. Bei Wirbeltieren lautet die Basenfolge TTAGGG, sie wiederholt sich mehr als 3000 Mal.

Telomere verkürzen sich jedoch bei jeder Zellteilung, sodass im Laufe der Zeit eine kritische Länge erreicht wird, bei der dieser Schutz nicht mehr möglich ist und DNA-Schädigungs-Signale, die zum programmierten Zelltod (Apoptose) oder zum Wachstumsstopp (Seneszenz) führen, aktiviert werden. Daher ist die Telomerenlänge der begrenzende Faktor für die Lebenszeit einer Zelle.

Eine Art "Jungbrunnen" ist das Enzym Telomerase, das die Telomeren wieder verlängern kann. Dies geschieht, indem an das 3‘‑Ende des Telomers Guanin-reiche Sequenzen angeknüpft werden, deren Bauplan im Enzym selbst gespeichert ist; danach synthetisiert die DNA-Polymerase den komplementären Strang. Die Telomerase ist normalerweise nur während der Embryogenese aktiv, danach wird ihre Expression auf molekularer Ebene abgeschaltet. Lediglich bei Keimzellen, Immunzellen und Stammzellen (z. B. hämatopoetischen Stammzellen) ist diese Aktivität auch noch im Erwachsenenalter erhalten. Wie jüngste Forschungen gezeigt haben, reicht die Telomerase-Aktivität der Stammzellen jedoch nicht aus, um sie "ewig jung" zu erhalten, daher können auch Stammzellen letztendlich altern.

Neue Erkenntnisse

Die Telomerenforschung der letzten Jahre hat einige weitere interessante Erkenntnisse gebracht, beispielsweise, dass in den meisten Tumorzellen die Telomerase-Aktivität hochreguliert ist, was eine nahezu unbegrenzte Teilungsfähigkeit ermöglicht.

Weiterhin fand man, dass die Telomerenverkürzung nicht nur während des Alterns stattfindet, sondern auch bei chronischen und genetischen Erkrankungen beschleunigt abläuft. Daher wäre die Hemmung der Telomerenverkürzung ein interessanter Ansatzpunkt für Therapien gegen Altersprozesse und chronische Erkrankungen wie z. B. Hepatitis B und C.

Rudolph und seine Mitarbeiter konnten bei ihren Forschungsarbeiten bestimmte Markerproteine identifizieren, mit denen man Telomeren-Dysfunktionen und DNA-Schädigungen nachweisen kann. Mithilfe dieser Marker gelang es sogar, Zusammenhänge zwischen der Telomeren-Dysfunktion und verschiedenen Lifestyle-Faktoren nachzuweisen. So fand man beispielsweise im Serum von Rauchern und Personen mit einem erhöhten Body Mass Index (BMI) einen Anstieg der Marker für DNA-Schädigung und Telomeren-Dysfunktion, wohingegen beim Lifestyle-Faktor "sportliche Aktivität" eine negative Korrelation zu verzeichnen war.

Wie die Würdigung der Arbeiten dreier Telomerenforscher durch den diesjährigen Medizin-Nobelpreis (siehe Kasten) zeigt, ist das Interesse an diesem Forschungsgebiet groß. Die Entdeckung neuer, interessanter Zusammenhänge, die für die Bekämpfung chronischer Krankheiten angewendet werden können, wird daher nicht lange auf sich warten lassen.

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