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Der Schweinegrippe-Hype und andere Probleme

Peter Ditzel

Das Wort Schweinegrippe hat alle Chancen, das Wort des Jahres zu werden. Seit über einem halben Jahr verfolgt einen dieser Begriff, gespickt mit Hysterie, Panikmache und Konfusion. Betrachtet man ihn mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit, wird man schnell feststellen, dass dieser Begriff durch Politik und Medien zu dem geworden ist, was er heute ist. Und wegen seines griffigen Namens, der allein schon Schlimmes vermuten lässt. (Dabei sollen die isolierten Virusstämme nicht einmal Erreger der eigentlichen Schweineinfluenza sein.) Die dahinter stehende Infektionskrankheit ist im Prinzip kaum mehr als das, was wir normalerweise in jedem Jahr in jedem Herbst/ Winter mehr oder weniger erleben: eine Grippe. Natürlich kann das verursachende Virus wie bei fast jeder Grippe mutieren und sich zu einer aggressiveren Variante entwickeln. Kann, muss aber nicht. Und wie bei jeder Grippe gibt es Menschen, die aufgrund eines schwachen Immunsystems, aufgrund von Vorerkrankungen, schlechter medizinischer Versorgung und unzureichenden hygienischen Bedingungen mit dieser Erkrankung nicht fertig werden und sterben.

Jetzt steht uns eine der größten Massenimpfungen der Bundesrepublik bevor. Jedenfalls gehen Politik und Behörden davon aus. Start soll der 26. Oktober sein. Wissenschaftler und Ärzte, die der Impfung mit den umstrittenen Impfstoffen kritisch gegenüber stehen, sprechen bereits von einem der größten Humanversuche. Nachdem die Kostenübernahme weitgehend geklärt ist, geht es jetzt um Fragen, wie die Impfung überhaupt durchführbar ist (in Ämtern? in Praxen? in Betrieben?), welches Honorar die Ärzte hierfür bekommen und wer in welcher Reihenfolge geimpft werden soll. Noch immer schwingt die Frage mit, ob die in Windeseile zugelassenen Impfstoffe überhaupt sicher sind, ob die Verstärkersubstanzen (Adjuvanzien) der Impfstoffe verträglich sind.

Wird es am 26. Oktober zu einem Ansturm auf die Impfzentren kommen? Eher nicht. Umfragen zufolge ist die Bereitschaft der Bundesbürger, sich gegen die Schweinegrippe impfen zu lassen, äußerst gering. Nur zehn Prozent der Befragten einer repräsentativen Studie wollen sich auf jeden Fall impfen lassen. Selbst wenn die Schweinegrippe zu einer echten Pandemie wird, wären nur 60 Prozent der Befragten bereit, sich impfen zu lassen.

Die Apotheke ist ins eigentliche Impfstoffgeschäft so gut wie nicht eingebunden. Die Behörden dürfen ihre bestellten Impfstoffe an den Toren des Herstellers GSK in Dresden abholen. Wir können nur präventiv tätig werden: Hinweise und Tipps vermitteln, wie man sich und andere vor Ansteckung schützen kann, dass man Menschenansammlungen nach Möglichkeit meidet und oft seine Hände wäscht (und desinfiziert).

Während die Politik die Grippeviren verfolgt, treiben Discountbazillen in den Niederungen des Gesundheitswesens ihr Unwesen. Nach Discount- und Billigapotheken, nach Happy Hour und Pick-up-Stellen, Apotank und Apothekenkiosk gibt es jetzt den "Kracher der Woche". Eine Versandapotheke inszeniert das "Live-Shopping": Einmal in der Woche wird ein Markenpräparat in einem begrenzten Kontingent besonders günstig angeboten – solange bis das Kontingent aufgebraucht ist. Auf der Internetseite kann der Verbraucher verfolgen, wie viele Artikel noch auf Lager sind und wie lange die Verkaufsaktion läuft. Mit der Abgabe eines Arzneimittels, mit dem Überreichen eines Heilmittels inklusive Beratung hat das nichts mehr zu tun. Arzneimittel sind nun endlich auf dem Niveau der Ramschware angekommen. Ich halte diese Entwicklung für einen Skandal – möglich gemacht (man kann es nicht oft genug sagen) durch Ulla Schmidt und die Zulassung des Versandhandels. Wie schlimm das Problem mit dem Arzneiversand mittlerweile geworden ist, zeigt eine neue Untersuchung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker. Dubiose Internetversender im Ausland missachten die Rezeptpflicht auch bei Arzneimitteln mit Suchtpotenzial und versenden minderwertige Arzneimittel. Patienten werden so abgezockt und in die Abhängigkeit getrieben, stellte ZL-Leiter Schubert-Zsilavecz fest.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeichnet sich immerhin mit unserer neuen Regierung ab: Schwarz-Gelb will Pick-ups verbieten. Arzneimittel-Abholstationen außerhalb von Apotheken sollen künftig verboten werden, sickerte aus den Koalitionsgesprächen nach außen. Hoffen wir, dass wenigstens diese Abart der Arzneimittelabgabe bald der Vergangenheit angehören wird.


Peter Ditzel

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