Arzneimittel und Therapie

Tolvaptan: erster Vasopressin-Rezeptorantagonist

Tolvaptan (Samsca®) ist ein selektiver Vasopressin-V2 -Rezeptorantagonist, die erste Substanz der Stoffgruppe der Vaptane, die bei uns auf den Markt kommt. Es wird zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatriämie als sekundärer Folge des Syndroms der inadäquaten (erhöhten) Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) eingesetzt.
In der Regulation der Kreislaufhomöostase spielt das antidiuretische Hormon (ADH) eine entscheidende Rolle: Eine Erhöhung der Serumosmolarität sowie eine Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens stimulieren über den Barorezeptor die ADH-Freisetzung im Hypophysenhinterlappen. Auch emotionale Einflüsse wie Stress oder ZNS-wirksame Medikamente fördern die ADH-Ausschüttun. Die physiologische Wirkung von ADH wird über Vasopressinrezeptoren vermittelt. Über eine Stimulation der renalen V2 -Rezeptoren fördert Vasopressin die Wasserrückresorption im Sammelrohr. Bei höheren ADH-Konzentrationen kommt es V1a -Rezeptor-vermittelt an den Gefäßen zu einer Vasokonstriktion und somit zum Blutdruckanstieg. Tolvaptan ist der erste Vertreter der Vaptane. Es hemmt die Wirkung von ADH in den Nieren, indem es selektiv die Bindung von Vasopressin an die V2 -Rezeptoren verhindert und dessen Wirkung hemmt. Als Folge kommt es zur Aquarese, bei der vermehrt elektrolytfreies Wasser ausgeschieden wird.

Das Peptidhormon Vasopressin, das auch als antidiuretisches Hormon (ADH) bezeichnet wird, wird im Hypothalamus gebildet und von dort über den Hypophysenstiel in den Hypophysenhinterlappen transportiert. Dort wird es gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Vasopressin spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Wasserhaushalts im Körper. Bei Wassermangel wird das Hormon ausgeschüttet und sorgt über die V2-Rezeptoren für eine Wasserretention im Körper. Außerdem wirkt es über V1-Rezeptoren vasokonstriktiv und erhöht so den Blutdruck.

Erhöhte Sekretion von Vasopressin

Bei verschiedenen Krankheitszuständen kann sich die Vasopressin-Ausschüttung abnormal erhöhen. Besonders in der Intensivmedizin ist das SIADH bekannt, das Syndrom der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons, auch Schwartz-Bartter-Syndrom genannt. Dieses Syndrom tritt zum Beispiel nach Schädel-Hirn-Traumata, bei Meningitis oder Enzephalitis, bei Aneurysmata, nach schweren Verbrennungen, bei Hypothyreose oder bei intrakraniellen Tumoren, bei Pneumonien oder Tuberkulose auf. Es kann auch als Begleitsyndrom bei Lungenkarzinomen, insbesondere beim undifferenzierten kleinzelligen Karzinom, und bei der Porphyrie vorkommen. Ein SIADH kann auch als Nebenwirkung von trizyklischen Antidepressiva wie Amitryptilin und Nortryptilin, Zytostatika und des Antiarrhythmikums Amiodaron auftreten.

Elektrolytstörungen führen zu neurologischen Symptomen

Das Syndrom ist gekennzeichnet durch eine hypotone Hyperhydratation mit Hyponatriämie und einen hyperosmolaren Urin. Dabei ist eine ausreichende Urinverdünnung trotz niedriger Plasmaosmolalität nicht möglich.

Durch die Elektrolytstörungen kommt es zu Kopfschmerzen, erhöhter Reizbarkeit oder Lethargie, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit bis zum Delirium und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Ödeme treten wegen der begrenzten Wasserretention nicht auf. Die derzeit zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt und beinhalten eine Flüssigkeitsrestriktion und den Einsatz von Furosemid als zumindest partiellen Antagonisten von Vasopressin an den Nierentubuli. Bei schwerwiegenden neurologischen Symptomen wird isotone (0,9%) oder hypertone (10%) Kochsalzlösung zur Substitution langsam infundiert.

Vaptane blockieren Vasopressin-Rezeptoren

Tolvaptan (Samsca®) ist der erste Vertreter der Vaptane, der jetzt zur Behandlung des SIADH auf den Markt kommt. Tolvaptan hemmt die Wirkung des antidiuretischen Hormons (ADH, Vasopressin) in den Nieren, indem es selektiv die Bindung von Vasopressin an die V2-Rezeptoren verhindert und dessen Wirkung hemmt. Als Folge kommt es zur Aquarese, bei der vermehrt elektrolytfreies Wasser ausgeschieden wird. Die Ausscheidung von Natrium und Kalium mit dem Harn ist nicht signifikant beeinträchtigt.

Die Wirkung von Tolvaptan zur Behandlung der Hyponatriämie wurde in den Studien SALT-1 und SALT-2 (Study of Ascending Levels of Tolvaptan in Hyponatremia) gezeigt. Außerdem wurde Tolvaptan im klinischen Entwicklungsprogramm EVEREST (Efficacy of Vasopressin antagonism in Heart Failure Outcome Study with Tolvaptan) zur Behandlung der Herzinsuffizienz erprobt. Hier zeigten sich jedoch keine überzeugenden Belege für einen klinisch relevanten Vorteil dieser Behandlung. Weitere Vaptane in der Entwicklung sind Conivaptan, Relcovaptan und Lixivaptan.

Von Vorteil: orale Anwendung

Tolvaptan ist in Tabletten zu 15 und 30 mg erhältlich, die tägliche Dosis beträgt 15 bis 60 mg oral, vorzugsweise morgens, unabhängig von den Mahlzeiten unzerkaut mit einem Glas Wasser.

Nach oraler Einnahme wird Tolvaptan schnell resorbiert, wobei die Spitzenplasmakonzentrationen etwa zwei Stunden nach Verabreichung erreicht werden. Die absolute Bioverfügbarkeit von Tolvaptan beträgt rund 56%. Die gleichzeitige Verabreichung mit Nahrung hat keine Wirkung auf die Plasmakonzentrationen. Tolvaptan bindet reversibel (98%) an Plasmaproteine. Tolvaptan wird umfangreich von der Leber verstoffwechselt, die terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa acht Stunden.

Die Wirkung setzt rund zwei Stunden nach der Einnahme ein und ist dosisabhängig. Es kommt zu einer Zunahme der Harnausscheidung, die zu erhöhter Aquaresis, verringerter Osmolalität des Urins und erhöhten Serumnatriumkonzentrationen führt. Nach 24 Stunden kehren die Harnausscheidungsraten wieder auf die Ausgangswerte zurück. Im Mittel werden während 0 bis zwölf Stunden unabhängig von der Dosis rund sieben Liter ausgeschieden.

Die Grunderkrankung und der Serumnatriumspiegel sind regelmäßig zu überwachen, um die Notwendigkeit einer fortgesetzten Behandlung mit Tolvaptan bewerten zu können. Bei Hyponatriämie hängt die Behandlungsdauer von der Grunderkrankung und ihrer Behandlung ab. Die Behandlung mit Tolvaptan sollte so lange andauern, bis die Grunderkrankung angemessen behandelt wurde oder bis die Hyponatriämie kein klinisches Problem mehr darstellt.

Genügend Wasser trinken

Unerwünschte Wirkungen sind auf den Wirkungsmechanismus zurückzuführen. Dazu gehören vor allem verstärkter Durst, ein trockener Mund und ein verstärktes Wasserlassen. Bei Anurie, Volumendepletion, hypovolämischer Hyponatriämie, Hypernatriämie, Patienten ohne Durstgefühl und während Schwangerschaft und Stillzeit ist Tolvaptan kontraindiziert.

Weil Tolvaptan in der Leber über das Cytochrom-P450-System abgebaut wird, sind zahlreiche Wechselwirkungen zu beachten. So ist bei gleichzeitiger Verabreichung von CYP3A4-Hemmern (z. B. Ketoconazol, Makrolidantibiotika, Diltiazem) und Tolvaptan Vorsicht geboten, ebenso bei gleichzeitiger Verabreichung von CYP3A4-Induktoren (z. B. Rifampicin, Barbiturate).

Die Patienten sollten Zugang zu Wasser haben und in der Lage sein, Wasser in ausreichender Menge zu trinken. Wenn Patienten mit Flüssigkeitsrestriktion mit Tolvaptan behandelt werden, ist extra große Vorsicht geboten, um sicherzustellen, dass die Patienten nicht zu stark dehydrieren. Der Harnabgang muss sichergestellt sein. Patienten mit partieller Harnausflussbehinderung, beispielsweise Patienten mit Prostatahypertrophie oder Miktionsstörungen, weisen ein erhöhtes Risiko für eine akute Retention auf. Der Flüssigkeits- und Elektrolytstatus soll bei allen Patienten und besonders bei Patienten mit Nieren- und Leberinsuffizienz überwacht werden. Tolvaptan kann Hyperglykämie verursachen. Deshalb ist bei Diabetikern, die mit Tolvaptan behandelt werden, vorsichtige Behandlung erforderlich. Dies trifft insbesondere auf Patienten mit unzureichend eingestelltem Diabetes Typ II zu.

 

Quelle

Schrier RW, Gross P, Gheorghiade M et al.: Tolvaptan, a selective oral vasopressin V2-receptor antagonist, for hyponatremia (SALT-1, SALT-2). N. Eng. J. Med. 2006; 355(20): 2099 – 2112.

Miyazaki T, Fujiki H, et al.: Tolvaptan, an orally active vasopressin V(2)-receptor antagonist - pharmacology and clinical trials. Cardiovasc. Drug Rev. 2007; 25(1): 1–13.

Gheorghiade M, Konstam MA, Burnett JC, et al.: Short-term clinical effects of tolvaptan, an oral vasopressin antagonist, in patients hospitalized for heart failure: results of the EVEREST clinical status trials. J. Am. Med. Assoc. 2007; 297: 1332 –1343.

Gheorghiade M, Orlandi C, Burnett JC, et al.: Rationale and design of the multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled study to evaluate the efficacy of vasopressin antagonism in heart failure: outcome study with tolvaptan (Everest) J. Card. Fail. 2005; 11(4): 260 – 269. 

Fachinformation zu Samsca® , Stand August 2009.

 

hel

 

Steckbrief: Tolvaptan


Handelsname: Samsca
Hersteller: Otsuka Pharma GmbH, Frankfurt/M.
Einführungsdatum: 1. September 2009
Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 15 bzw. 30 mg Tolvaptan. Sonstige Bestandteile: Maisstärke, Hydroxypropylcellulose, Lactosemonohydrat, Magnesiumstearat, mikrokristalline Cellulose, Indigokarmin (E 132)-Aluminiumlack.
Packungsgrößen, Preise und PZN: Samsca 15 mg: 10 Tabletten, 1152,97 Euro, PZN 1253708. Samsca 30 mg: 10 Tabletten, 1152,97 Euro, PZN 1253720.
Stoffklasse: Diuretika; Vasopressin-Antagonist. ATC-Code: C03XA01.
Indikation: Zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatriämie als
sekundäre Folge des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH).
Dosierung: Anfangsdosis 15 mg einmal täglich, vorzugsweise morgens, unabhängig von den Mahlzeiten unzerkaut mit einem Glas Wasser, die Dosis kann auf maximal 60 mg einmal täglich erhöht werden.
Gegenanzeigen: Anurie, Volumendepletion, hypovolämische Hyponatriämie, Hypernatriämie, Patienten ohne Durstgefühl, Schwangerschaft und Stillzeit.
Nebenwirkungen: Sehr häufig: Durst, Mundtrockenheit, Pollakisurie. Häufig: Hypernatriämie, Hypoglykämie, Hyperurikämie, Synkope, Schwindel.
Wechselwirkungen: Bei gleichzeitiger Verabreichung von CYP3A4-Hemmern, -induktoren und Tolvaptan ist Vorsicht geboten. Patienten, die mit Tolvaptan behandelt werden, sollten auf Grapefruitsaft verzichten. Patienten, die Digoxin erhalten, sollten bei Behandlung mit Tolvaptan auf übermäßige Digoxin-Wirkungen untersucht werden.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Patienten sollten in der Lage sein, Wasser in ausreichender Menge zu trinken. Der Harnabgang muss sichergestellt sein. Die Patienten sollten nach Einleitung der Behandlung engmaschig hinsichtlich Serumnatrium und Volumenstatus überwacht werden. Auch soll der Flüssigkeits- und Elektrolytstatus bei allen Patienten und besonders bei Patienten mit Nieren- und Leberinsuffizienz überwacht werden. Tolvaptan kann Hyperglykämie verursachen; deshalb ist bei Diabetikern, die mit Tolvaptan behandelt werden, eine vorsichtige Behandlung erforderlich.

Tolvaptan

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.