Deutscher Apothekertag 2009

Geschenk und Verpflichtung

Den Apothekerberuf ergreifen zu dürfen ist ein Geschenk und zugleich Verpflichtung, das Wissen zum Wohle der Patienten einzusetzen. Das war eine der Kernbotschaften, die Vorträge und Diskussionen des Arbeitskreises 2 "Konsequenzen für die Pharmazeutische Betreuung" geprägt haben.
William A. Zellmer, ehemaliger VIzepräsident der ASHP, USA.

Wie kann die pharmazeutische Betreuung, wie die Pharmazie weiterentwickelt werden? Antworten auf diese Fragen sollten William A. Zellmer, ehemaliger Vizepräsident der American Society of Health-System Pharmacists (ASHP), USA, und Dr. Max D. Brentano-Motta, ehemaliger Präsident des Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse geben.

Ein neues Selbstverständnis ist gefragt

Vor dem Hintergrund der von Kettenstrukturen geprägten Erfahrungen in den USA versuchte Zellmer, einen Weg aufzuzeigen, wie sich der Apotheker und damit der Apothekerberuf wandeln muss, um zukunftsfähig zu bleiben. Dazu gehört ein neues Selbstverständnis, das geprägt sein muss von unabhängigem Denken und Wollen, geleitet von einem inneren moralischen Kompass. Nach Zellmer ist es ein Geschenk, den Apothekerberuf ergreifen zu können. Dafür müsse man eine tiefe innere Dankbarkeit empfinden und sollte das erworbene Wissen klug einsetzen. Vor dem Hintergrund vieler unseriös agierender Akteure im Gesundheitsmarkt betonte Zellmer, dass es geradezu die Pflicht jedes Apothekers sei, mit seinem Wissen zu verhindern, dass Menschen über den Tisch gezogen werden.

Strukturelle Veränderungen sind notwendig

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, sind, so Zellmer, strukturelle Veränderungen notwendig.

Die alleinige Distribution reiche nicht mehr aus. Der Apotheker müsse dafür sorgen, dass die Arzneimittel optimal angewendet werden. Dazu braucht der Patient die Hilfe des Apothekers. Der Apotheker sollte sich immer folgende Fragen stellen:

  • Ist die vorgesehene Medikation die beste für den Patienten?
  • Ist die vorgesehene Anwendung angemessen?
  • Weiß der Patient, was er von seiner Medikation erwarten kann, insbesondere im Hinblick auf Interaktionen mit anderen Arzneimitteln und Nebenwirkungen?

Entscheidend ist dieinnere Motivation

Um die Pharmazie und das Berufsbild des Apothekers zukunftsfähig zu machen, muss das Muster der Berufsausübung ebenso geändert werden wie die Ausbildung. Strukturelle Mängel wie unzureichende Informationen über den Patienten sind zu beheben. Für die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen muss ebenso gesorgt werden wie für eine angemessene Honorierung. Die Beziehung zu den Ärzten muss intensiviert werden. Doch das alles wird nach Ansicht Zellmers nicht ausreichen. Entscheidend sei die innere Motivation. Mit Zitaten untermauerte Zellmer, dass die wichtigste Voraussetzung für einen Wandel ein unsichtbarer Wandel in den Köpfen der Menschen ist. Im Mittelpunkt müsse das Wollen stehen, dem Patienten zu helfen, geschäftliche Interessen müssten den beruflichen untergeordnet werden.

Evolution in der Schweiz

Wie sich die Pharmazie in der Schweiz in den letzten Jahren weiterentwickelt hat, das erläuterte Brentano-Motta. Die Entwicklungen der letzten Jahre seien eher eine Evolution der Pharmazie als eine Revolution gewesen, die sich in den Grenzen von gesetzlichen und individuellen Voraussetzungen sowie der Ausbildung abgespielt haben.

Wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich

Jede Leistung, die in der Schweiz im Rahmen der gesetzlichen Grundversorgung erbracht wird, muss wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Vor diesem Hintergrund gibt es in der Schweiz auch eine Positivliste für Arzneimittel, in der die Alternativmedizin keinen Platz hat. Bestrebungen, die akademische Ausbildung des Apothekers durch eine Ausbildung an der Fachhochschule zu ersetzen, haben sich die Pharmazeuten in der Schweiz erfolgreich widersetzt. Die Weiterbildung in der Offizin wurde ausgebaut und eine zertifizierte Fortbildung eingeführt. Mit den gesetzlichen Krankenversicherungen gibt es Rahmenverträge, denen 94% der Apotheker und 90% der Krankenversicherer beigetreten sind. Das unterstreicht die hohe Akzeptanz dieser Verträge. Zu den Grundleistungen, die jede Apotheke anbietet, gehören der Medikamentencheck und die Magistralrezeptur. Der Medikamentencheck beinhaltet die Rezeptüberprüfung, die Interaktionskontrolle, die Kontrolle von Risikofaktoren und gegebenenfalls die Kontaktaufnahme mit dem Arzt. Darüber hinaus ist es in der Schweiz möglich, dass Verordnungen innerhalb eines Jahres wiederholt abgegeben werden dürfen. Auch die Zulässigkeit einer solchen Repetition wird im Rahmen des Medikamentenchecks überprüft. Darüber hinaus bieten die Apotheker einen Bezugscheck an, bei dem das Führen eines Medikationsdossiers im Mittelpunkt steht. Dieses Leistungsspektrum macht nach Ansicht von Brentano-Motta deutlich, dass die Dienstleistungen des Apothekers nicht von der Abgabe des Arzneimittels zu trennen sind.

Zusatzleistungen durch Spezialisierung

Darüber hinaus können sich Apotheker spezialisieren und unterschiedliche Zusatzleistungen anbieten. Dazu zählen die Einnahmekontrolle beispielsweise von Antabus, Benzodiazepinen oder Augentropfen, Compliance-Hilfen oder ein Polymedikationscheck. Ein wichtiges Ziel der Compliance-Hilfen ist es, gerade bei älteren Patienten eine Heimeinweisung hinauszuzögern oder zu verhindern. So bieten Apotheken Wochendosiersysteme an, in denen die Arzneimittel aus Originalpackungen abgefüllt werden. Eine industrielle Verblisterung gibt es in der Schweiz nicht.

Zu den Zusatzleistungen zählen auch die Betreuung von Heimen und die Leitung von Qualitätszirkeln mit Ärzten. Im Mittelpunkt der Zusatzleistungen steht vor allem das Ziel, Kosten einzusparen. Ab 2010 wird es möglich sein, bei Patienten, die mindestens vier Arzneimittel benötigen, einen sogenannten Polymedikationscheck durchzuführen. Zusammen mit dem Patienten können Apotheker dann die Medikation analysieren, über die Therapie aufklären und gegebenenfalls Maßnahmen für eine verbesserte Compliance ergreifen. Ein wichtiges Ziel des Polymedikationschecks ist es, unnötige Neuverordnungen zu vermeiden und die richtige Anwendung der Medikation zu fördern. Ein Beispiel für wichtige Dienstleistungen im Bereich "Public health" ist die Führung von Impfausweisen, in denen von der Apotheke alle Impfungen erfasst werden und anhand derer der Apotheker konkret Impfempfehlungen aussprechen kann.

Zum Schluss seines Referates machte Brentano-Motta deutlich, dass zwar viele Therapieformen den Patienten helfen würden: die spektakulärste sei die Chirurgie, die angenehmste die Physiotherapie, doch die häufigste und wichtigste sei die Arzneimitteltherapie. Hier müssen Apotheker ihren Beitrag leisten.

Kontakt zum Arzt muss gefördert werden

In der anschließenden Diskussionsrunde hob Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes noch einmal die Wichtigkeit des Berufsstandes hervor. Apotheker seien so wichtig, weil sie täglich vier Millionen Patienten ohne Termin beraten und dabei einen wesentlichen Beitrag zum Erkennen und Lösen von Arzneimittel-bezogenen Problemen leisten. Dr. Peter Geiger, ein in der Ärztefortbildung engagierter Apotheker, machte allerdings auf wichtige zu lösende Probleme aufmerksam. Da ist zum einen der Mangel an Zeit, der für eine umfassende Beratung notwendig ist. Dann mangelt es oft aufgrund fehlender Kenntnis der konkreten Patientengeschichte an dem nötigen Hintergrundwissen dazu, was man dem Patienten sagen kann und was nicht. Es fehle, so Geiger, vor allem der Kontakt zum Arzt. Alleine und ohne den Arzt werden die Apotheker die Herausforderungen der pharmazeutischen Betreuung nicht meistern können. In diesem Zusammenhang betonte Huber die Wichtigkeit einer Medikationsdatei, deren Einführung durch die Hausapothekenverträge erheblich beschleunigt worden sei.

Informationsdefizit beiMedikationsdatei

Wie wenig Patienten über die Vorteile einer Medikationsdatei und Hausapothekenverträge aufgeklärt sind, das machten die Statements der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, Hannelore Loskill, deutlich. Hausarzt- und Hausapothekenmodelle sind in der Vergangenheit für den Patienten oft so dargestellt worden, dass ihnen damit das Recht auf freie Arzt- und Apothekenwahl genommen werde. Die Vorteile seien nicht klargemacht worden, so Loskill.

Chronisch Kranke: Experten in eigener Sache?

Insgesamt ist aus Sicht Loskills die Betreuung der Patienten ausbaufähig. Apotheker sollten ihr Angebot verbessern, doch viele chronisch Kranke benötigten eine solche Betreuung nicht. Sie seien Experten in eigener Sache und seien nur im Rahmen der Neuerkrankung auf eine Betreuung angewiesen. Diese Ansicht stieß auf großes Unverständnis. Hubmann verwies auf die Erfahrungen der Apotheker und u. a. auf die Vita-Studie, die bei Asthmatiker gezeigt hat, dass auch Jahre nach Auftreten der Erkrankung 80% der Asthmatiker ihre Arzneimittel zur Inhalation nicht richtig anwenden konnten. Insgesamt machte die Diskussion deutlich, dass noch viel an Aufklärungsarbeit und eine bessere Zusammenarbeit nicht nur mit Ärzten, sondern auch mit Patienten und Patientenverbänden notwendig ist. Neue Schritte sind notwendig und es muss, wie Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, feststellte, wie in der Schweiz strukturiert vorgegangen werden. Dabei müsse auch die Honorierung geregelt werden.

du

Dr. Max D. Brentano-Motta, ehemaliger Präsident des Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse.
Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes
Dr. Peter Geiger
Hannelore Loskill, stellvertretende Bundesvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe.

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