Deutscher Apothekertag 2009

Forsch und losgelöst

Christian Rotta

Am Düsseldorfer Auftritt des liberalen Europaabgeordneten Holger Kramer kann es nicht gelegen haben, dass die FDP Tags drauf ihr historisch bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl einfahren konnte. Bei der Podiumsdiskussion zur "Patientenorientierten Arzneimittelversorgung" fiel Kramer nämlich eher als rigider Befürworter des Arzneimittelversandhandels auf denn als verlässlicher Freund einer inhaberbetriebenen Pharmazie vor Ort. Dass dies im Auditorium im Laufe der Diskussion zu immer lauter anschwellenden Protesten und zahlreichen Zwischenrufen führte, lag daran, dass sich der Abgeordnete in weithin abstruse Statements verstieg und dabei den Eindruck erweckte, im Brüsseler Polit-Biotop ziemlich losgelöst von den Problemen seiner (potenziellen) Wählerinnen und Wähler zu agieren. Auch schien er die politischen Positionen der eigenen Bundespartei nur rudimentär verinnerlicht zu haben. Zur Erinnerung: Immerhin war es 2004 die FDP, die sich gegen die Ganz Große Koalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen mit beachtlichen Argumenten gegen die Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln ausgesprochen hatte. Alles vergessen, alles Schnee von gestern? Es mag ja sein, dass zurzeit (!) die politischen Mehrheiten für eine Einschränkung des Versandhandels mit Arzneimitteln nicht gegeben sind – den Distributionsweg jetzt jedoch mit dem Hinweis zu legitimieren, dass einige Apothekerinnen und Apotheker doch auch Online-Banking betrieben, ist unter dem Niveau eines ernst zu nehmenden Politikers. Immerhin ist Kramer als Abgeordneter der liberal-demokratischen Fraktion Mitglied eines Ausschusses im Europäischen Parlaments, der u. a. für die "Volksgesundheit" zuständig ist. Auch das Schwadronieren darüber, dass "man sich dem technischen Fortschritt nicht entgegenstellen könne", ermüdet. Und deshalb müssen übers Internet hoch sensible Produkte wie verschreibungspflichtige Arzneimittel vertrieben werden dürfen? Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Selbstverständlich erfordert er klare Regeln und selbstverständlich kann ein Gesetzgeber Rx-Arzneimittel – wie andere gefahrgeneigte Produkte auch – vom Versandhandel ausschließen. Viele Staaten haben diese Konsequenz aus guten Gründen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes längst gezogen. Erforderlich hierfür ist freilich ein politischer und rechtlicher Gestaltungswille. Und daran fehlt es Kramer erkennbar. Wir sollten dies zur Kenntnis nehmen – ebenso wie wir insgesamt unser Augenmerk verstärkt den Abgeordneten zuwenden sollten, die für uns im Europäischen Parlament weitreichende gesundheitspolitische Entscheidungen treffen. Viele Parlamentarier wirken zurzeit noch weitgehend im Dunkel.

So gesehen hatte der Auftritt des forschen Liberalen vielleicht auch sein Gutes. Kramer wurde – hoffentlich – deutlich, dass Auseinandersetzungen über Arzneimittelfälschungen und Versandhandel mit Apothekerinnen und Apothekern besser mit dem Florett als mit dem Schwert geführt werden sollten. Und dem Auditorium dürfte bewusst geworden sein, dass auch bei Gelb-Blau nicht alles Gold ist, was glänzt.

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