Deutscher Apothekertag 2009

Apotheker brauchen verlässliche Rahmenbedingungen

"Um Verantwortung für Gesundheit im Sinne der Patienten, darum geht es hier auf dem Deutschen Apothekertag 2009 in Düsseldorf", konkretisierte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf in seinem Lagebericht das Motto des diesjährigen Apothekertags "Gesundheit braucht Verantwortung". Es sei ein Anspruch an die Apotheker, in personaler Verantwortung für andere tätig zu sein. Es wende sich aber auch an die Versicherten, mit ihrer Gesundheit verantwortlich umzugehen. Und nicht zuletzt wollte Wolf das Motto als Forderung an die Politik verstanden wissen: "Sie soll Verantwortung wahrnehmen für das Gesundheitssystem in Deutschland. Sie soll die bewährten Regeln würdigen und anerkennen, was gut funktioniert und jede Fortentwicklung – ganz konservativ – auf bewährtem Grund vornehmen."
Der ABDA-Präsident Pick-up-Stellen machen keinen Sinn.

Die weltweite Finanzkrise sei ein Lehrstück dafür, dass Freiheit Regeln brauche und grenzenlose Freiheit ins Chaos führe, erklärte Wolf. "Die Finanzkrise macht eines deutlich: Die Grundregeln unseres Sozialsystems haben sich bewährt. Und zu diesen Grundpfeilern in unserem Gesundheitssystem zählt die persönlich geführte, individuell verantwortete, unabhängige Apotheke." Der Europäische Gerichtshof habe mit seinem im vergangenen Mai ergangenen Urteil zum deutschen Fremdbesitzverbot ein klares Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke abgelegt. Es ändere allerdings nichts an der Tatsache, dass man um weitere Reformen im Gesundheitswesen nicht umhin komme. "Unsere Gesellschaft altert, der Anteil chronisch kranker und multimorbider Patienten steigt. Zugleich gibt es immer weniger junge Menschen mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, die das System finanzieren, und nicht zuletzt bringt der medizinische Fortschritt neue, aber kostspielige Therapiemöglichkeiten", begründete Wolf den Reformbedarf.

" Die Menschen wollen Verlässlichkeit und Qualität in der Arzneimittelversorgung. Das passt zusammen. Das wird auch verstanden! "

Die Mär von den hohen Arzneimittelausgaben

"Wie die Wahl auch ausgeht, die neue Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen und sicher ist, es wird eine neue Reform des Gesundheitswesens geben", prognostizierte Wolf. Der Arzneimittelmarkt sei für den Reformbedarf allerdings nicht verantwortlich. Der ABDA-Präsident betonte, dass sich die Ausgabenzuwächse seit Jahren im vorher ausgehandelten Rahmen bewegten. Die alljährliche Mär von überraschend hohen Arzneimittelausgaben sei somit nicht wahr. Gleichwohl seien strukturelle Anpassungen nötig. "Hier werden wir Apotheker uns wie immer konstruktiv als Arzneimittelexperten einbringen", so Wolf.

" Dicke Bretter bohren ist grundsätzlich eine gute Sache. Aber es ist etwas völlig anderes, in ein gutes Brett immer neue Löcher zu bohren. "

Den Arzneimittelmarkt vereinfachen

Wolf nannte den Arzneimittelmarkt überreguliert. 27 unterschiedliche, nicht aufeinander abgestimmte Regulierungsinstrumente konterkarierten sich zum Teil selbst. Beispielsweise kenne wegen der Rabattverträge niemand mehr den tatsächlichen Abgabepreis der Arzneimittel in Rabattverträgen. Dieser Abgabepreis sei aber die zwingende Grundlage für die Anpassung der Festbeträge. Sei der tatsächliche Abgabepreis nicht bekannt, könne auch der Festbetrag nicht richtig angepasst werden. Die Festbeträge wiederum würden für Zuzahlungsbefreiungen und Freistellung vom Generikarabatt herangezogen. "Hier muss vereinfacht, abgegrenzt und zielgenau gesteuert werden", meinte der ABDA-Präsident.

" Wir lehnen Tankstellen ab, die Arzneimittel abgeben. Wir brauchen auch keine Kaffeeröster, die Krankenversicherungen verkaufen. "

Schnittstelle stationär – ambulant verbessern

Ein Themenfeld, das eine selbstverwaltete Lösung fordert, ist laut Wolf die Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Die Entlassmedikationen der Krankenhäuser seien zu oft schlecht abgestimmt. Hier mangele es schlicht an Kommunikation. Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und Apotheker müssten an der Schnittstelle der Sektoren besser vernetzt arbeiten. Beispielsweise müsse die persönliche Medikationsdatei eines Patienten schon bei der Einweisung ins Krankenhaus mitgeführt werden, so dass die unnütze und oft teure komplette Neueinstellung des Patienten entfalle. "Um die Adhärenz der Krankenhauspatienten zu gewährleisten – auch nach der Entlassung, wenn kein Pflegepersonal mehr die Arzneimittel ans Bett bringt – müssen Apotheker viel früher in die Medikation eingebunden werden", forderte Wolf.

" Die Politik muss die freien Berufe im Gesundheitswesen stärken und bemündigen. Wo die Kompetenz vorhanden ist, da muss auch die Verantwortung liegen. "

Pick up muss verboten werden

Prinzipiell seien die Apotheker gerne bereit, sich neuen Bedürfnissen anzupassen, wo es Sinn mache. Nach wie vor keinen Sinn kann die ABDA allerdings in Pick-up-Stellen erkennen – auch nicht im Hinblick auf den demografischen Wandel und die damit einhergehende drohende Unterversorgung in strukturschwachen Gebieten. "Hier sind wir aufgerufen, tragfähige Konzepte zu entwickeln, die die flächendeckende Versorgung garantieren", meinte Wolf. Dort, wo Versorgungsengpässe entstünden oder Unterversorgung drohe, dürften nicht aus dem Ausland bediente Pick-up-Stellen apothekerliche Leistungen vorgaukeln.

Ein wachsames Auge muss man Wolf zufolge auf den vom Sachverständigenrat für Gesundheit in einem Sondergutachten gemachten Vorschlag haben, regionale Anbieternetze zu gründen, um in strukturschwachen Regionen die Versorgung der Patienten aufrecht zu erhalten. Entgegen der Meinung des Sachverständigenrates spiele dabei eine ganz entscheidende Rolle, wer diese Netze betreibe. "Hier müssen wir auf zwei Dinge besonders achten", meinte Wolf: "Erstens: Soll das der erneute Versuch eines Einstiegs in den Fremdbesitz sein? Und zweitens: Erinnern wir uns an die regionalen Netze in den 90er Jahren und was aus ihnen wurde. Der Griff in die Mottenkiste hilft hier sicherlich nicht."

" Wir Apotheker wissen, dass wir gut tun. "

Das Zielpreismodell nutzen

Hilfreich wäre es aus Sicht von Wolf dagegen, wenn die von Ärzten und Apothekern geforderte Wirkstoffverordnung in die Tat umgesetzt würde. "Natürlich sind wir Apotheker bereit, mehr Verantwortung bei der Versorgung mit Arzneimitteln zu übernehmen. Pharmazeutisch auf Ebene der einzelnen Apotheke und der Kammern. Wirtschaftlich auf Ebene der Verbände in Bund und Land", bekräftigte Wolf. Das apothekerliche Zielpreismodell sei bestens geeignet, hier anzudocken. Die Politik habe dies frühzeitig erkannt und das Zielpreismodell fest im SGB V verankert. "Sollten die Krankenkassen dieses Angebot nicht bald nutzen, müssen wir andere Wege gehen. Notfalls müssen wir den Gesetzgeber aufrufen, hier tätig zu werden", drohte Wolf in Richtung Kassen.

" Wir Apotheken müssen unseren Leistungskatalog an zukünftige Anforderungen anpassen. Beispielhaft nenne ich die Bereiche Prävention, Pflege, apothekerlichen Home-Service und die Pandemiebekämpfung. "

Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen

"Wir Apotheker wollen und brauchen Verlässlichkeit und Qualität in der Gesetzgebung", forderte Wolf in Richtung der Politik. Das Gesundheitswesen sei kein Abenteuerspielplatz. Es sei auch kein Platz, um politische Leidenschaften für Experimente auszuleben. Politik habe die Verantwortung, glaubwürdig zu sein und nicht nur Ziele innerhalb von Wahlperioden zu verfolgen. Politische Verantwortung heiße, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer aktuelle und zukünftige Problemstellungen optimal gelöst werden könnten.

Damit die Arzneimittelversorgung auch weiterhin funktioniert, muss aus Sicht der ABDA einiges sichergestellt werden. Wolf dazu: "Wir fordern:

  • den Erhalt des Apothekerberufs als eigenverantwortlicher und unabhängiger freier Heilberuf. Die Freien Berufe sind Teil des Erfolgsmodells der sozialen Marktwirtschaft und das Rückgrat einer unabhängigen Arzneimittelversorgung.
  • den weiteren Ausbau der universitären pharmazeutischen Ausbildung – gerade auch mit Blick auf Forschung und Lehre – um die qualitative Zukunft der Arzneimittelversorgung sicherzustellen.
  • die uneingeschränkte Apothekenpflicht für alle Arzneimittel, einschließlich neuer Spezialpräparate, um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung aufrechtzuhalten und einer Trivialisierung von Arzneimitteln entgegenzuwirken. Bestrebungen, die Apothekenpflicht auszuhöhlen, wie es etwa Teile der SPD im Bereich der Kontrarezeptiva gefordert haben, sind nicht mit uns zu machen. Schließlich nehmen wir Verantwortung ernst.
  • die Arzneimittelpreisverordnung muss als Festpreisregelung verbindlich für verschreibungspflichtige Arzneimittel erhalten bleiben und eine ordentliche Vergütung der apothekerlichen Leistungen sichern. Nur durch eine gesicherte Honorierung ist auch die Erfüllung von Aufgaben für unsere Gesellschaft möglich.
  • für Apotheken im Ausland, wie Holland und Tschechien, die auf dem deutschen Markt wildern, müssen die gleichen Anforderungen an Arzneimittelsicherheit, Versorgungsqualität und Leistungsumfang gelten wie für inländische Apotheken. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen, wird man auch zweierlei Ergebnisse haben. Leistungsabbau, Rosinenpickerei und Arzneimittelunsicherheit folgen dann unausweichlich.
  • die Weiterentwicklung der kollektivvertraglichen Regelungen zur Arzneimittelversorgung für alle teilnehmenden Apotheker einheitlich und verbindlich. Einzig der Kollektivvertrag garantiert Versorgungssicherheit, umfassend und flächendeckend. Regional können selektive Vereinbarungen eine sinnvolle Ergänzung sein."

ral

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