Pharma und Partner

Vom Transdata zu IXOS-PT – wie Pharmatechnik entstand

Ein Gespräch mit dem Unternehmer Dr. Detlef Graessner

Wie man in 30 Jahren von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit weit über 600 Mitarbeitern wächst – das ist die Erfolgsgeschichte des Unternehmers Dr. Detlef Graessner, Gründer und Inhaber von Pharmatechnik. In einem Gespräch berichtet er von den Anfängen bis hin zu den neuesten Entwicklungen.

Der Mensch Graessner

Graessner bezeichnet sich selbst als begeisterten Opernbesucher: "Ich kenne alle Opern, die das Münchner Nationaltheater spielt". Er unterstützt das Deutsche Rote Kreuz, den Kinderschutzbund, Kindergärten, mehrere Sportverbände und den Verein zur Förderung der Geschichte zur Pharmazie. Zum Golf spielen kommt er so gut wie nicht, "die Arbeit mit den Mitarbeitern macht einfach so viel Spaß".
Dr. Detlef Graessner

Detlef Graessner stammt aus Mecklenburg. Sein Vater hatte eine große Kakteengärtnerei und -züchterei, die viele Gärtnereien belieferte. Schon als kleiner Junge muss er da wohl erfahren haben, was Unternehmertum bedeutet, erinnert sich Graessner. Aber er interessierte sich weniger für die stacheligen Pflanzen, ihn lockte der technische Fortschritt. Er studierte Nachrichtentechnik. Schon während des Studiums war er nebenbei unternehmerisch tätig, gründete ein Restaurant und eine Sprachenschule.

1966 trat er bei Siemens in München ein, wo er eine vertiefte praktische Fortbildung genoss. Parallel zu seiner Tätigkeit bei Siemens studierte er Betriebswirtschaft und promovierte. "Bei Siemens habe ich alles gelernt, was ich später für den Eintritt in die Selbstständigkeit gebraucht habe", erinnert sich Graessner, beispielsweise Fortschritte in der Datentechnik, aber auch Menschenführung.

Der Einstieg in das Apothekengeschäft

Es war ein Zufall, dass sich Graessner für die Datenübertragung und -verarbeitung in der Apotheke näher interessieren sollte. Siemens war in den siebziger Jahren mit einem Transdata-Gerät im Apothekenmarkt vertreten. Das Gerät konnte Lochkarten lesen und die Daten an die Großhandlungen übertragen. Für Siemens waren Vertrieb und Betreuung dieser Geräte jedoch nicht wirtschaftlich zu machen und so trennte sich das Unternehmen davon.

Für Graessner war dies die Chance. Er übernahm das Gerät die Idee, machte sich selbstständig, entwickelte ein technisches Konzept für ein Nachfolgegerät des Transdata und ließ es bauen. 1979 konnte er es erfolgreich im Apothekenmarkt einführen.

Der erste Schritt mit neuer Technik in den Pharmamarkt war getan. Seine Geschäftsidee brachte er dabei von Siemens mit: Er hatte gelernt, dass es für Hersteller und Kunde günstig ist, langfristige Mietverträge für die Geräte anzubieten einschließlich voller Wartung und Betreuung. Das Gerät wurde schnell zum Renner, denn es brachte Vorteile für Apotheke und Großhandel: Da zur damaligen Zeit viele Apotheken die Arzneimittel noch mündlich am Telefon bestellten und es oft zu Hörfehlern und Fehllieferung kam, half die fehlerfreie elektronische Datenübertragung, Kosten einzusparen.

Graessner konnte seine Geräte rasch in ganz Deutschland verkaufen – er musste Filialen seines Unternehmens gründen, um vor Ort zu sein.

Anfang der 80er Jahre wurden in den Apotheken die Mikrofilm-Geräte nach und nach abgelöst und durch Computer ersetzt. Als einer, der am Fortschritt interessiert ist, musste Graessner von Anfang an dabei sein. Computer in der Apotheke brachten einen enormen Rationalisierungsschub in der Apotheke. Und für Graessners Unternehmen Pharmatechnik einen Wachstumsschub.

Bahnbrechende Ideen

Kreative Ideen haben die weitere Entwicklung des Unternehmens bestimmt. Graessner erwähnt beispielsweise den Aufbau einer Datenbank für Interaktionen auf Grundlage des Buches "Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen" von Professor Ammon. Auf der Grundlage einer elektronischen Datenbank war es einfach und schnell möglich, Interaktionen nachzuschlagen und zu überprüfen.

Als "bahnbrechend" bezeichnet er auch die Übernahme der Großhandelssonderangebote in das Warenwirtschaftssystem – heute eine Selbstverständlichkeit. Natürlich versuchten die Großhandlungen anfangs, sich gegen eine Vergleichbarkeit ihrer Angebote mit Mitbewerbern zu sperren. Doch Graessner war überzeugt, dass ein vergleichender Überblick über die Angebote für den Apotheker wirtschaftliche Vorteile bringt. Da die Großhandlungen diese Daten weder elektronisch zur Verfügung stellen wollten noch konnten, ließ er die monatlich erscheinenden Sonderangebotslisten der Großhandlungen kurzerhand von Mitarbeiterinnen abtippen. Die Abwehrhaltung legte sich. Heute sind alle Großhandlungen sogar daran interessiert, in diesen Listen geführt zu werden.

Im Lauf der Jahre kamen immer mehr Programme und Anwendungsmöglichkeiten der EDV hinzu, die Programme wurden komplexer. Apotheker nutzten bei weitem nicht alle Möglichkeiten ihrer Warenwirtschaftssysteme. Graessner entschloss sich daher, Hilfestellung anzubieten und gründete die Pharmatechnik-Akademie Dr. Graessner, die heute rund 700 Seminare im Jahr veranstaltet.

Der Gedanke der Akademie wurde auf das Internet übertragen: das WebCollege war geboren, Online-Schulungskurse, mit denen die Teilnehmer zu Hause Live-Vorträge verfolgen und sich interaktiv fortbilden können. Nach Aussage Graessners wird diese Möglichkeit der Fortbildung stark genutzt: "Wir sind Marktführer im Bereich der Online-Akademien." Da diese Kurse gespeichert werden können, ist es auch möglich, zeitversetzt teilzunehmen.

Die Handy-Patientenakte

Diese und die vielen anderen Aktivitäten des Unternehmens führten zu einem starken Wachstum, auch im Personalbereich. Heute arbeiten 670 Mitarbeiter für das Unternehmen, nicht nur am Firmensitz in Starnberg, sondern auch in den zahlreichen Filialen und Schulungszentren, die über die gesamte Bundesrepublik verstreut sind.

"Wir versuchen, mit unserer Kreativität zu punkten und als erster neue Ideen zu bringen, so Graessner. Eine dieser neuen Ideen des Unternehmens ist ein Programm fürs Handy: die elektronische Patientenakte auf dem Handy. Die Idee dazu kam Graessner bei einem Lauf-Unfall. Er stürzte und hatte zum Glück sein Handy dabei. Es wäre gut, so dachte er bei sich, wenn dem herbeigerufenen Notarzt sofort die Anamnesedaten, die Patientenakte, die Adresse des Hausarztes und des Hausapothekers und der Angehörigen zur Verfügung stünden. Aus dieser Idee heraus entstand sein neues Programm fürs Handy. Da dies allerdings nur auf einer begrenzten Anzahl von Handytypen lief, mussten wir diese Entwicklung in einem zweiten Durchlauf verbessern – "wir hatten damals nicht gedacht, dass dies so schwer sein kann", so Graessner. Heute ist die Handy-Patientenakte mit nahezu allen Handys kompatibel. Für seine Erfindung, Mobiltelefone zu Trägern von Gesundheitsdaten zu erweitern, erhielt Graessner den "Convergators’ Award 2009", eine renommierte Auszeichnung im Bereich "Konvergenz".

Diese Entwicklung zog weitere Programme nach sich, beispielsweise eine kleine Datenbank mit sämtlichen Telefonnummern der Notfallärzte und Krankenhäusern in 27 Ländern. Oder Rufnummern von deutschsprechenden Ärzten im Ausland. Oder die Rufnummern von Giftinfozentralen, zur Sperrung von Kreditkarten oder von Autoherstellern und viele weitere.

Motivierte Mitarbeiter

Den Mitarbeitern bei Pharmatechnik in Starnberg steht die kostenlose Nutzung eines Fitnesscenters zur Verfügung. Graessner zeigt sich überzeugt: "Wir bezahlen die Kindergartenplätze für die Mitarbeiter, und eine betriebliche Altersversorgung. Der Krankenstand ist außerordentlich niedrig. Nicht zuletzt motivieren diese Angebote im sozialen Bereich die Mitarbeiter zu besten Leistungen."

Die Entwicklungen gehen weiter

Zurück zur Apotheke: Apothekenkooperationen benötigen Daten, wie denn gemeinsame Maßnahmen in den Apotheken umgesetzt werden und wie sich der Abverkauf der Arzneimittel entwickelt. Graessner: "Wir haben hierfür eine eigene auf den Abverkauf gerichtete Pharma-Union gegründet: Wer mehr verkauft, bekommt vom Hersteller einen Bonus. Der Nachweis gelingt über das Warenwirtschaftsprogramm. Mittlerweile machen bereits über 200 Apotheken mit."

Größten Wert legt das Unternehmen dabei auf die Datensicherheit. Jeden Monat laufen die Daten von 1300 Apotheken bei Pharmatechnik ein zur Erstellung eines Managementreports. Damit erfährt der Apotheker immer zeitnah, wo er mit seiner Apotheke steht und was er besser machen kann.

"Wir stellen dem Apotheker heute eine Vielfalt an Programmen und EDV-technischen Lösungen zur Verfügung, von der Warenwirtschaft über elektronische Etiketten bis hin zu Software für die Verblisterung. Hinzu kommt die Software-Unterstützung für die unterschiedlichsten Apothekenaktionen auf vielen Gebieten.

In der neuen eCard sieht er Chancen. Graessner ist voller Ideen, wie dieses Instrument genutzt werden kann. Sein neuestes Projekt: das neue Warenwirtschaftsprojekt IXOS-PT, eine vollkommene Neuentwicklung. Er glaubt an die Zukunft der Apotheke. Man darf gespannt, welche Innovationen aus der Ideenschmiede am Starnberger See in den nächsten Jahren kommen werden.

diz

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