Arzneimittel und Therapie

Wie sieht der Nutzen von Memantin in der Praxis aus?

Das IQWiG sieht unter anderem für die Zielgröße kognitive Leistungsfähigkeit signifikante Effekte zugunsten von Memantin, kommt aber nach einer statistischen Bewertung zu dem Schluss, dass die Relevanz des Effekts nicht mit Sicherheit eingeschätzt werden kann und damit kein Beleg für einen Nutzen von Memantin vorliegt. Wir baten Prof. Dr. Hans Förstl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar der TU München, um eine Bewertung des IQWiG-Abschlussberichtes aus praktischer Sicht.
Prof. Dr. Hans Förstl

DAZ: Herr Professor Förstl, können Sie die Einschätzung des IQWiG nachvollziehen?

Förstl: Ich finde es schon etwas seltsam, einerseits die Wirksamkeit eines Wirkstoffes anzuerkennen, andererseits den Nutzen aber zu bestreiten. Vor allem vermag ich nicht die Verabsolutierung einer statistischen Größe wie Cohen’s d mit dem vom IQWiG offenbar als Gesetz betrachteten Grenzwert 0,2 nachzuvollziehen. Nach meiner Einschätzung drängt sich hier doch das Kostenargument in den Vordergrund, allerdings in der Verkleidung als Nutzen.

DAZ: Wie wird aus Ihrer Sicht dieser Abschlussbericht die Versorgung Demenzkranker beeinflussen?

Förstl: Da Memantin offensichtlich wirksam ist, wäre es bedauerlich, in der Therapie von Alzheimer-Patienten auf diese Behandlungsoption zu verzichten. Memantin ist zudem die einzige Substanz, die bei dementen Patienten mit höhergradigen Reizleitungsstörungen am Herzen, mit Ulcuserkrankungen und in anderen Situationen angewandt werden kann, wenn die Patienten Cholinergika nicht vertragen. Außerdem ergänzen sich Memantin und Acetylcholinesterase-Hemmer in ihrer Wirksamkeit bei Patienten mit Alzheimer-Demenz positiv. Die Wirkprinzipien sind kombinierbar – und bei Privatpatienten, bei denen das Kostenargument nicht so deutlich die Behandlung dominiert, wird diese Kombination auch angewendet.

DAZ: Herr Professor Förstl, vielen Dank für Ihre Einschätzung!

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