DAZ aktuell

Unklarheiten dauern an

HAMBURG/BERLIN (tmb). Der Patentrechtsstreit um Nebivolol erhitzte bereits im vorigen Jahr die Gemüter und bereitete Herstellern und Apothekern zermürbende Rechtsunsicherheiten. Inzwischen haben viele Generikahersteller ihre patentrechtlich umstrittenen Nebivolol-Präparate vom Markt genommen. Für die Apotheken ist der Ärger damit aber nicht beendet. Denn viele Ärzte verschreiben weiterhin generisch, und Patienten, die zeitweilig preiswerte Generika erhalten hatten, entfachen nun Diskussionen über die hohe Aufzahlung.
So teuer? Viele Apothekenkunden reagieren mit Unverständnis, wenn sie – nachdem sie zuvor ein günstiges Nebivolol-Generikum erhalten hatten – nun für das Original aufzahlen müssen.
Foto: ABDA

Etliche Anbieter hatten im vorigen Jahr aufgrund von Nichtigkeitsklagen gegen das Patent des Originalherstellers Berlin-Chemie Generika mit dem Betablocker Nebivolol auf den Markt gebracht. Außerdem hatte der Gemeinsame Bundesausschuss den Wirkstoff in eine Festbetragsgruppe eingeordnet. Doch blieb die patentrechtliche Lage ungeklärt. Denn die Entscheidungen zugunsten der Generikahersteller sind nicht rechtskräftig, weil dagegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt wurde (siehe Berichte in AZ 2008, Nr. 19, S. 2 und AZ 2008, Nr. 30, S. 3). Die Apotheker sahen sich in einer unerträglichen Rechtsunsicherheit "zwischen Baum und Borke", zwischen möglicher strafbewährter Patentverletzung und Nullretaxation durch die Krankenkassen.

Abwarten gefragt

Solche Retaxationen konnten in Verhandlungen zwischen den Apothekerverbänden und den Krankenkassen erfreulicherweise abgewendet werden. Wegen der Rechtsunsicherheit bietet der Großhandel die umstrittenen Generika nicht mehr an. So blieb der Direktvertrieb der Hersteller an die Apotheken. In diesem Jahr haben die meisten Anbieter ihre Nebivolol-Generika jedoch vom Markt genommen. Über die Gründe kursieren unterschiedliche Auffassungen. Ein Aspekt ist der andauernde Patentrechtsstreit, bei dem die Entscheidung des Bundesgerichtshofes abzuwarten ist. In diesem Zusammenhang wird sogar über ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland berichtet, das sich gegen die Zulassung patentrechtlich umstrittener Produkte richte. Als weiterer Grund kommt der vergleichsweise niedrige Festbetrag des Betablockers in Betracht. Denn die Markteinführung der Generika fiel in die gleiche Zeit wie die Einstufung des Wirkstoffes in die Festbetragsgruppe. Zu diesem Preis dürfte insbesondere der mühsame Direktvertrieb an einzelne Apotheken für die Anbieter nicht attraktiv sein.

Vor diesem Hintergrund hat auch die AOK Nebivolol im August aus einer zunächst geplanten Ausschreibung gestrichen. Neben patentrechtlichen Gründen könnte dies auch schon auf den Auslauf des Nebivolol-Patents im Herbst 2010 zielen. Denn dann dürften unabhängig vom Ausgang des schwebenden Verfahrens Generika auf den Markt kommen und die Preise in Bewegung geraten. Allerdings hat Berlin-Chemie ein sozialrechtliches Verfahren gegen die Einstufung von Nebivolol in eine Festbetragsgruppe mit lange etablierten Betablockern angestrengt.

Ärger in Apotheken

Während Generikahersteller und Krankenkassen abwarten, bleibt der Fall Nebivolol dagegen für Apotheken durchaus problematisch, wie Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, gegenüber der DAZ berichtete. Denn Ärzte verordnen weiterhin vielfach Nebivolol als Wirkstoffverordnung. Patienten, die zwischenzeitlich Generika erhalten hätten, seien nun vielfach verärgert über die hohe Aufzahlung für das Originalpräparat Nebilet, dessen Preis deutlich über dem Festbetrag liegt. Nach Erfahrungen aus Hamburger Apotheken würden die Kunden vielfach mit Unverständnis reagieren. Für Graue ist dies letztlich auch eine Folge der Entwicklung im vorigen Jahr. Es sei unhaltbar gewesen, einen Festbetrag für ein patentrechtlich umstrittenes Produkt festzulegen und damit die Marktteilnehmer einer rechtlich unklaren Situation auszusetzen.

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