Arzneiporträt

Beinwellkraut-Zubereitung fördert die Wundheilung

Von Mathias Schmidt

Beinwell in topischen Zubereitungen ist ein rationales Phytopharmakon bei stumpfen Traumen wie Prellungen und Verstauchungen [1, 2]. Für eine Arzneicreme mit einem Auszug aus den oberirdischen Pflanzenteilen der Sorte Trauma-Beinwell wurden zudem ausgeprägte analgetische Effekte bei Muskelschmerzen im Rückenbereich nachgewiesen [3]. Da Trauma-Beinwell sich durch das Fehlen von Pyrrolizidinalkaloiden auszeichnet, können seine Zubereitungen auch auf offene Schürfwunden aufgetragen werden. Dabei zeigte sich neben den abschwellenden, entzündungshemmenden und schmerzlindernden Effekten auch eine beschleunigte Wundheilung. Diesem Befund wurde in einer kontrollierten Doppelblindstudie nachgegangen [4].

Vom Beinwell (Symphytum officinale) existieren Unterarten und Hybriden, die sich bezüglich der Inhaltsstoffe unterscheiden. Im Prüfmedikament der hier referierten Doppelblindstudie sind die Pyrrolizidinalkaloid-freien oberirdischen Teile der Sorte Symphytum x uplandicum Harras‘ ent­halten.
Foto: Sertürner Bildarchiv

Typische Verletzungen beim Sport und in der Freizeit wie Verstauchungen und Prellungen gehen häufig mit Schürfwunden einher. Verletzte Haut ist aber eine Kontraindikation für die meisten der in diesem Indikationsgebiet topisch angewandten Arzneimittel. Zum Beispiel weisen Zubereitungen aus Diclofenac, Dimethylsulfoxid, Heparin oder Arnikagel ausdrücklich Anwendungsbeschränkungen auf verletzter Haut aus. Für pflanzliche Präparate bestehen zum Teil weitere Einschränkungen: So gilt die für Dermatika festgelegte Obergrenze von 100 ppm Pyrrolizidinalkaloiden (PA) nur für die Anwendung auf intakter Haut, während auf verletzter Haut nur PA-freie Zubereitungen angewendet werden dürfen. Auch Beinwell (Symphytum officinale) aus der Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae), in der das Vorkommen von PA bekannt ist, kann von diesen Einschränkungen betroffen sein. Die Nutzung der wundheilungsfördernden Effekte von Beinwell setzt also die Abwesenheit von Pyrrolizidinalkaloiden voraus.

 

PA-freie Beinwellsorte

Die Anwesenheit von PA ist zwar eine bekannte Eigenschaft der Gattung Symphytum, trifft aber nicht auf alle Arten und Sorten zu. So wurde durch gezielte Optimierung der Hybride Symphytum × uplandicum Nyman, auch Comfrey genannt, eine Beinwellsorte identifiziert, in deren oberirdischen Pflanzenteilen keine PA nachweisbar sind [5]. Diese Sorte wurde unter der Bezeichnung ‘Harras‘ ("Trauma-Beinwell") nach europäischem Recht geschützt.

 

Trauma-Beinwell hat reproduzierbare und stabile Wachstumseigenschaften und Inhaltstoffe. Beides ist eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendungssicherheit und die Zuverlässigkeit des daraus hergestellten Medikamentes.

 

Die Abwesenheit von PA in den oberirdischen Pflanzenteilen der Sorte ‘Harras‘ erlaubte die Anwendung des Medikamentes auf offenen Wunden und die Überprüfung der beobachteten wundheilungsfördernden Effekte in einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie.

 

Objektivierung der Wundheilung

Die Heilungsgeschwindigkeit von Wunden lässt sich näherungsweise durch naturwissenschaftlich-mathematische Gesetzmäßigkeiten beschreiben. Die Wundfläche, die bei annähernd runden oder elliptischen Schürfwunden auf der Basis der Längs- und Querdurchmesser errechnet werden kann, heilt innerhalb der ersten vier Tage mit einer konstanten Geschwindigkeit von den Wundrändern her in Richtung Wundmitte ab. Diese Abheilungskonstante kann durch Bestimmung der Wundfläche zu festgelegten Zeitpunkten errechnet werden. Dabei kommt es nicht auf die genaue Zeitdauer zwischen der Verletzung und der ersten Messung an, solange diese erste Messung und die Erfolgskontrolle innerhalb der etwa vier Tage stattfinden, in denen der Heilungsverlauf konstant ist. Es muss lediglich der zeitliche Abstand zwischen den beiden Messungen genau dokumentiert sein.

 

Die Wundheilungsgeschwindigkeit kann durch äußere Einflussnahme verändert werden: Unter dem Einfluss wundheilungsfördernder Zubereitungen ist eine schnellere, aber in sich nach wie vor konstante Abheilung zu erreichen.

 

In der Doppelblindstudie wurde bei 278 Patienten mit frischen Schürfwunden – zumeist durch Sportunfälle – jeweils sofort und nach zwei bis drei Tagen die Wundfläche bestimmt. Aus dieser Fläche und dem genauen Zeitabstand zwischen den Messungen konnten durch Regressionsanalyse sowohl die prozentuale Wundheilungsrate als auch die Dauer bis zur vollständigen Abheilung errechnet werden. Die Patienten wurden für die Untersuchung randomisiert auf zwei Gruppen verteilt. In der Verumgruppe mit 137 Teilnehmern wurde als Prüfpräparat eine Creme mit 10% Beinwellextrakt aus den blühenden oberirdischen Bestandteilen von Symphytum × uplandicum ‘Harras‘ jeweils einmal täglich in deckender Schicht auf die Wunde aufgetragen, während in der Kontrollgruppe mit 141 Patienten als Referenzpräparat eine Creme mit nur 1% Beinwellextrakt zum Einsatz kam. Bei dieser Vorgehensweise war die Verblindung für Arzt und Patient sichergestellt.

 

Studienergebnisse

Unter Anwendung des Prüfpräparates ergab sich im Vergleich zum Referenzpräparat eine hochsignifikante und klinisch relevante Beschleunigung der Wundheilung. Die vollständige Abheilung dauerte in der Verumgruppe durchschnittlich 4,1 Tage, in der Kontrollgruppe dagegen 7,1 Tage. Die Größe der Wundfläche zu Beginn der Studie hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis; dies bestätigte erneut den bereits bekannten linearen Abheilungsverlauf in den ersten Tagen nach der Verletzung. Die in der Verumgruppe beobachtete Beschleunigung war damit auf den Gehalt von 10% Beinwellextrakt in der Zubereitung zurückzuführen.

 

Auch das Alter der Patienten spielte keine signifikante Rolle, und dies, obwohl die besseren Selbstheilungskräfte von Kindern und Jugendlichen einen geringeren Effekt der Beinwellcreme hatten erwarten lassen. Die mit dem Prüfpräparat behandelten Kinder und Jugendlichen (23% der Studienpopulation) profitierten sehr deutlich von der Anwendung der Creme.

 

Die Verträglichkeit des Prüfpräparates erwies sich trotz der Anwendung an offenen Wunden als ausgezeichnet. Es wurden keinerlei Hautirritationen beobachtet.

 

Ausblick

Die unerwartet deutliche Verbesserung der Wundheilung durch die Creme mit 10% Trauma-Beinwell-Extrakt ist umso überraschender, als das eigentliche Indikationsgebiet dieser Arznei bei Prellungen und Verstauchungen liegt. Für die tägliche Praxis des Apothekers und des Arztes ist dieses Ergebnis deshalb so wichtig, weil stumpfe Traumen oft mit Schürfwunden kombiniert sind und alle vergleichbaren lokal anzuwendenden allopathischen Antitraumatika und Antiphlogistika bei offenen Wunden kontraindiziert sind.

 

Literatur

[1] Kucera M, et al. Efficacy and safety of topically applied Symphytum herb extract cream in the treatment of ankle distortion: results of a randomized controlled clinical double blind study. Wien Med Wochenschr 2004;154 (21– 22):498-507.

[2] Koll R, et al. Wirksamkeit und Verträglichkeit von Beinwellwurzelextrakt (Extr. Rad. Symphyti) bei Sprunggelenksdistorsionen. Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie. Z Phytother 2000;21:127–134.

[3] Kucera M, et al. Symphytum-Herbaextraktcreme gegen Myalgien: Eine Doppelblindstudie. Therapiewoche 2005; 21(9):243 – 248.

[4] Barna M, et al. Der wundheilende Effekt einer Symphytum-Herbaextraktcreme (Symphytum × uplandicum Nyman): Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie. Wien Med Wochenschr 2007;157(21/22):569 – 574.

[5] Schmidt M. Hochleistungssorte Harras als Beitrag zu Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Beinwell (Symphytum × uplandicum Nyman). Z Arznei- und Gewürzpflanzen 2008;13(4):182 –184.

 


Autor

Apotheker Dr. Mathias Schmidt

Wartbergweg 15, 86874 Mattsies

 

Das könnte Sie auch interessieren

Auch topische Beinwell-Zubereitungen sind betroffen

Grenzwerte für Pyrrolizidinalkaloide

Gefahr durch toxische Pyrrolizidinalkaloide

Giftige „Heilpflanzen“ bei Hildegard von Bingen

Dexpanthenol-haltige Salbe Vaseline in Studie überlegen

Bessere Wundheilung nach Lasertherapie

Pyrrolizidinalkaloide in Arznei- und Lebensmitteln sorgen für Probleme

Hepatotoxisch und karzinogen

Gefahr durch toxische Pyrrolizidinalkaloide

Giftige „Heilpflanzen“ bei Paracelsus

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.