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Pharmaverbände lassen sich nicht beeindrucken

BERLIN (ks). Die von der AOK Baden-Württemberg vorgelegten Gutachten zum Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel lassen die Pharmaverbände nicht an ihrer eigenen Meinung zweifeln. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hält den Versuch der AOK, ihre Haltung rechtlich zu untermauern, sogar für "gründlich daneben gegangen". Mit Verwunderung nahm man beim BPI und bei Pro Generika auch die Rechenkünste des Regensburger Medizinrechtlers Prof. Thorsten Kingreen zur Kenntnis.

Dass die AOK sich mit ihren Gutachten selbst keinen Gefallen getan habe, zeigt dem BPI zufolge nicht zuletzt die Tatsache, dass Prof. Alexander Ehlers in seinem Gutachten zum "gleichen Indikationsbereich" selbst erwähnt, dass es auch gewichtige Gründe für die enge Auslegung der pharmazeutischen Industrie gibt. "Dieser für die Ortskrankenkassen vernichtende Schlusssatz im selbst finanzierten Gutachten sollte den Kassenfürsten zu denken geben und vor allem Ärzte und Apotheker vor einem nicht rechtskonformen Substituieren wahren, sonst könnten sie möglicherweise in die Haftung geraten", warnte Prof. Barbara Sickmüller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des BPI. Das von den Pharmaverbänden in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dierks habe dagegen "eindeutig gezeigt, dass eine weite Auslegung des Aut-idem-Begriffs rechtlich nicht vertretbar ist".

Daneben hat die im zweiten AOK-Gutachten vorgenommene Auslegung des Tatbestandsmerkmals "identische Packungsgröße" in § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Pro Generika und beim BPI einige Verwunderung ausgelöst. Prof. Kingreen vertritt die Auffassung, dass es für die positive Beantwortung der Frage, ob wirkstoffgleiche Arzneimittel austauschbar sind, nicht nötig ist, dass numerisch identische Packungsgrößen vorliegen. Identisch im Rechtssinne seien alle Packungen, die zu einer der Gruppen N1, N2 oder N3 gehören. Diese "Hilfsauslegung" werde Ärzte und Apotheker, Mathematiker und Patienten "in mehr als nur Erstaunen versetzen", hieß es bei Pro Generika. So gebe es Hersteller, die Omeprazol in der Normgröße N3 sowohl in Packungen mit 60 als auch mit 100 Kapseln anbieten. Bei einem Hersteller beinhaltet die N3-Packung sogar nur 56 Tabletten. Der Patient könne mit dieser Packung daher auch nur die Hälfte der Zeit versorgt werden.

Thomas Porstner, Pressesprecher und Justiziar von Pro Generika, erklärte hierzu: "Wir haben uns ja inzwischen daran gewöhnt, dass die Krankenkassen wesentliche Grundsätze des Arzneimittelrechts ändern wollen, damit ihre Rabattverträge problemlos umgesetzt werden können. Dass ein Gutachter aber jetzt die Grundrechenarten ändern will, ist neu. Zur Umsetzung und Nachahmung zulasten der Patienten und Verordner ist dies ganz sicher nicht empfohlen." Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des BPI, Barbara Sickmüller betonte: "Eine Packung mit weniger Inhalt kann zwar billiger sein, als eine mit mehr Tabletten. Wirtschaftlicher in einer Dauerverordnung ist sie aber sicherlich nicht. Diese Rechnung sollte auch den Vorstand eines Kostenträgers nicht überfordern."

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