Arzneimittel und Therapie

Venlafaxin und Duloxetin sind Placebo überlegen

Patienten mit Depressionen können von selektiven Serotonin-und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) profitieren, so das Ergebnis des Abschlussberichts des IQWiG: Es sieht den Nutzen von Duloxetin und Venlafaxin in dieser Indikation gegenüber Placebo als belegt an. Die Patienten sprechen besser auf die Therapie an und leiden weniger unter den Beschwerden ihrer Depression. Außerdem gibt es Hinweise, dass beide Substanzen nicht nur die Symptome lindern, sondern auch vor Rückfällen schützen können.

Antidepressiva nützen Die selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin und Duloxetin helfen Patienten mit Depressionen besser als Placebo, so das Fazit des IQWiG in seinem Abschlussbericht, der Teil eines Auftragspakets zu den Antidepressiva ist: In einem getrennten Bericht untersucht das IQWiG zurzeit die Wirkstoffe ­Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin.

Foto: Steigerwald

Ziel der Untersuchung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) war die Nutzenbewertung der selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin und Duloxetin bei der Behandlung der akuten Phase der Depression, bei der Erhaltungstherapie (Rückfallprävention) und bei der Rezidivprophylaxe, im Vergleich zu einer Placebogabe, im Vergleich zu anderen Antidepressiva sowie im Vergleich untereinander. Der Therapieerfolg wurde dabei an Patienten mit Depressionen anhand von Skalen gemessen, bei denen Patienten oder medizinisches Personal die Veränderung der Symptomatik dokumentieren. Zielgrößen waren neben der Veränderung von depressionsbedingten Beschwerden und Begleitsymptomen wie Angst, Schmerz oder Schlafstörungen, auch die Sterblichkeit, Suizidalität, Lebensqualität, der Umgang mit Alltagssituationen sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Unveröffentlichte Daten mit ausgewertet

Insgesamt wurden in einer systematischen Literaturrecherche nach relevanten Primär- und Sekundärpublikationen 80 klinische Studien in die Bewertung einbezogen. Darunter verglichen 16 Studien Duloxetin (Cymbalta®) und 62 Studien Venlafaxin (Trevilor®) mit Placebo oder einem anderen Antidepressivum, zwei Studien verglichen die beiden Wirkstoffe direkt miteinander. Weiterhin wurden bei den Herstellern der in Deutschland zugelassenen Präparate Informationen zu veröffentlichten und unveröffentlichten Studien angefragt. Die Hersteller Lilly und Wyeth stellten umfangreiche bisher unveröffentlichte Daten zur Verfügung. Eingeschlossen wurden randomisierte, kontrollierte Studien, die Duloxetin oder Venlafaxin bei Patienten mit Depression mit Placebo oder anderen chemisch definierten Antidepressiva (einschließlich der jeweils anderen Prüfsubstanz) oder Johanniskraut verglichen. Die Mindeststudiendauer betrug sechs Wochen für die Akutbehandlung, sechs Monate für die Rückfallprävention und zwölf Monate in der Genesungsphase für die Rezidivprophylaxe.

Besseres Ansprechen als auf Placebo

In der Akuttherapie sprachen Patienten auf beide Wirkstoffe besser an, als auf Placebo. Die Beschwerden wurden stärker gemindert. Bei einigen wurden sie sogar soweit reduziert, dass die Kriterien für die Diagnose "Depression" nicht mehr erfüllt wurden. Was die Prävention von Rückfällen betrifft, sieht das IQWiG zumindest Hinweise darauf, dass Duloxetin und Venlafaxin Placebo überlegen sind. Im Unterschied zu Duloxetin sieht das IQWiG bei Venlafaxin auch Belege, dass es wirkungsvoller vor dem erneuten Auftreten einer Depression schützt als Placebo. Im direkten Vergleich zwischen Venlafaxin und Duloxetin erweisen sich beide im Hinblick auf die Linderung der depressionsbedingten Beschwerden gleichwertig.

Duloxetin ist ein selektiver, dualer Noradrenalin-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, der besonders im Sakralmark seine Wirkung ausüben soll. Die Wirkung entspricht qualitativ in etwa der des Venlafaxin, es inhibiert jedoch dosisabhängig die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin in etwa gleich stark. Duloxetin zeigte sich im Vergleich zu Placebo bezüglich der Remission und der Änderung der depressiven Symptomatik in der Kurzzeit-Akuttherapie überlegen. Es verbessert das allgemeine soziale Funktionsniveau in der Kurzzeit-Akuttherapie. Zudem gibt es Hinweise auf einen Nutzen bezüglich einer Verbesserung des allgemeinen sozialen Funktionsniveaus für die Rückfallprävention. Bezüglich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist für Duloxetin ein Vorteil im Vergleich zu Placebo nachgewiesen, für Venlafaxin nicht. Werden die Substanzen direkt miteinander verglichen, zeigt sich jedoch kein relevanter Unterschied. Im Vergleich zu Placebo verbessern beide Wirkstoffe zudem die Fähigkeiten der Patienten, den Alltag zu bewältigen.

Venlafaxin mit begrenztem Zusatznutzen

Venlafaxin ist ein relativ selektiver Hemmstoff bezüglich Serotonin und Noradrenalin, so dass andere biogene Amine bzw. entsprechende Rezeptoren kaum beeinflusst werden. Besonders die Affinität zu histaminergen, cholinergen und adrenergen Rezeptoren wird als gering eingestuft. Im Vergleich mit den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) zeigt Venlafaxin einen Vorteil: Es lindert depressive Beschwerden besser als die Vergleichsmedikamente. Dies gilt allerdings nicht für Duloxetin. Bei den unerwünschten Wirkungen wurden Unterschiede deutlich: Im direkten Vergleich ist Venlafaxin Duloxetin überlegen, da weniger Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen abbrachen. Das IQWiG sieht "Belege für einen größeren Schaden von Duloxetin bzw. für einen geringeren Schaden von Venlafaxin bezüglich der Therapieabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse". Beide Substanzen schneiden hier aber schlechter ab als selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.

Wenig Einfluss auf begleitende Symptome

Hinsichtlich der Begleitsymptome der Depression, wie Angst, Schmerz oder Schlafstörungen, zeigt sich nur ein relevanter Unterschied: In der Venlafaxin-Gruppe litten Patienten weniger unter Angstzuständen als in der Placebo-Gruppe. Bei den anderen untersuchten Begleitsymptomen konnte dagegen für keine der beiden Substanzen ein relevanter Effekt festgestellt werden. Für die Endpunkte Mortalität und Suizidalität ist aufgrund der eingeschränkten Datenlage für beide Substanzen keine abschließende Aussage möglich. Für die Bewertung des Einflusses auf Komplikationen von gegebenenfalls die Depression begleitenden Erkrankungen lagen keine Daten vor.

 

 

Quelle

Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bei Patienten mit Depressionen. Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Stand 17. Juni 2009.

 

ck

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