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Ein Phänomen – oder doch nicht?

Peter Ditzel

Homöopathische Arzneimittel in Deutschland: bekannt, genutzt, geschätzt – unter dieser Überschrift fasst das Institut für Demoskopie Allensbach das Ergebnis einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zusammen. Erstellt wurde die Umfrage im Auftrag von Herstellern homöopathischer Arzneimittel, die sich in einer Arbeitsgemeinschaft im Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller zusammengeschlossen haben. Als Ergebnis lässt sich festhalten: homöopathische Mittel sind im Trend. Überrascht dies? Ja und nein. Ja, weil in unserer Gesellschaft viele Menschen rational eingestellt sind und die rationale Forschung, die evidenzbasierte Medizin das Sagen hat. Bei der Zulassung von Arzneimitteln werden strenge Wirksamkeitsnachweise verlangt, der Anwender von Arzneimitteln will wissen, warum und wie Arzneimittel wirken.

Nein, weil der Mensch per se wohl kein rationales Wesen ist. Und bei der Therapie seiner Erkrankungen durchaus auch auf Homöopathika setzt, deren Wirksamkeitsnachweis nicht mit harten randomisierten Doppelblindstudien zu belegen ist. Er spürt eine Wirkung nach Einnahme des Präparats, zumindest glaubt er eine Wirkung zu spüren – auch wenn es "nur" eine Anregung der Selbstheilungskräfte sein sollte, die aber schließlich auch zu einer Wirkung führen kann.

In den letzten 30 Jahren ist der Bekanntheitsgrad von Homöopathika enorm gestiegen (von 76 auf 94 Prozent). Die Bevölkerung hat gelernt, was unter Homöopathika zu verstehen ist, woraus sie hergestellt werden. Viele haben sogar vom Verdünnungs- und oder vom Ähnlichkeitsprinzip gehört. Und gut die Hälfte der Bevölkerung hat schon mal homöopathische Arzneimittel verwendet. Woher kommt diese Zunahme der Bekanntheit und der Kenntnisse homöopathischer Arzneimittel? Möglicherweise von einem gesellschaftlichen Trend hin zu Bio und Natur, hin zur sanften Medizin, zur gefahrlosen Therapie ohne Nebenwirkungen. Geholfen haben dabei möglicherweise die Publikumsmedien, die den Trend erkannten und Aufklärungsserien brachten. Zur Steigerung der Bekanntheit haben aber auch Ärzte und Apotheker beigetragen, die ihren Patienten und Kunden als adjuvante Therapie oder im Rahmen der Selbstmedikation zu Homöopathika geraten haben. So sind auf Empfehlung von Ärzten 37 Prozent zur Homöopathie gekommen, 31 Prozent haben durch eine apothekerliche Empfehlung den Weg zu dieser Medizin gefunden. An erster Stelle stehen jedoch die Anwender selbst, die ihre Erfahrungen mit dieser Therapierichtung und mit diesen Präparaten an Freunde und Bekannte weitergeben: 54 Prozent der Homöopathie-Anwender haben diese Arzneimittel eingenommen, weil sie ihnen von Freunden und Bekannten empfohlen wurden.

Interessant erscheint mir auch das Ergebnis der Studie, dass ein Viertel der Bevölkerung von der Wirksamkeit überzeugt ist, ebenfalls etwa ein Viertel Homöopathika zum Teil für wirksam hält und ein Drittel potenzielle Verwender sind, d. h., sie würden im Krankheitsfall schon mal zur Hahnemannschen Therapie greifen. Nur 14 Prozent sagen, dass dies für sie nicht in Frage kommt und nur 2 Prozent sind enttäuschte Verwender.

Apotheken haben diesen Trend der Bevölkerung hin zur homöopathischen Medizin erkannt. Seminare, in denen man Zusatzqualifikationen für die homöopathische Beratung erwerben kann, sind nahezu immer ausgebucht. Vortragsabende mit homöopathischen Themen erfreuen sich größten Zuspruchs. Auch das ist für viele ein Phänomen. Wird der Apotheker in seinem Studium doch zur genauen Darstellung von Wirkungsmechanismen und pharmakologischen Zusammenhängen ausgebildet – in der Homöopathie gibt es dergleichen nicht. Hier dominiert die Hahnemannsche Lehre, ein Gedankengebäude, das sich mit wissenschaftlichen Daten und Zahlen nicht fassen lässt. Allenfalls mit Empirie. Vielleicht liegt die Beliebtheit der Homöopathie unter Pharmazeuten aber auch einfach darin, dass man hier eine gewisse Kompetenz ausspielen kann, dass man seinen Kunden und Patienten etwas mitgeben kann, das weitgehend gefahrlos, ohne große Neben- und Wechselwirkungen eingenommen werden kann.

Obs hilft? Selbstverständlich, so die überzeugten Homöopathen – reiner Placebo-Effekt, so die Kritiker. In der Bevölkerung jedenfalls haben die Hahnemannschen Präparate ein durchwegs positives Image: nebenwirkungsarm und gut verträglich – dem werden auch die Kritiker zustimmen können. Die Zukunftsaussichten für homöopathische Arzneimittel werden laut der Allensbach-Umfrage gut eingeschätzt: ein Drittel glaubt, dass sie an Bedeutung gewinnen werden. Homöopathika – sie werden wohl ein Phänomen bleiben, egal wie man es betrachtet.


Peter Ditzel

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