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Apotheker brauchen mehr Selbstbewusstsein!

BREMEN (diz). Ihr Ziel ist das Parlament: die Apothekerin Dr. Rita Mohr-Lüllmann will für die CDU über den Wahlkreis Bremen I als Direktkandidatin in den Deutschen Bundestag ziehen. "Ich bin überzeugt, dass zu wenig Vertreter mittelständischer Unternehmen und zu wenig Freiberufler und Selbstständige mit praktischer Berufserfahrung außerhalb der Politik im Bundestag vertreten sind", schreibt sie auf ihrer Website, "dies möchte ich ganz persönlich ändern." Wir fragten Frau Mohr-Lüllmann nach ihren politischen Schwerpunkten und wie sie als Apothekerin und Politikerin die aktuellen Entwicklungen im Apothekenbereich sieht.
Rita Mohr-Lüllmann
Foto: CDU
DAZ: Frau Mohr-Lüllmann, warum sind Sie als Apothekerin in die Politik gegangen?

Mohr-Lüllmann: Ich bin eher zufällig in die Politik gekommen. Ich bin damals von der CDU angesprochen worden, ob ich mich nicht in der Partei engagieren möchte. Ich hatte mir das bis dahin nie vorstellen können, weil ich mich ohnehin schlecht vertreten gefühlt habe. Nach einigen Gesprächen mit meiner Familie habe ich mich dann entschlossen: Wenn ich schon die Chance habe, mich einzubringen, dann mache ich das. Nun bin ich seit sechs Jahren in der Bremer Landespolitik aktiv.

DAZ: Wo liegen Ihre politischen Schwerpunkte?

Mohr-Lüllmann: Mein Fachgebiet ist die Gesundheitspolitik, doch darauf beschränke ich mich nicht. Ich komme aus dem Mittelstand und setze mich für genau diese Gruppe ein. Für Familien, mittlere Unternehmen, Freie Berufe, kurz: unsere gesellschaftliche Mitte, die viel für den sozialen Zusammenhalt leistet und mehr politischen Zuspruch benötigt.

DAZ: Wie bewerten Sie das EuGH-Urteil zum Fremd- und Mehrbesitzverbot?

Mohr-Lüllmann: Das Urteil kann ich nur begrüßen! Der Apotheker wird dadurch in seiner Funktion als freier Heilberufler und in seiner Unabhängigkeit gestärkt. Eigentlicher Gewinner sind somit die Patienten, die weiterhin von einer unabhängigen Beratung profitieren. Die inhabergeführte Apotheke gewährleistet derzeit eine patientennahe, sichere und rasche Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten. Der Apotheker wird damit nicht zum Spielball finanzorientierter Kapitalgesellschaften. Zudem ist das Urteil ein Zugeständnis für den Erhalt des Mittelstandes.

DAZ: Konnten Sie als CDU-Politikerin die Vorgänge in Saarbrücken (Zulassung einer Fremdbesitz-Apotheke durch einen CDU-Minister) nachvollziehen?

Mohr-Lüllmann: Die Aktivitäten des Josef Hecken finde ich besonders fragwürdig. Seine Beweggründe würden mich durchaus interessieren.

DAZ: Thema Versandhandel: Wie betrachten Sie die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln? Wäre er entbehrlich? Insbesondere mit Rx-Arzneimitteln?

Mohr-Lüllmann: Der Versandhandel mit Arzneimitteln wäre sicher entbehrlich. Die Verantwortlichen sollten den Fehler eingestehen und den Versand von Rx-Arzneimitteln auf das europarechtlich gebotene Maß reduzieren. Die Arzneimittelfälschungen nehmen mehr und mehr zu, dem Verbraucher wird es dadurch immer schwerer, legale von illegalen Internetapotheken zu unterscheiden. Zudem haben wir in der Apothekerkammer immer wieder Beschwerden über lange Lieferzeiten und eine ungenügende Beratungsleistung. Der Arzneimittelmarkt im Internet wird immer undurchsichtiger und birgt große Gefahren. Beispielsweise kommen Jugendliche leicht an Aufputschmittel oder andere Arzneimittel, die missbräuchlich verwendet werden können. Ich nenne hier nur mal das Stichwort Diphenhydramin.

DAZ: Wie ist Ihre Position beim Thema Fremd- und Mehrbesitz, Kettenapotheken und Pick-up-Stellen?

Mohr-Lüllmann: Ich bin eine Verfechterin von inhabergeführten Apotheken. Sie gewährleisten eine ordnungsgemäße und flächendeckende Versorgung. Der Apotheker als Arzneimittelfachmann ist in der Lage, den Patienten durch den unübersichtlichen Arzneimittelmarkt zu lotsen. Dabei ist die Apothekenpflicht unverzichtbar. Pick-up-Stellen müssen verhindert werden, da helfen auch keine gesetzlichen Regelungen. Arzneimittel gehören nun mal nicht in die Tankstelle. Der Trivialisierung der besonderen Ware Arzneimittel muss Einhalt geboten werden.

DAZ: Wie stehen Sie zum einheitlichen Abgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?

Mohr-Lüllmann: Das ist aktiver Verbraucherschutz!

DAZ: Mehrwertsteuer auf Arzneimittel – welche Position vertreten Sie? Sollte der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel gesenkt werden?

Mohr-Lüllmann: Was Steuersenkungen angeht, muss die Politik sehr vorsichtig sein. Die Spielräume sind sehr eng. Andererseits muss ich sagen: Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz würde grundlegende Probleme der Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems in eine richtige Richtung lenken. Der Staat ist durchaus großzügig, was die Mehrwertsteuer betrifft: Für Grundnahrungsmittel, Tierfutter und Taxifahrten gilt der ermäßigte Satz von sieben Prozent. Jedoch kann sich niemand aussuchen, ob er krank wird oder nicht. Medikamente sind daher lebensnotwendige Güter, die für alle Patienten erschwinglich sein sollten.

DAZ: Wenn Sie sich die heutige Apothekenlandschaft ansehen: was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?

Mohr-Lüllmann: Durch das Urteil des EuGH hat der Apotheker wieder sicheres Fahrwasser bekommen. Dies sollte er nutzen und seine Stärken, nämlich sein umfassendes Wissen um das Arzneimittel, selbstbewusst an die Öffentlichkeit bringen. Die Apotheker brauchen meiner Meinung nach mehr Selbstbewusstsein und den Mut, sich und ihr Wissen als Arzneimittelfachkräfte zu verkaufen.

DAZ: Frau Mohr-Lüllmann, vielen Dank für das Interview.

Dr. Rita Mohr-Lüllmann

Rita Mohr-Lüllmann wurde 1957 in Altena (Westfalen) geboren. Sie studierte Chemie und Pharmazie an der Universität Bremen und der Universität Braunschweig. Ab 1985 war sie als approbierte Apothekerin und Kontrollleiterin in der pharmazeutischen Industrie tätig. 1991 gründete sie das Institut für pharmazeutische Analytik mit Weiterbildungsermächtigung in Bremen und machte sich damit selbstständig. 1994 wurde sie Fachapothekerin im Bereich pharmazeutische Analytik. 1995 promovierte Mohr-Lüllmann an der Universität Bremen zum Dr. rer. nat. Seit 1997 ist sie vereidigte Sachverständige im Land Bremen für das Gebiet Abgrenzungsproblematik für Arzneimittel, Kosmetika und Lebensmittel.
Mohr-Lüllmann ist seit 2001 Mitglied der CDU. Sie wurde zum 6. Juni 2003 in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Sie ist stellvertretende Landesschatzmeisterin und seit Juli 2007 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Bremen.
2009 kandidiert sie als Direktkandidatin für den Bundestag im Wahlkreis I (Bremen Stadt).
In der Bürgerschaft ist sie CDU-Fraktionssprecherin für Gesundheit und Krankenhäuser, Vorsitzende im Ausschuss für Krankenhäuser und Mitglied in den Deputationen für Arbeit und Gesundheit sowie für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration.
Mohr-Lüllmann ist Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Bremen und Vizevorsitzende der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft der Landesgruppe Bremen.
Mohr-Lüllmann ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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