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Unsere pharmazeutische Kompetenz

Peter Ditzel

Wenn Sie aufmerksam die DAZ und andere pharmazeutische Fachliteratur lesen, wenn Sie Reden von Berufspolitikern zur Eröffnung von Fortbildungskongressen lauschen, werden Sie immer wieder auf den Begriff der pharmazeutischen Kompetenz stoßen. Pharmazeutische Kompetenz – ein schöner Begriff, er beinhaltet Fähigkeiten und Fertigkeiten auf pharmazeutischem Gebiet. Er stellt das in den Mittelpunkt, was wir gelernt haben, was wir können (sollten).

Pharmazeutische Kompetenz – manchmal, so könnte man meinen, verkümmert dieser Begriff zur Worthülse, er wird inflationär verwendet für alles, was der Apotheker macht. Hier sollte man sich fragen, was wirklich unsere genuinen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind. Für mein Dafürhalten liegen sie heute an erster Stelle im Wissen über das Arzneimittel und seine Anwendung am Menschen. Dazu gehören unsere übergreifenden Kenntnisse aus allen fünf pharmazeutischen Disziplinen (Chemie, Biologie, Technologie, Pharmakologie und Klinische Pharmazie) und ihr Zusammenwirken.

Hat man beim Blick auf deutsche Apotheken, auf das von der Politik in eine bestimmte Richtung gedrängte Apothekenwesen den Eindruck, dass die pharmazeutische Kompetenz im Vordergrund unseres Berufsbilds steht? Bei selbstkritischer Betrachtung muss man wohl zu dem Schluss kommen: eher nicht. Die Politik hat sich seit 2004 in erster Linie um wirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit der Apotheke gekümmert: sie hat den Versandhandel zugelassen mit der Folge der gerichtlichen Zulassung von Pick-up-Stellen; sie hat Einkaufs- und Naturalrabatte für Apotheken gestrichen; sie hat die Rabattverträge von Krankenkassen eingeführt; sie hat die OTC-Preise freigegeben und mehr Wettbewerb eingefordert. Konnten sich die Apotheken anfangs nur schwer an die neuen "Freiheiten’" gewöhnen, drängen sich mittlerweile Versandapotheken mit Schnäppchen-Angeboten, Discount-Apotheken, Rabattaktionen wie Happy hour, Schnäppchen-Anzeigen in Tageszeitungen, Arzneimittel bei dm und Schlecker und Arzneimittel von der Tankstelle ins Bewusstsein der Bevölkerung. Von pharmazeutischer Kompetenz ist hier nicht mehr die Rede – es geht um Preise, Billigarzneimittel und Billigvertriebswege.

Die apothekerliche Kompetenz erscheint in der öffentlichen Wahrnehmung allenfalls in den Testberichten von Stiftung Warentest und einschlägigen Fernsehmagazinen – und hier meist mit negativem Ausgang.

Droht unser Beruf zu verfallen? Sollten wir nicht alles daransetzen, die pharmazeutische Kompetenz besser zu nutzen, besser im Gesundheitswesen einzusetzen, "an den Mann", sprich an den Patienten zu bringen? Müssen wir nicht alles dafür tun, dass wir in der Politik, in der Öffentlichkeit als Apotheker wahr genommen werden, die pharmazeutisch kompetent sind und nicht als Apotheker, die zu Supersonderpreisen die billigsten Arzneimittel verschleudern?

In den USA, dem Land, das als Vorreiter von Ketten und Discount-Drugstores gilt, hat unter Pharmazeuten seit einiger Zeit ein Umdenken stattgefunden. Man hat erkannt, dass die Ausbildung des Apothekers viel zu schade ist, als dass sie in Kettenapotheken verkümmert. Die Initiative für dieses Umdenken geht von einigen Universitäten aus. Sie haben bereits angefangen, in die Ausbildung Lehrinhalte zu integrieren, durch die die Pharmazeuten befähigt werden, ihre heilberufliche Kompetenz besser herauszustellen. Die Verantwortlichen setzen auf die Erkenntnis, dass unsere Zukunft nicht darin liegt, noch mehr Arzneimittelpackungen zu verkaufen, sondern unsere Kompetenz als Arzneimittelfachmann dafür einzusetzen, die Arzneimitteltherapie für den Patienten und für die Kostenträger zu optimieren. An der School of Pharmacy von Minneapolis im Bundesstaat Minnesota beispielsweise verfolgt man diesen Weg schon seit geraumer Zeit. Als ich dieses pharmazeutische Institut im vergangenen Jahr besuchte, dachte man dort bereits konkret über die Verwirklichung einer Vision des Apothekerberufs nach: der Apotheker als Therapiemanager. Man arbeitete dort ein neues Programm an vorgeschriebenen Pflichtpraktika aus, die während des Studiums oder danach zu absolvieren sind. Hierzu gehört u. a. auch "Patient Care" oder Praktika im Krankenhaus und in einer Krankenhausapotheke. Zu den Lehrinhalten dieser Praktika gehört auch das Medication Therapy Management, bei dem der angehende Apotheker lernt, sein Wissen in den Dienst der Medikationsberatung einzubringen. Neu ist, dass ein solches Pflichtpraktikum aufgrund der Beziehungen des pharmazeutischen Instituts von Minneapolis zu einer deutschen Apotheke auch hier abgeleistet werden kann. Unser Beitrag "Die pharmazeutische Kompetenz besser nutzen" beschreibt den Aufbau des neuen Pflichtpraktikums, die Erfahrungen damit und den Austausch von Studenten, die in dieser Apotheke in Deutschland mitarbeiten durften.

Arbeiten wir weiter daran, dass wir unsere pharmazeutische Kompetenz einbringen können, dass sie anerkannt wird und dass sie ins Zentrum unseres Berufs rückt. Nur dann kann man sagen: Es gibt keine Alternativen zum Apotheker.


Peter Ditzel

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