Ernährung aktuell

Vorsicht Essanfall

Über das zunehmende Problem von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter haben wir im Rahmen unserer Serie "Basiswissen Kinderernährung" bereits ausführlich berichtet. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine nicht zu unterschätzende Anzahl der Betroffenen eine Essstörung haben, bei der es zu Essanfällen kommt. Treten diese Anfälle regelmäßig auf, spricht man vom so genannten Binge Eating Syndrom, das wir in dieser Folge näher vorstellen werden.

Das Binge Eating Syndrom (Binge Eating Disorder, BED) wurde erstmals vor mehr als 40 Jahren beschrieben. Es weist zum Teil gleiche Symptome wie die Bulimia nervosa auf. So treten in beiden Fällen rezidivierende Heißhungerattacken auf. Anders als bei der Bulimie werden bei der BED jedoch keine Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ergriffen bzw. wird das Essverhalten nicht kompensiert. Die Essanfälle sind nicht zeitlich abgrenzbar, etwa durch Erbrechen, Fasten oder exzessive körperliche Betätigung, sondern können sich über Stunden oder gar Tage erstrecken [2]. Aufgrund der fehlenden Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ist die BED mit Übergewicht und Adipositas assoziiert [1]. Neben "Binge Eating", das definiert ist als der Verzehr einer großen Nahrungsmenge in Kombination mit einem subjektiven Gefühl des Kontrollverlusts, wird häufig auch der Begriff "loss of controll eating" (LOC) verwendet. LOC steht für einen subjektiven Kontrollverlust unabhängig von der gegessenen Menge.

Im Kindes- und Jugendalter gehen die Essanfälle wie bei Erwachsenen mit einem unstrukturiertem Ess- verhalten, Auslassen von Mahlzeiten, häufigem Naschen und Diätversuchen einher. Allerdings verzehren Kinder während der Essanfälle im Gegensatz zu Erwachsenen kohlenhydratreiche und proteinärmere, nicht aber energiereichere Lebensmittel [1].

Definition nur für Erwachsene geeignet

Klinische Relevanz erlangte die BED, als sie in die Forschungskriterien des amerikanischen Klassifikationsschemas DSM-IV (DSM = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen) aufgenommen wurde (s. Kasten). Viele Wissenschaftler haben sich inzwischen mit dem Thema BED beschäftigt. Allerdings lag der Forschungsschwerpunkt – wie auch bei vielen anderen psychiatrischen Erkrankungen – auf BED bei Erwachsenen. Ein Forschungsinteresse für die BED im Kindes- und Jugendalter besteht erst seit Kurzem. Die Definition der BED wird der Essstörung in jungen Jahren somit auch nicht gerecht. Daher wird nun in der Literatur empfohlen, die Kriterien der BED für das Kindes- und Jugendalter entsprechend zu modifizieren. Mögliche Kategorisierungen, die in jüngster Zeit entwickelt wurden, sind in der Tabelle zusammengefasst.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche, die einen Teil der Definitionskriterien erfüllen, später häufig das Vollbild einer Essstörung entwickeln [2]. Bereits übergewichtige Kinder gelten als besonders BED-gefährdet: Dies begründet sich darin, dass sie mehr figur-, gewichts- und essensbezogene Sorgen haben als normalgewichtige Kinder. Zudem ist ihr Essverhalten durch emotionales und extern gesteuertes Essen gekennzeichnet. Von der Persönlichkeit her sind sie häufiger ängstlich und depressiv und haben ein geringeres Selbstwertgefühl.

Exkurs Night Eating Syndrom

Neben der BED wird auch das Night Eating Syndrom (NES) beobachtet, das jedoch noch keinen Eingang in etablierte Klassifikationssysteme gefunden hat und für das insbesondere bei Kindern und Jugendlichen kaum Daten vorhanden sind. Im Rahmen von nächtlichen Essattacken werden beim NES in der Regel größere Nahrungsmengen verzehrt. Allerdings handelt es sich um geringere Mengen als bei der BED. Die NES geht u. a. mit Schlafstörungen einher. Daher sollten Kinderärzte ein NES erwägen, wenn bei adipösen Kindern Schlafstörungen beobachtet werden [2].

Häufigkeit steigt mit Adipositasgrad

Für Kinder und Jugendliche liegen nur vereinzelt Angaben zur Prävalenz der BED vor. In Feldstudien wurden Häufigkeiten zwischen 1 und 3% beobachtet, wobei Mädchen tendenziell stärker als Jungen betroffen sind. Während der Pubertät nimmt die Häufigkeit einer BED bei Mädchen zu, in der Folge steigt bei ihnen die Adipositas-Häufigkeit. Umgekehrt tritt BED bei Jugendlichen, die bereits adipös sind, häufiger auf: So wird bei adipösen Jugendlichen "Binge Eating" bei 20 bis 30% beobachtet, ohne dass alle Kriterien für BED erfüllt sind. Bei Jugendlichen mit extremer Adipositas leiden 57% der Mädchen und 35% der Jungen an "Binge Eating". Bei Untersuchungen, die auch Kinder einschlossen und sich auf stationäre Maßnahmen beschränkten, gaben ein Drittel Episoden von "Binge Eating" an [2]. Die Pävalenz für "LOC Eating" liegt bei 37% [1]. Insgesamt steigt die Wahrscheinlichkeit für Heißhungerattacken bei Kindern und Jugendlichen mit dem Ausprägungsgrad der Adipositas [2].

Entwicklung teilweise auf Basis einer Diät

Es werden verschiedene Erklärungsansätze für die Entwicklung der BED diskutiert. Beispielsweise konnte in retrospektiven Untersuchungen nachgewiesen werden, dass sich bei einem Teil der Patienten die Heißhungerattacken erstmals im Zusammenhang mit einer Diät entwickelten. Nahezu alle Studien mit Erwachsenen zeigen, dass diejenigen, bei denen schon im jungen Lebensalter "Binge Eating" beobachtet wurde, auch frühzeitig von Adipositas betroffen waren und eine ausgeprägtere Psychopathologie und Essstörung hatten. Daher sollte präventiv auf das Auftreten von Heißhungerattacken schon im Kindes- und Jugendalter geachtet werden [2].

Kriterien für die Binge-Eating-Störung nach DSM-IV

Wiederholte Episoden von "Fressanfällen", eine Episode von "Fressanfällen" ist gekennzeichnet durch:

  • Essen einer Nahrungsmenge in einem abgrenzbarem Zeitraum (z. B. 2 Stunden), die definitiv größer ist, als die meisten Menschen in einem ähnlichen Zeitraum unter ähnlichen Umständen essen würden
  • Gefühl des Kontrollverlusts über das Essen während einer Episode

Die Episoden von "Fressanfällen" treten mit mindestens 3 der nebenstehenden Symptome auf:

  • wesentlich schneller essen als normal
  • Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
  • Essen großer Nahrungsmengen, wenn man sich körperlich nicht hungrig fühlt
  • Alleine essen aus Verlegenheit über die Menge, die man isst
  • Ekelgefühle gegenüber sich selbst, Deprimiertheit oder große Schuldgefühle nach dem übermäßigen Essen

Es besteht deutliches Leiden wegen der "Fressanfälle"

Die "Fressanfälle" treten im Durchschnitt an mindestens zwei Tagen in der Woche für sechs Monate auf

Die "Fressanfälle" gehen nicht mit dem regelmäßigen Einsatz von unangemessenen kompensatorischen Verhaltensweisen einher (z. B. "Purging-Verhalten", Fasten oder exzessive körperliche Betätigung), und sie treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.

Quelle: [2]

Ursachen weitgehend unklar

Die Ätiologie der BED wird maßgeblich durch zwei Hauptfaktorengruppen geprägt: dazu zählen einerseits die Vulnerabilitätsfaktoren zur Entwicklung einer psychischen Störung wie psychische Erkrankungen in der Familie, Missbrauchserlebnisse, ein negatives Selbstbild oder kritische Lebensereignisse und andererseits Faktoren, die die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in der Kindheit begünstigen. Über genetische Einflussfaktoren können bisher keine konkreten Aussagen getroffen werden. Allerdings gibt es Untersuchungen, die Hinweise auf eine familiäre Häufung einer BED unabhängig vom Gewicht geben.

Bisher liegen nur wenige prospektive Studien zur Entstehung von Essanfällen vor. Bei Mädchen im Jugendalter konnten einige unabhängige Risikofaktoren ermittelt werden. Dazu zählen Unzufriedenheit mit der Figur, Diätverhalten, Schlankheitsdruck, emotionales Essen, erhöhter BMI, ein geringes Selbstwertgefühl sowie mangelnde soziale Unterstützung. Zudem kann ein gestörtes Essverhalten der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sowie Übergewicht der Eltern prädiktiv für das Auftreten einer BED beim Kind sein. Auch können restriktive Ernährungspraktiken der Mutter, etwa das Begrenzen der Portionsgröße, bei der Tochter dazu führen, dass diese – auch ohne hungrig zu sein – größere Mengen an Nahrung zu sich nimmt.

Insgesamt besteht in Hinblick auf die Ursachenforschung der BED noch erheblicher Forschungsbedarf. So ist noch unklar, welche unmittelbaren Faktoren dem anfallartigen Essen vorausgehen. Die bisherigen Befunde legen nahe, dass es sich um ein Zusammenwirken einer defizitären Emotions- und Impulsregulation in Interaktion mit einer Prädisposition für Übergewicht und Adipositas handelt. Wie diese Faktoren schließlich pathogenetisch interagieren, weiß man bislang allerdings nicht [1].

Verlauf: Es wird immer schlimmer

Zum Verlauf der BED im Kindes- und Jugendalter existieren bislang nur wenige Studien [1, 2]. Diese weisen auf einen progressiven Verlauf hin: So zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen, bei denen zunächst Heißhungerattacken ohne Kontrollverlust in geringer Frequenz auftreten, dass sich daraus Essattacken mit zunehmender Häufigkeit und steigendem Kontrollverlust entwickeln [2]. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die BED zu einer anderen Essstörung entwickelt, ist dagegen äußerst gering. So wird ein Wechsel von der BED zu einer Anorexia nervosa nur in sehr wenigen Einzelfällen beobachtet. Ein Diagnosewechsel zu einer Bulimia nervosa betrifft etwa 8 bis 10% der Patienten, allerdings beziehen sich die Ergebnisse auf Erwachsene [3].

Komorbiditäten: Angst, Depression und ADHS

Auch für das Auftreten von Komorbiditäten der BED im Kindes- und Jugendalter liegen kaum Untersuchungen vor. Eine Studie untersuchte Jugendliche mit extremer Adipositas, die im Rahmen einer Langzeitrehabilitationsmaßnahme psychiatrisch untersucht wurden. Diejenigen mit einer Essstörung zeigten dabei häufiger affektive und Angststörungen. In einer anderen Studie, in der die Teilnehmer zwischen 12 und 17 Jahre alt waren, konnte ein signifikanter Zusammenhang von Essattacken mit depressiver Stimmung und niedrigem Selbstwertgefühl beobachtet werden. Diejenigen, die die Klassifikationskriterien einer BED vollständig erfüllten, zeigten die stärkste depressive Verstimmung und das niedrigste Selbstwertgefühl. Zudem hatten 29% der Mädchen und 28% der Jungen mit einer BED einen Suizidversuch hinter sich [2]. Im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen mit Adipositas ohne weitere Essstörung, zeigten diejenigen mit BED eine erhöhte Rate an Angststörungen und affektiven Störungen [4]. Weiterhin liegen Hinweise für ein gehäuftes Auftreten einer komorbiden ADHS bei Kindern und Jugendlichen mit Essanfällen vor [1].

Tabelle: Vergleich der vorläufigen Forschungskriterien für BED im Kindesalter nach Marcus und Kalarchian (2003) und Tanofsky-Kraff et al. (2008).
Vorläufige Forschungskriterien für die BED bei 
Kindern unter 14 Jahren 
(mod. nach Marcus und Kalarchian 2003)
Provisorische Forschungskriterien für die Essstörung mit Kontrollverlust ("loss control eating disorder") bei Kindern unter 12 Jahren 
(mod. nach Tanofsky-Kraff et al. 2008)

A. Wiederkehrende Essanfälle. Ein Essanfall ist gekennzeichnet durch beide der folgenden Merkmale:

1. Suchen nach Nahrung in Abwesenheit von Hunger (z.B. nach einer Mahlzeit)

2. Das Gefühl, dass die Kontrolle über das Essen fehlt (z.B. "wenn ich einmal mit dem Essen anfange, kann ich nicht mehr aufhören")

A. Wiederkehrende Episoden von Essen mit Kontrollverlust. Essen mit Kontrollverlust ist gekennzeichnet durch beide der folgenden Merkmale:

1. Subjektives Gefühl des Kontrollverlusts über das Essen

2. Suchen nach Nahrung in Abwesenheit von Hunger oder nach der Sättigung

B. Die Essanfälle treten gemeinsam mit einem oder mehreren der folgenden Merkmale auf:

1. Suchen nach Nahrung auf negativen Affekt hin (z.B. Traurigkeit, Langeweile oder Unruhe)

2. Suchen nach Nahrung als Belohnung

3. Heimlich essen oder Nahrungsmittel verstecken

B. Die Episoden von Essen mit Kontrollverlust treten gemeinsam mit mindestens drei oder mehreren der folgenden Merkmale auf:

1. Essen als Reaktion auf negativen Affekt

2. Heimliches Essen

3. Gefühle von Benommenheit/Taubheit (fehlende Bewusstheit) während des Essens

4. Essen größerer Nahrungsmengen im Vergleich mit anderen oder die Wahrnehmung, dass mehr gegessen wird im Vergleich mit anderen

5. Negativer Affekt als Folge des Essens mit Kontrollverlust (z.B. Schuld- und Schamgefühle)

C. Die Symptomatik besteht während 3 MonatenC. Episoden von Essen mit Kontrollverlust treten durchschnittlich an mindestens 2 Tagen pro Monat während drei Monaten auf
D. Essanfälle gehen nicht mit dem regelmäßigen Einsatz unangemessener kompensatorischer Verhaltensweisen einher und sie treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.D. Essanfälle gehen nicht mit dem regelmäßigen Einsatz unangemessener kompensatorischer Verhaltensweisen einher und sie treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf.
Quelle: [1]

Vier Fragen für die Diagnostik

Um eine BED bei Kindern und Jugendlichen zu diagnostizieren, sollten Kinder- und Jugendärzte unbedingt folgende Fragen mit dem Patienten klären:

  • Hat der/die Betroffene Essanfälle, d. h. stopft er große Mengen Nahrung anfallsartig und ohne sich zu beherrschen in sich hinein?
  • Treten diese Essanfälle auch im gesättigten Zustand, z. B. nach einer Mahlzeit auf und gehen sie mit Kontrollverlust einher? ("Wenn du anfängst zu essen, isst du dann immer weiter, ohne aufhören zu können?")
  • Treten die Essanfälle in Zusammenhang mit Verstimmungen auf (z. B. bei Enttäuschung, Langeweile) oder wird Essen als Belohnung eingesetzt?
  • Wird Nahrung gehortet oder versteckt?

Sind die Kinder bereits älter bzw. werden Jugendliche befragt, sollten Eltern und Kind unbedingt getrennt befragt werden, da Kinder in Anwesenheit ihrer Eltern aus Schamgefühl nicht die Wahrheit sagen [2]. Mithilfe verschiedener Fragebögen können die psychischen Störungen und etwaige Komorbiditäten erfasst werden. Auch auf Verhaltensauffälligkeiten kann auf diese Weise eingegangen werden [1].

Therapie orientiert sich an anderen Essstörungen

Zur Behandlung der BED im Kindes- und Jugendalter gibt es derzeit weder im deutsch- noch im englischsprachigen Raum ein manualisiertes überprüftes Konzept. Daher orientiert man sich zum einen an den Behandlungsprinzipien der Bulimia nervosa und Anorexia nervosa und berücksichtigt zum anderen die Behandlungbefunde der BED im Erwachsenenalter. Daraus leiten sich Ansatzpunkte für die Entwicklung eines kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzepts ab. Dabei liegt der Schwerpunkt der Behandlung auf dem Erkennen der auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren der Essanfälle. Die bei Erwachsenen angewendeten Techniken werden dabei modifiziert eingesetzt. Dazu zählen Techniken der Selbstbeobachtung sowie Techniken der Stimulus-Reaktionskontrolle. Bei Kindern, die das achte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollten die Eltern maßgeblich in die Therapie einbezogen werden. Aus bisherigen Erfahrungen mit Erwachsenen lässt sich ableiten, dass Faktoren wie ein unregelmäßiges Ernährungsangebot, rigide Nahrungsmittelverbote in Kombination mit einer beeinträchtigten Fähigkeit zur Emotions- und Impulskontrollregulation dazu beitragen, Essanfälle auszulösen. In einer vorläufigen Richtlinie (eine empirische Überprüfung steht noch aus) werden verschiedene Elemente zur Behandlung einer BED empfohlen. Ein wichtiger Baustein ist dabei die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung. Sie umfasst die Psychoedukation über anfallartiges Essen im Kindesalter, die Selbstbeobachtung von anfallsartigem Essen sowie das Vermitteln eines verhaltenstherapeutischen Konzepts für das Auftreten von Essanfällen. Weiterhin sollten Strategien zur Reduktion anfallartigen Essens entwickelt werden. Dabei stehen das regelmäßige Essen, Stimulus- und Reaktionskontrolltechniken und die Gewichtsstabilisation im Fokus. Auch sollten diejenigen Kinder, die unter ihrer negativen Einschätzung ihrer Figur und ihrem Gewicht leiden, lernen, damit umzugehen. Dies ist wichtig, da ein negatives Körperbild auch Auslöser für anfallartiges Essen sein kann. Schließlich sollte auch an die Rückfallprophylaxe gedacht werden. Dazu zählen u. a. regelmäßige Auffrischsitzungen, damit die Implementierung der erreichten Veränderungen in den Alltag unterstützt werden kann und eventuelle Schwierigkeiten rechtzeitig bewältigt werden können [1].

Prognose uneinheitlich

Speziell für Kinder und Jugendliche liegen keine Daten zur Genesung vor. Bei Erwachsenen konnte im ersten Jahr nach der Therapie bei 30 bis 79% der Betroffenen eine Remission der BED beobachtet werden, also sehr uneinheitliche Werte. Nach fünf Jahren lag der Wert bei 76%. Auch für die Rückfall- und Chronifizierungsraten liegen sehr unterschiedliche Werte nach dem ersten Jahr nach einer Behandlung vor: Zwischen 11 und 43% wurden ermittelt. Nach sechs bis zwölf Jahren litten 6 bis 8% noch oder wieder unter der BED. Zur Mortalität gibt es bislang keine empirisch fundierten Ergebnisse. Es gibt allerdings Hinweise, dass sie mit der Mortalität einer Bulimia nervosa vergleichbar ist. Dabei liegen die standardisierten Mortalitätsraten zwischen 0 und 20,8% [3].

Ausblick

Insgesamt zeigt sich, dass der Forschungsstand der BED im Kindes- und Jugendalter derzeit noch viele Lücken aufweist. Künftig sollten empirische Arbeiten auf die Identifizierung ätiologischer Faktoren fokussieren, um bereits präventiv frühzeitig aktiv werden zu können. Zum anderen sollten wirksame Behandlungsstrategien entwickelt und überprüft werden, um Betroffenen bedarfsgerecht helfen zu können [1].

 

Literatur

[1] Munsch, S. (2009): Adipositas und Binge Eating Disorder. In: Schneider, S. & Margraf, J.: Lehrbuch der Verhaltenstherapie, 3. Auflage, Springer Berlin Heidelberg, S. 689–717.

[2] Herpertz-Dahlmann, B.; Lamerz, A. (2004): Essstörungen bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter. In: Monatsschrift Kinderheilkunde, Jg. 152, H. 12, S. 1295–1301.

 [3] Quadflieg, N.; Fichter, M. M. (2008): Verlauf der Bulimia nervosa und der Binge-Eating-Störung. In: Herpertz, S.; de Zwaan, M; Zipfel, S. Handbuch Essstörungen und Adipositas, S. 48–53.

 [4] Warschburger, P. (2008): Psychosoziale Faktoren der Adipositas in Kindheit und Adoleszenz. In: Herpertz, S.; de Zwaan, M; Zipfel, S. (2008): Handbuch Essstörungen und Adipositas. Mit 21 Tabellen. Heidelberg: Springer Medizin, S. 176–181.

 

 
Autorin 

Katja Aue, M. Sc. (Ökotrophologie)

 katja_aue@web.de

 

 

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