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Die Mehrheit will Reformen

Peter Ditzel

Was glauben Sie: wie beurteilt die deutsche Bevölkerung das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung? Eine Umfrage des Finanzdienstleisters MLP, unterstützt von der deutschen Ärzteschaft und durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach, brachte Erstaunliches: 64% der Befragten (und damit 5 Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Jahr) schätzen die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems für gut bis sehr gut ein. Unter Ärzten sind es sogar 82%, die unserem System eine gute bis sehr gute Note geben. Das hätte man so nicht erwartet.

Doch diese Zahlen relativieren sich sehr schnell bei weiterer Nachfrage. Bei Fragen nach Details fällt das Meinungsbild nämlich keineswegs mehr so positiv aus. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung (59%), aber auch der Ärzte (56%) ist überzeugt, dass sich die Qualität der Gesundheitsversorgung in den letzten zwei, drei Jahren verschlechtert hat. Die meisten von ihnen beklagen eine generelle Verschlechterung der Patientenversorgung, Leistungsminderungen und eingeschränkte Möglichkeiten, Patienten etwas zu verschreiben.

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der Bevölkerung wider: Ein Drittel hat hier laut dieser repräsentativen Umfrage in den letzten Jahren eher schlechtere Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung gemacht als früher. Dem Gesundheitsfonds wird dafür allerdings weder von der Mehrheit der Bevölkerung noch der Ärzte die Schuld gegeben. Frau Schmidt darf sich freuen.

Beim Blick in die Zukunft sieht der überwiegende Teil der Ärzte schwarz: 72% aller niedergelassenen und Krankenhausärzte befürchtet, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte in Zukunft die Qualität der medizinischen Versorgung beeinträchtigen werden. Vor allem die Therapiefreiheit sehen 77% aller Ärzte in Frage gestellt. Pessimistisch bleibt die Einschätzung, wenn nach der Entwicklung in den nächsten zehn Jahren gefragt wird: immer mehr Zwei-Klassen-Medizin (88%), immer schwieriger, alle medizinisch notwendigen Leistungen zu verordnen (82%), nur noch Übernahme der Kosten für die medizinische Grundversorgung (78%). Eine ähnlich pessimistische Einschätzung zeigen die Antworten in der Bevölkerung, die weitere Einschränkungen und zunehmende Kosten erwartet: steigende Beiträge (80%), erhöhte Zuzahlung für Arzneimittel (78%), nur noch Übernahme der medizinischen Grundversorgung (63%). Weitere Reformen im Gesundheitswesen erwarten knapp zwei Drittel der Bevölkerung und 81% der Ärzte. Ich denke, mit dieser Ansicht dürften sie nicht falsch liegen. Ja, eine Reformierung des Gesundheitssystems erwarten die meisten nicht nur: die breite Mehrheit (65% der Bevölkerung und 81% der Ärzte) ist davon überzeugt, dass das System umfassend reformiert werden muss. Aber die Mehrheit erwartet dies nicht in der nächsten Legislaturperiode.

Dass Gesundheitspolitik ein schwieriges Geschäft ist, dass es sehr schwer ist, die Bevölkerung zufrieden zu stellen, lässt sich aus der Frage nach dem Eindruck ablesen, den Bevölkerung und Ärzte von der Gesundheitspolitik der Bundesregierung haben. 62% der Bevölkerung und sogar 87% der Ärzte haben davon keinen guten Eindruck. Bevölkerung und Ärzte bleiben nach wie vor skeptisch (jeweils 79%), ob es der Politik gelingen kann, auch längerfristig eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen. Eine Lösung des Problems sieht knapp die Hälfte der Bevölkerung darin, eine Bürgerversicherung einzuführen, d. h. alle Berufstätigen, auch Beamte und Selbstständige, wären in der GKV versichert. Die gesetzlichen Krankenkassen hätten dann mehr Geld zur Verfügung, suggeriert die Antwort, und wären somit leistungsfähiger. Der Alternativantwort, dass die gesetzliche Krankenversicherung dann erst recht nicht funktioniert, wenn alle Mitglied dieser Versicherung würden, wollte die Mehrheit nicht zustimmen.

Bezeichnend für die heutige Einstellung in der Bevölkerung zum Thema gesundheitsbewusstes Verhalten und Berücksichtigung dieses Verhaltens bei der Übernahme von Kassenleistungen waren die Antworten auf diese Frage hierzu. 42% der Bevölkerung sprechen sich dafür aus, dass eine gesunde Lebensweise berücksichtigt werden sollte, wenn es darum geht, ob die Krankenkasse Medikamente bzw. Behandlungen übernimmt, aber 43% lehnen diese Vorgehensweise ab. Sobald man also selbst etwas dazu tun muss (z. B. gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung), seine Beiträge zu senken, sind dazu nur zwei Fünftel willens. Da fehlt es noch stark am Präventionsgedanken in der Bevölkerung. Diesen noch viel stärker in der Bevölkerung zu verankern, dazu sollten und könnten wir als Apothekerinnen und Apotheker mehr dazu beitragen. Ich bin überzeugt, an mehr Eigeninitiative und Prävention wird kein Weg vorbeiführen.

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