Arzneimittel und Therapie

Neuer Therapieansatz bei multipler Sklerose

Die Autoimmunerkrankung multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Ursache für eine bleibende neurologische Behinderung im jüngeren Erwachsenenalter: Es richten sich Immunzellen des eigenen Körpers gegen die Hüllen der eigenen Nervenfasern und zerstören sie. Die fehlende Regenerationsfähigkeit der Markscheiden wird durch ein hemmendes Protein (p57kip2) verursacht. In frühen Krankheitsphasen kann dieser Hemmstoff aktiv vom Körper unterdrückt werden. Ein neuer Therapieansatz könnte die Blockade der Bildung des Hemmproteins selbst sein.

Die multiple Sklerose ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In Deutschland sind zwischen 120.000 und 140.000 Menschen – zumeist junge Erwachsene zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahr – an MS erkrankt, wobei Frauen etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Von der Erkrankung sind das Gehirn, das Rückenmark sowie der Sehnerv betroffen. Aufgrund von entzündeten Nervenstrukturen kommt es bei den einzelnen Patienten zu den unterschiedlichsten Beschwerden wie Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Schmerzen sowie Lähmungen. Die Krankheit verläuft meist in Schüben über einen oft jahrelangen Zeitraum und führt zunehmend zu Behinderungen. Sie ist nicht heilbar; der Verlauf kann jedoch mittels einer Langzeittherapie verlangsamt werden. Nur selten kommt es zu einem Stillstand der Erkrankung.

Hemmprotein als Schlüssel für eine Therapie?

Die Markscheiden des Gehirns und Rückenmarks isolieren die Nervenkabel (Axonen), die von den Oligodendrozyten gebildet werden. Diese Zellen sind für die Weiterleitung der elektrischen Reize zwischen den Nervenzellen verantwortlich; sie degenerieren und sterben infolge der fortgesetzten Krankheitsattacken. Die fehlende Regenerationsfähigkeit der Oligodendrozyten führt schließlich zu irreversiblen Schäden und einer dauerhaften Behinderung.

Eine Gruppe von Düsseldorfer Wissenschaftlern hat jetzt gezeigt, dass ein hemmendes Protein (p57kip2) bei der eingeschränkten Regenerationsfähigkeit der Oligodendrozyten eine entscheidende Rolle spielt: In frühen Krankheitsphasen kann dieser Hemmstoff aktiv vom Körper unterdrückt werden; diese Fähigkeit geht jedoch in späteren Stadien zunehmend verloren. Im Zellversuch zeigten Oligodendrozyten-Vorläuferzellen eine beschleunigte Reifung und Steigerung der Myelin-Bildung, wenn die Bildung des Hemmproteins p57kip2 blockiert wurde. Dies lässt darauf schließen, dass die Reparatur von Markscheiden, die in geringem Umfang wohl auch natürlicherweise stattfindet, durch eine direkte Hemmung des Eiweißes p57kip2 gefördert werden könnte. Die jetzigen Ansätze, die multiple Sklerose zu bekämpfen und die Folgen akuter Schübe einzudämmen, zielen auf eine Beeinflussung des Immunsystems. Die Ergebnisse der jetzt vorgelegten Untersuchungen könnten somit einen neuen Therapieansatz aufzeigen, bei dem die endogene Blockade der Regenerationsfähigkeit der Oligodendrozyten im Mittelpunkt steht. Damit könnte der Zellverlust reduziert werden, der schließlich zu den für die multiple Sklerose charakteristischen Krankheitsbildern führt.

 

 

Quelle

Kremer, D.; et al.: p57kip2 is dynamically regulated in experimental autoimmune encephalomyelitis and interferes with oligodendroglial maturation. PNAS 2009;106(22);9087-9092.

 

 

Dr. Hans-Peter Hanssen

 

 

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