Arzneimittel und Therapie

Glitazone verdoppeln Frakturrisiko in der Postmenopause

Die Glitazone Rosiglitazon (Avandia®) und Pioglitazon (Actos®) lassen bei postmenopausalen Frauen mit Typ-2-Diabetes das Frakturrisiko steigen. Das hat jetzt auch eine Metaanalyse bestätigt. Dabei erhöht sich die Frakturgefahr in Abhängigkeit vom Alter der Diabetikerinnen. Nach einem Behandlungsjahr mit einem Glitazon muss eine von 21 älteren Frauen (Durchschnittsalter 72 Jahre) mit einer Fraktur rechnen, bei einem Durchschnittsalter von 56 Jahren eine von 55 Frauen.

Typ-2-Diabetikerinnen haben an sich schon ein erhöhtes Risiko, einen Knochenbruch zu erleiden. So ist ihr Risiko für Hüftfrakturen im Vergleich zu gesunden Frauen nahezu doppelt so hoch. Die 2006 veröffentlichte Adopt-Studie (A Diabetes Outcome and Progression Trial) hatte erste Hinweise gegeben, dass Rosiglitazon das Frakturrisiko zusätzlich erhöhen könnte. Im Juni 2008 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft eine britische Fall-Kontrollstudie zum Anlass genommen, vor dem erhöhten Frakturrisiko unter Rosiglitazon und Pioglitazon zu warnen und eine strenge Indikationsstellung unter Einbeziehung von Alternativen bei sturzgefährdeten und unter Osteoporose leidenden Patienten gefordert. Nach den Ergebnissen dieser Fall-Kontrollstudie mit 1200 Typ-2-Diabetikern erhöhen Rosi- und Pioglitazon bei einer Behandlungsdauer von zwölf bis 18 Monaten das Frakturrisiko um das Zwei- bis Dreifache. Dabei waren nicht nur Frauen, sondern auch Männer betroffen.

Die jetzt publizierte Metaanalyse von Loke et al. stützt sich auf Langzeitstudien, in denen Typ-2-Diabetiker ein Jahr oder länger mit Rosiglitazon oder Pioglitazon behandelt worden waren. Die Autoren konnten auf zehn randomisierte Studien mit insgesamt 13.715 Patienten und zwei Beobachtungsstudien mit 31.679 Patienten zurückgreifen. Fünf der zehn randomisierten Studien zeigten ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko für Frauen (OR = 2,23), jedoch nicht für Männer (OR = 1,00). Bei Auswertung aller randomisierten Studien ergab sich ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko mit einer Odds ratio von 1,45. Auch die Auswertung der Beobachtungsstudien bestätigte das erhöhte Frakturrisiko für Rosiglitazon und Pioglitazon. Unter beiden Arzneistoffen nahm die Knochendichte in der Lumbalwirbelsäule und der Hüfte ab.

Glitazone können über Bindung an PPAR-gamma-Rezeptoren in Skelettmuskulatur, Leber und Fettgewebe bei Diabetikern die Insulinresistenz durchbrechen. Die Abnahme der Knochendichte könnte ebenfalls eine direkte Folge der Glitazon-Bindung an PPAR-gamma-Rezeptoren sein, denn diese befinden sich auch in Zellen des Knochengewebes.

DDG: "Therapie bei hohem Risiko überdenken!"

Welche Konsequenzen haben die Erkenntnisse rund um das Frakturrisiko unter Glitazonen für die Diabetes-Therapie? Prof. Dr. Stephan Matthaei und Dr. Florian Thienel haben dazu im Namen der Leitlinien-Kommission Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) Stellung bezogen.

DAZ: Halten Sie den Einsatz von Glitazonen bei Diabetikerinnen prinzipiell für vertretbar?

 

DDG: Jede Therapieentscheidung bedeutet ein Abwägen zwischen Vor- und Nachteilen in Form von Nebenwirkungen. So auch im Fall des Einsatzes von Glitazonen bei Patientinnen mit Typ-2-Diabetes. Seit 2006 ist das erhöhte Frakturrisiko bekannt – zunächst für Rosiglitazon in der Adopt-Studie, später auch für Pioglitazon. Das Frakturrisiko ist bei beiden Medikamenten um etwa eine Fraktur pro 100 Patientenjahre erhöht. Die Fachinformationen der betreffenden Medikamente, wie auch die evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft zur Therapie des Typ-2-Diabetes, weisen auf dieses Risiko hin. Insofern bestätigt die Metaanalyse von Loke et al. eine bereits bekannte Beobachtung.

DAZ: Gibt es Unterschiede zwischen Rosiglitazon und Pioglitazon?

 

DDG: Nach den vorliegenden Daten besteht bezüglich des Frakturrisikos kein Unterschied zwischen Rosiglitazon und Pioglitazon, wobei allerdings die Risiken in den unterschiedlichen Studien für beide Substanzen mit einer gewissen Schwankungsbreite beobachtet wurden.

DAZ: Die Daten der Metaanalyse zeigen, dass Glitazone das Frakturrisiko in der Postmenopause steigern. Muss auch in der Prämenopause mit einer Erhöhung des Frakturrisikos unter Glitazonen gerechnet werden?

 

DDG: Zur Klärung dieser Frage liegen keine Daten aus klinisch kontrollierten Studien vor.

DAZ: Wann ist vor dem Hintergrund des Frakturrisikos ein Einsatz gerechtfertigt? Bei welchen Problemen kann auf Glitazone nicht verzichtet werden?

 

DDG: Bei einem hohen Frakturrisiko sollte eine Glitazon-Therapie überdacht und eventuell beendet werden. Andererseits ist bei Unverträglichkeit für Metformin diese Stoffgruppe die einzige Option, deren Angriffspunkt direkt an dem für Typ-2-Diabetes wesentlichen Pathomechanismus der Insulinresistenz liegt. Bei Vorliegen einer Metformin-Unverträglichkeit und gleichzeitig ausgeprägter Insulinresistenz ist der Einsatz von Glitazonen, insbesondere auch in Kombinationstherapien, nach entsprechender Aufklärung der Patientinnen eine Therapieoption.

DAZ: Ist eine Altersbeschränkung sinnvoll?

 

DDG: Da mit zunehmendem Alter gemäß den vorliegenden Daten das durch Glitazone zusätzlich zum natürlichen Frakturrisiko erzeugte Risiko ansteigt, ist bei höherem Alter die Indikation für eine Glitazon-Therapie bei einem Hochrisikokollektiv strenger zu stellen. Allerdings ist in diesem Alter oft eine orale antidiabetische Therapie wegen des Nichterreichens der Therapieziele nicht mehr angezeigt und es muss eine Insulin-Therapie durchgeführt werden.

 

DAZ: Das Risiko scheint ja auch mit der Therapiedauer zu steigen: sollte die Therapiedauer begrenzt werden?

 

DDG: Die publizierte Datenlage ist nicht ausreichend, um auszusagen, dass durch die Begrenzung der Therapiedauer das Frakturrisiko sinkt.

DAZ: Was empfehlen Sie, wenn in der Familie der Patientin Osteoporose aufgetreten ist?

 

DDG: Grundsätzlich sollte, ganz unabhängig von der Familienanamnese und auch einer Glitazon-Therapie, die Knochengesundheit der Patientinnen optimal, gemäß den vorliegenden Leitlinien, unterstützt werden. Hochrisikopatientinnen sollten durch sorgfältige Anamneseerhebung und eventuell auch Knochendichtemessung weiter abgeklärt werden. Bei Patienten mit einem hohen Risiko für eine Osteoporose oder einer schon manifesten Osteoporose ist die Indikation für eine Glitazon-Therapie sicherlich sehr zurückhaltend zu stellen.

DAZ: Was empfehlen Sie Diabetikerinnen, die mit Glitazonen behandelt werden? Kann das Frakturrisiko unter Glitazonen beispielsweise durch Vitamin D gesenkt werden?

 

DDG: Wir empfehlen viel Bewegung und eine gesunde Kost, also Empfehlungen, die alle Patienten mit Typ-2-Diabetes erhalten. Ob das Frakturrisiko unter Glitazonen durch Vitamin D oder andere Substanzen, die in der Therapie der Osteoporose zum Einsatz kommen, gesenkt werden kann, ist bislang noch nicht publiziert.

DAZ: Herr Professor Matthaei, Herr Doktor Thienel, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

Prof. Dr. Stephan Matthaei, Dr Florian Thienel Diabetes-Zentrum Quakenbrück Klinisches Diabeteszentrum der DDG Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover Danziger Str.10 49610 Quakenbrück

 


Quelle

Loke YK et al.: Long term use of thiazolidinediones and fractures in type 2 diabetes: a meta-analysis. CMAJ 2009; 180 (1) DOI:10.1503/cmaj.080486

 


 

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