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Schwere Vorwürfe gegen Apotheken

BERLIN (ks). Das ARD-Magazin "Report München" hat einmal mehr einen "völlig unbekannten Millionenskandal" in Deutschlands Apotheken aufgedeckt. In seiner am 6. Juli ausgestrahlten Sendung berichtet es über die Stückelung von Arzneimittel-Großpackungen, die den Apothekern "fragwürdige Zusatzprofite auf Kosten gesetzlich versicherter Beitragszahler" verschaffe.
Beispiel Omeprazol Der Aufmacher des Report-München-Beitrags. Er kann unter der Überschrift "Millionengewinne durch Mogelpackungen" auf br-online.de abgerufen werden.
Foto: br-online

Mit versteckter Kamera begleitete "Report" Patienten, die ein Rezept für das Magen-Medikament Omeprazol einlösen wollten. Statt der vom Arzt verordneten N3-Packung mit 60 Tabletten erhielten sie in den Apotheken vier kleine Packungen mit je 15 Stück. Auch wenn damit letztlich dieselbe Anzahl Tabletten abgegeben werde, schlügen die Apotheker häufig Profit aus dieser Stückelung, so "Report". Denn mit der Kasse rechneten sie oftmals die Großpackung ab. Dies sei möglich, weil ihnen die Pharmaindustrie die kleineren Packungen "verblüffenderweise zu einem viel günstigeren Stückpreis zuschiebt". Ein Zusatzprofit von 115 Prozent sei so für "raffinierte" Apotheker möglich, heißt es in der Fernsehsendung. Wer statt der verschriebenen 60er-Packung Omeprazol zwei 30er-Packungen abgebe, könne sogar 137 Prozent mehr in die eigene Tasche stecken. Einige Apotheker hätten die einzelnen Kleinpackungen bereits mit Klebeband zu einer großen 60er-Packung "verkaufsfertig zusammen gebastelt" auf Lager, so "Report". Es gebe sogar Apotheken-Software, die dem Apotheker eine Anleitung zur Stückelung von Packungsgrößen gebe: "Mit einem Klick zeigt das Programm dem Apotheker, welchen Profit er machen kann, wenn er zum Beispiel statt einer 60er- vier 15er-Packungen abgibt", heißt es im TV-Bericht.

Als Sachverständigen befragte "Report" Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen zu diesem Abrechnungstrick. Wer als Apotheker bewusst den Preis einer großen Packung berechne, obwohl er vier Kleinpackungen abgebe, handele vorsätzlich, konstatiert dieser. "Und diesen Vorsatz, den betrachte ich in der Tat als unzulässig, den betrachte ich auch letzten Endes als nicht mehr legal." Betrug hält Glaeske den Apothekern vor. Er sieht hinter dem Ganzen jedoch eine Strategie der Pharmaindustrie. Die Firmen verfolgten mit dem Angebot günstiger Kleinpackungen das Ziel, die Apotheker an ihre Produkte zu binden und zu einer Abgabe genau ihrer Präparate zu motivieren. "Geld ist immer ein Anreiz", so Glaeske. "Insofern ist das, wenn man so will, eine erkaufte Abgabe von Arzneimitteln."

Der Frage, in welchem Umfang tatsächlich gestückelt wird, geht das Magazin mithilfe eines "Brancheninsiders" nach. Nach einer Analyse von Datenbanken hätten deutsche Apotheken innerhalb eines Jahres rund zwei Millionen mehr große 60er- und 100er-Packungen Omeprazol über Rezepte abgerechnet als sie im Großhandel überhaupt eingekauft haben. Bei den kleinen 15er-Packungen verhalte es sich umgekehrt: Hier seien rund 5 Millionen mehr Packungen eingekauft als per Rezept abgerechnet wurden. Nach einer Hochrechnung des "Brancheninsiders" könnte der jährliche Schaden allein beim Magenmittel Omeprazol bei rund 20 Millionen Euro liegen.

Dass im Apothekenalltag gestückelt wird, räumt in der Sendung auch ABDA-Sprecher Thomas Bellartz ein: "Das ist normal. Das hat etwas mit Lieferfähigkeit zu tun." Werde die Stückelung allerdings vollzogen, um einen möglichen Zusatzgewinn zu generieren, sei sie "falsch und fehlgeleitet und muss nicht nur korrigiert sondern gegebenenfalls geahndet werden." Beim Deutschen Apothekerverband will man die Vorwürfe daher prüfen.

Festzuhalten bleibt: Es gibt im Gefolge der Preisgestaltung der Pharmaindustrie einige Fälle, in denen der Apotheker bei der Verordnung von größeren Packungen durch Stückelung günstigere Einkaufspreise – also eine höhere Marge – erzielen kann. Die Stückelung führt allerdings nicht dazu, dass der Patient bzw. seine Krankenkasse höhere Kosten zu tragen hat als bei Abgabe der Großpackung. Richtig ist allerdings auch, dass die Margenverbesserung durch Stückelung in der Arzneimittelpreisverordnung so nicht vorgesehen ist – auch nicht als Hilfe, um mit dem erheblichen und kontinuierlichen Margenverlust innerhalb der letzten Jahre besser fertig zu werden.

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