Selbstmedikation

Kommt es wirklich nur auf das Pieksen an?

Seit Jahrzehnten kämpfen Anhänger der Akupunktur hierzulande für eine Anerkennung ihrer Behandlungsmethode. Eine Metaanalyse zeigte zwar, dass mit der chinesischen Nadeltechnik bei Schmerzzuständen tatsächlich gewisse Effekte erzielt werden können. Doch gleichzeitig zeigen die Daten, dass nicht nur Stiche in die klassischen Akupunkturpunkte auf den Meridianen helfen können, denn Scheinakupunkturen zeigten vergleichbare schmerzlindernde Effekte.
Egal, wohin man sticht? Bei einigen Schmerzarten kann mithilfe einer Akupunktur zwar eine geringe Linderung erreicht werden. Gleiches gelang aber auch, wenn die Nadeln bei einer Scheinakupunktur in falschen Punkten eingestochen wurden. Etwas größer war der Unterschied zwischen Scheinakupunktur und gar keiner Akupunktur.
Foto: DAK

Die Metaanalyse des dänischen Cochrane-Instituts bewertete die Untersuchungsergebnisse von 13 Studien mit insgesamt 3025 Patienten, die an sehr unterschiedlichen Schmerzzuständen litten: Gelenkentzündungen, Spannungskopfschmerz, Migräne, Rückenschmerzen im Lendenbereich, Fibromyalgie, Narbenbeschwerden, postoperative Schmerzen und Schmerzen, die bei Darmspiegelungen auftraten. Zwar konnte mithilfe der Akupunktur eine gewisse Schmerzreduktion erreicht werden, die Vorteile gegenüber einer Scheinakupunktur, bei der die Nadeln in falschen Punkten eingestochen werden oder gar nicht in die Haut eintreten, waren jedoch gering.

Um die Relationen zu verdeutlichen verwendeten die Autoren eine 100er Skala, bei der 0 keiner und 100 einer maximalen Schmerzreduktion entspricht.

Die gemessenen Unterschiede zwischen Akupunktur und Scheinakupunktur entsprachen auf dieser Skala nur einem Wert von 4 Punkten. Laut Experten kann allerdings erst ab einer Schmerzdifferenz von etwa 10 Punkten von einer minimalen oder geringen klinisch relevanten Schmerzlinderung gesprochen werden.

Sehr heterogene Ergebnisse bei Scheinakupunktur

Der Unterschied zwischen Scheinakupunktur und keiner Akupunktur fiel zwar etwas deutlicher aus, allerdings führten die analysierten Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. In einigen Studien betrug die Differenz zwar 24 Punkte, was einem für die Patienten deutlich spürbareren Unterschied entspricht. Hingegen stellten andere Studien einen Unterschied von gerade mal 5 Punkten fest.

Worauf diese große Heterogenität zurückzuführen ist, konnte anhand der vorliegenden Studie nicht abschließend geklärt werden.

Nicht zuletzt die Unmöglichkeit, die Therapeuten zu verblinden, stellt eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle dar. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sowohl die Akupunktur als auch die Scheinakupunktur im Vergleich zu keiner Therapie zu einer leichten, aber klinisch nicht relevanten Schmerzlinderung führen.

Widersprüchliche Daten, schwierige Interpretation

Die nur einseitige Verblindbarkeit der Akupunkturbehandlung führte auch dazu, dass die geringe analgetische Wirkung der Akupunktur letztlich nicht von einem Studienartefakt ("bias") abgegrenzt werden konnte. Auch die Frage, ob die Schmerzlinderung auf physiologische Effekte der Nadelbehandlung (egal welcher Art) zurückzuführen oder eher psychologischer Natur ist, müsste in weiteren Studien erst noch geklärt werden. Dies dürfte sich allerdings in einfach blinden Studiendesigns ebenfalls als schwierig erweisen. Eine weitere Tatsache, die die Interpretation der Ergebnisse erschwert, ist die Heterogenität der verschiedenen Schmerzzustände, die in die Analyse einbezogen wurden. So gelangte eine Autorengruppe vom Münchner Zentrum für naturheilkundliche Forschung in einer anderen Metaanalyse zur Wirksamkeit der Akupunktur bei häufigen oder chronischen Spannungskopfschmerzen zu der Auffassung, die Akupunktur habe sich gegenüber einem Routinevorgehen ohne Akupunktur als effektiv erwiesen. Zwar waren die Vorteile gegenüber einer Scheinakupunktur auch laut dieser Metaanalyse nur gering (wenn auch signifikant), dennoch gestanden die Münchner Autoren der Akupunktur bei Kopfschmerztherapie einen therapeutischen Stellenwert zu.

 

Quelle

Madsen MV, et al. Acupuncture treatment for pain: systematic review of randomised clinical trials with acupuncture, placebo acupuncture, and no acupuncture groups. Br Med J 2009;338: 3115.

 

Apotheker Dr. Andreas Ziegler

 

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