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Alte und neue Vorschläge für eine Gesundheitsreform

BERLIN (ks). Wie geht es mit dem Gesundheitswesen nach der Bundestagswahl im Herbst weiter? Die Wahlprogramme der Parteien stehen und sind in dieser Hinsicht mehr oder minder aussagekräftig. Aber auch andere Organisationen machen sich Gedanken über die nächsten Reformschritte. So hat die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ein Diskussionspapier vorgelegt, das aus Sicht des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering eine "gute Hilfestellung für die öffentliche Debatte" ist. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sieht darin auch Grundlagen für künftiges Regierungshandeln.
Blick in die Zukunft Die Expertise des FES zur "Zukunft des Gesundheitssystems" kann man unter http://library.fes.de/pdf-files/ wiso/06531.pdf einsehen.

Das Konzept hat der sozialpolitische Arbeitskreis der FES unter Mitwirkung prominenter und GKV-versierter Köpfe erarbeitet – darunter der ehemalige Barmer-Chef Eckart Fiedler, der Vizevorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, sowie der Abteilungsleiter GKV im Bundesgesundheitsministerium und einstige AOKler Franz Knieps. Da nimmt es nicht wunder, wenn Ministerin Schmidt "viel Übereinstimmung" mit der eigenen Linie erkennen kann. Die Autoren halten am Gesundheitsfonds und dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich fest, wollen aber für mehr Geld im System und für mehr Effizienz sorgen.

Beiträge auf Kapitaleinkünfte

Um die Finanzierung der Gesundheitsversorgung für die Zukunft zu sichern, sollen sich sowohl gesetzlich wie auch privat Versicherte an der Solidarität beteiligen, erläuterte Fiedler bei der Vorstellung des Konzepts vergangene Woche in Berlin. Es könne nicht sein, dass sich nur die Bezieher mittlerer Einkommen mit jenen solidarisch erklären, die weniger verdienen – auch an die großen Fische will die FES ran. Eine Beitragsbemessungsgrenze soll es aber dennoch weiterhin geben, allein die Versicherungspflichtgrenze ist in dem Modell nicht mehr nötig. Allerdings sollen auch Kapitaleinkünfte beitragspflichtig werden. Dies sei "einfach und unbürokratisch" über die neue Abgeltungssteuer möglich, so Fiedler. Man könnte beispielsweise weitere fünf Prozent auf diese Steuer aufschlagen, die dann direkt in den Fonds fließen – rund 2,2 Mrd. Euro Mehreinnahmen wären hierdurch im Jahr zu erreichen. Es ist allerdings fraglich, ob dieser Vorschlag rechtlich tatsächlich so leicht umsetzbar ist, wie Fiedler es vorschwebt. Außerdem schlägt die Arbeitsgruppe vor, ein Ehegattensplitting für den Krankenkassenbeitrag einzuführen. Es soll Mehreinnahmen von 5 Mrd. Euro bringen. Nur Kinder sollen weiterhin beitragsfrei mitversichert sein – über Steuergelder.

Ältere Menschen im Fokus

Ulla Schmidt und Franz Müntefering gefällt an dem FES-Papier besonders, dass es sich auch dem Thema der alternden Bevölkerung und dem damit verbundenen Anstieg der Multimorbidität annimmt. Ähnlich wie der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen sieht auch die FES die Lösung in dem Ausbau vernetzter Strukturen, die auf die besondere Versorgungssituation der speziellen Versichertengruppe eingestellt sind. Eine Veränderung der Versorgungslandschaft sei bereits angestoßen – doch die Möglichkeiten von Einzelverträgen und Verträgen zur Integrierten Versorgung sind noch lange nicht ausgeschöpft. Zudem sprechen sich die Autoren des Papiers dafür aus, die Gesundheitsförderung und Prävention – gerade auch für ältere Menschen – zu stärken.

Vierte Hürde

Auch für den Arzneimittelbereich haben die Verfasser Vorschläge parat: Für neue patentgeschützte Medikamente soll die Kosten-Nutzen-Bewertung einer Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog vorgeschaltet werden – plädiert wird also für die klassische "vierte Hürde". Dabei sei sicherzustellen, dass die Bewertung zügig erfolgt, damit Innovationen den Versicherten nicht vorenthalten bleiben. Die Arbeitsgruppe bemängelt überdies das Nebeneinander zentraler und dezentraler Steuerungselemente im Arzneimittelsektor. Die hierdurch entstehenden Probleme könnten im generischen Markt durch ein "konsequent dezentrales Modell kassenindividueller Positivlisten auf Wirkstoffbasis" aufgelöst werden, heißt es im Positionspapier.

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