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Panikkauf von Tamiflu

(diz). "Panikkauf in der Online-Apotheke" – hoffentlich lesen diesen Artikel viele, sehr viele Menschen, die gerne schnell mal ein Arzneimittel im Internet kaufen: Er findet sich unter "Zeit online" (www.zeit.de) in der Rubrik Wissen, Gesundheit. Zeit-Autor Martin Ganteföhr schildert seine Erfahrungen beim Kauf einer Packung Tamiflu bei einer Online-Apotheke. Sein Fazit: Nie mehr wieder. Da er sich nicht sicher ist, ob er eine Fälschung erhalten hat, übergab er sein weit überteuert bezogenes Präparat einem Apotheker – zur Vernichtung.
Zum Lesen empfohlen Der Erfahrungsbericht ­"Panik­kauf in der Online-Apotheke" von Martin Ganteföhr auf www.zeit.de.

Getrieben von einer Angst, die Neue Grippe zu bekommen, und getrieben von besorgniserregenden Medienberichten wollte der Zeit-Journalist Ganteföhr schnell, unbürokratisch und ohne Rezept an Tamiflu gelangen. Seine Wahl im Internet fiel auf einen kanadischen Online-Händler mit seriös ausschauendem Auftritt. Sogar einen Online-Fragebogen zur Gesundheitsauskunft füllte er, getürkt mit seinen geschönten Gesundheitsangaben, rasch aus, wohlwissend, dass dies eine Alibifunktion zur Umgehung der Verschreibungspflicht war. Mit wenigen Klicks war die Bestellung abgesandt, die Kreditkarte rasch belastet.

Bestätigungsmails folgten, er begann zu recherchieren, wer denn überhaupt hinter dieser Online-Apotheke stecke: eine britische Ltd. mit kanadischer Webdomain und Briefkästen in London und Vancouver, die "nach den Gesetzen von Mauritius" arbeitete. Der Service dieses Dienstes bestand, wie der Zeit-Autor herausfand, in einer Maklertätigkeit: Vermittlung von Kundengeld an nicht genannte Medikamentenhändler irgendwo auf der Welt, als Zentrale des Unternehmens scheint ein nordamerikanisches Callcenter zu fungieren.

Seine weiteren Recherchen ergaben: Bei der Datenbank "LegitScript", die Internet-Apotheken nach den Zertifizierungsstandards der National Association of Boards of Pharmacy beurteilt, wird das Unternehmen als "Rogue Pharmacy", also als "Schurken-Apotheke" eingestuft. Seine Kreditkartendaten waren demnach in den Händen von zertifizierten Schurken, wie er anmerkt.

Nach acht Tagen sei die Tracking-Nummer zur Sendungsverfolgung im Internet gekommen, sie habe aber nicht funktioniert. Einige Tage später sei dann ein Einschreiben aus der Türkei angekommen, ein handbeschriftetes Kuvert mit einer unleserlichen Ltd. aus Istanbul: zehn Kapseln Tamiflu. Die Rückseite der Schachtel sei mit einem türkischen Aufkleber überdeckt gewesen, darunter sei ein Aufdruck "New Zealand zu erahnen gewesen". Seine Zweifel an der Echtheit des Medikaments nahmen zu. Er erkundigte sich daher bei Roche, ließ die Chargennummer überprüfen. Man sagte ihm dort, dass es die angegebene Nummer zwar gebe und diese Charge in die Türkei geliefert worden sei, was aber nicht heiße, dass Packung und Inhalt echt seien. Denn es sei Vorsicht geboten: der illegale Medikamentenhandel sei so lukrativ wie Heroinverkauf.

Seine Erkenntnis aus seinem Ausflug in die Online-Apotheke: "Echtes verschriebenes Tamiflu hätte ich in deutschen Apotheken für ca. 38 Euro bekomen – fünf Jahre haltbar und frei von bleihaltiger Straßenfarbe. Ich habe die Online-Pillen einem Apotheker gegeben. Er soll sie vernichten."

Ganz gleich, ob der Zeit-Autor Martin Ganteföhr diesen Artikel nur erfunden, den Vorgang konstruiert hat: Erfreulich, dass Medien wie die "Zeit" nicht mehr euphorisch und ohne jede Kritik, wie noch vor einigen Monaten, die Internet-Apotheken bejubeln. Man wünscht sich, dass diesen Artikel möglichst viele lesen, die gerne bei ausländischen Online-Apotheken bestellen.

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