DAZ aktuell

Klinische Pharmazeuten verbessern die Sicherheit der Arzneimitteltherapie

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) befasst sich in ihrem aktuellen Statement mit der Bedeutung des in Klinischer Pharmazie ausgebildeten Apothekers. Eine unlängst publizierte schwedische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass klinische Pharmazeuten maßgeblich dazu beitragen können, Arzneimittel-bezogene Probleme zu erkennen, zu lösen und damit Therapiekosten zu senken.

Apotheker im Krankenhaus können bei der Auswahl einer therapeutisch sinnvollen und ökonomischen Arzneimitteltherapie eine entscheidende Rolle spielen. Dies belegen viele Studien vor allem aus den USA. Dass dies auch für Europa gilt, zeigt jetzt eine randomisierte kontrollierte Studie aus Schweden mit 400 Patienten ab 80 Jahren [Gillespie U et al.; Arch Intern Med 2009;169:894 – 900]. Klinische Pharmazeuten, so das wichtigste Ergebnis der Studie, tragen maßgeblich dazu bei, die Morbidität der Patienten zu reduzieren und gleichzeitig die Therapiekosten zu senken.

Die Autoren untersuchten, ob ältere Patienten weniger häufig in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses eingeliefert oder auf Station aufgenommen werden müssen, wenn sie umfassend durch Apotheker betreut werden. In der Studie teilten sie 400 geriatrische Patienten zufällig in eine Interventionsgruppe und in eine Kontrollgruppe ein. Die pharmazeutischen Interventionen bestanden in einer Pharmakotherapieberatung bei stationärer Aufnahme des Patienten und der Erstellung von standardisierten Handlungsanweisungen für die Stationen. Die Klinischen Pharmazeuten erklärten den Patienten den richtigen Umgang mit den Arzneimitteln und stimmten sich mit dem Hausarzt und der Apotheke des Patienten ab. Dabei richteten sie besondere Aufmerksamkeit auf erforderliche Medikamentenumstellungen bei der Aufnahme in die Klinik und bei der Entlassung. Zur Umsetzung dieser Interventionen wurden auch elektronische Dokumentationssysteme genutzt.

Die Klinischen Pharmazeuten erkannten in der Studie insgesamt 476 Arzneimittel-bezogene Probleme (ABP) wie Arzneimittelwechselwirkungen, fehlende oder unnötige Therapien, zu hohe oder zu niedrige Dosierungen sowie die fehlende Einsicht des Patienten in die Notwendigkeit der Therapie. Die Apotheker entwickelten Lösungsvorschläge und konnten damit in einem Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten die Zahl der Krankenhauseinweisungen im Vergleich zur Kontrollgruppe um 16 Prozent, die von Notfallbehandlungen um 47 Prozent senken. Arzneimittel-korrelierte Wiederaufnahmen wurden sogar um 80 Prozent reduziert. Obwohl die Arbeit der Klinischen Pharmazeuten in der Interventionsgruppe Geld kostete, lagen die Gesamtkosten für die Behandlung pro Patient um 230 US-Dollar niedriger als in der Kontrollgruppe.

Die schwedische Studie weist zwar einige Limitationen auf (u. a. keine Standardisierung der verschiedenen Interventionsstrategien), zeigt aber zweifelsfrei, dass die Klinische Pharmazie auch außerhalb des angloamerikanischen Raumes ein wirksames Mittel ist, die Morbidität von Patienten effektiv und effizient zu senken. Die Mortalität wurde in dieser Untersuchung nicht signifikant beeinflusst. Dies war bei dem Alter der in die Studie eingeschlossenen Patienten (80 Jahre und älter) aber auch nicht zu erwarten.

Lassen sich die Ergebnisse der schwedischen Studie auf Deutschland übertragen? Dazu wären umfassende, möglichst multizentrische klinische Studien in Deutschland notwendig, zu deren Finanzierung öffentliche Drittmittel benötigt würden. Es gibt zwar bei uns an einigen klinischen Einrichtungen und Instituten vielversprechende Projekte in Klinischer Pharmazie. Doch es bedarf einer zusätzlichen finanziellen Ausstattung des weiter zu etablierenden Faches "Klinische Pharmazie", damit auch in Deutschland die Patientensicherheit intensiv erforscht werden kann. Leider fehlen noch an zu vielen Universitäten Abteilungen, sie sich auf Patienten-bezogene Forschung spezialisieren. Und die Zahl der Apotheker pro Krankenbett liegt in Deutschland noch weit hinter der Zahl in anderen europäischen Ländern zurück. Während die Arzneimittelsicherheit als Trias aus Sicherheit, Wirksamkeit und pharmazeutischer Qualität auch regulatorisch die notwendige Aufmerksamkeit findet, wird die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) im therapeutischen Alltag immer noch nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei könnten viele Arzneimittel-bezogene Probleme (ABP) wie Therapieversagen oder unerwünschte Wirkungen und damit auch unnötige Kosten durch klinisch-pharmazeutische Optimierungsstrategien vermieden werden.

Klinische Pharmazeuten sind aufgrund ihres umfassenden Wissens dafür prädestiniert, in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit vor allem mit Kollegen aus der Medizin und gemeinsam mit Patienten und Angehörigen die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Diese wichtige Aufgabe können Klinische Pharmazeuten aber nur dann erfolgreich erfüllen, wenn in Deutschland das Fach "Klinische Pharmazie" als unmittelbar patientenorientiertes Fach in Forschung und Lehre stärker als bisher gefördert wird.

Dr. Thilo Bertsche, Vorsitzender der Fachgruppe Klinische Pharmazie der DPhG

Prof. Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und gewählter Vertreter für Deutschland im Vorstand der ESCP

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Präsident der DPhG

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