DAZ aktuell

PKV sieht sich nicht als Verlierer

BERLIN (tw/ks). Auch wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerden der privaten Krankenkassen gegen die jüngste Gesundheitsreform zurückgewiesen hat: Beim PKV-Verband sieht man sich nicht als Verlierer. Das Urteil sei vielmehr ein klares Bekenntnis zum dualen Gesundheitssystem und eine deutliche Absage an das Konzept einer Bürgerversicherung, betont der PKV-Vorsitzende Reinhold Schulte. In der SPD interpretiert man das Urteil jedoch anders.

Die Karlsruher Richter hatten am 10. Juni sämtliche Klagen der PKV gegen die Reform zurückgewiesen. Sie bestätigten sowohl den Basistarif als auch die Neuregelungen zur Mitnahme von Alterungsrückstellungen sowie die auf drei Jahre verlängerte Wartepflicht für besserverdienende Angestellte, die in die PKV wechseln wollen. Allerdings verpflichtet das Urteil die Bundesregierung, die Auswirkungen des Basistarifs auf das Geschäftsmodell der PKV genau zu beobachten (siehe AZ Nr. 25/2009, S. 3).

Urteil als Chance für Reformen

"Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil ausdrücklich davon aus, dass das duale Krankenversicherungssystem erhalten und gestärkt werden soll", konstatierte Schulte zwei Tage nach der Urteilsverkündung in Berlin. Damit eröffne es die Chance, nach der Bundestagswahl einen vernünftigen Reformkurs einzuschlagen. Denn dass der Gesundheitsfonds seine Probleme hat, ist für den PKV-Chef unübersehbar: Schon heute müsse die gesetzliche Krankenversicherung ihre Ausgaben mit Schulden finanzieren, die Spitzen-Belastungen durch die demografische Entwicklung stehe ihr aber erst noch bevor. "Das System der Umlagefinanzierung gibt darauf keine Antwort", betonte Schulte. Allerdings bedarf es aus seiner Sicht keiner großen Reform mit radikalem Systemumbau. Schon viele einzelne, praktikable Schritte könnten die finanzielle Basis des Gesundheitswesens deutlich verbessern. "Die PKV bietet ihre Mitwirkung an, um das Gesundheitssystem demografiefest zu machen", lautet das nicht ganz uneigennützige Angebot des Verbandes in Richtung GKV. Es könnten beispielsweise schrittweise einzelne Leistungen wie die zahnmedizinische Versorgung, das Krankengeld oder private Unfälle in eine kapitalgedeckte Privatversicherung überführt werden. Dies würde die gesetzlichen Krankenkassen der PKV zufolge um knapp 30 Milliarden Euro entlasten; der Beitragssatz könnte um bis zu drei Prozentpunkte gesenkt werden. So hätte nach Ansicht des PKV-Vorsitzenden jeder gesetzlich Versicherte den finanziellen Spielraum für eine ergänzende Vorsorge nach den eigenen Prioritäten.

Absage an die Bürgerversicherung?

Mit Blick auf die Demografie bleibe es überdies politisch wie volkswirtschaftlich auch nach dem Karlsruher Urteil richtig, mehr Menschen in der kapitalgedeckten privaten Krankenversicherung abzusichern, um das überforderte Umlageverfahren zu entlasten. Schulte fordert deshalb, die außerordentliche Anhebung der Versicherungspflichtgrenze von 2003 sowie die Verdreifachung der Wartezeit für freiwillig versicherte Arbeitnehmer von 2007 zurückzunehmen. Die dreijährige Wartezeit hat das BVerfG allerdings eben erst als verfassungsgemäß und zumutbar beurteilt. Darüber hinaus sieht der PKV-Vorsitzende in dem Urteil in erster Linie eine klare Absage an die Parteien, die das gesundheitspolitische Modell einer Bürgerversicherung befürworten: "SPD, Grüne und Linkspartei müssten nun eigentlich ihre Wahlprogramme ändern, weil die Bürgerversicherung nicht verfassungsgemäß ist."

SPD: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Ob die Karlsruher Richter der PKV tatsächlich einen quasi verfassungsrechtlich geschützten Rang zukommen lassen wollten, ist sicherlich nicht so ausgemacht, wie es sich der PKV-Verband wünscht. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hält jedenfalls dagegen: Zwar habe das Gericht vom Gesetzgeber verlangt, er müsse die Lasten ausgewogen verteilen, "wenn er eine Versicherung aus zwei Versicherungssäulen" schaffe. Doch es habe nicht ausgeführt, "dass der Gesetzgeber die Gesundheitsversorgung auf zwei Säulen aufbauen oder erhalten muss". Die Ministerin sieht mithin den Weg zu einer "Bürgerversicherung für alle" in keiner Weise versperrt. Sofern es hierfür eine Mehrheit gebe, bräuchte man allerdings eine Übergangszeit. "Es ist nicht die Aufgabe der Politik, ein funktionierendes System kaputtzumachen”, sagte Schmidt. Einen Bestandsschutz für die heute Privatversicherten muss es aus ihrer Sicht geben. Auch Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich nach dem Urteil überzeugt: "Die Einführung einer Bürgerversicherung, die den Gesundheitsschutz einer sehr großen Mehrheit der Bevölkerung verbessern würde, würde nicht am Verfassungsgericht scheitern".

Union: Rückendeckung für die PKV

Die Unionspolitiker Wolfgang Zöller (CSU) und Annette Widmann-Mauz (CDU) freuen sich ebenfalls, dass die Karlsruher Richter, die Gesundheitsreform der Großen Koalition bestätigt haben. So sei es gelungen, den Bestand und die Zukunftsfähigkeit der PKV als Vollversicherung mit Kapitaldeckung zu sichern und unter sich verändernden Bedingungen für ein ausgewogenes Verhältnis innerhalb der PKV und mit der GKV zu sorgen. Jens Spahn (CDU) sieht in dem Urteil allerdings keinen "Freifahrtschein für die Bürgerversicherung". Die hierfür wesentliche Frage der Finanzrücklagen der PKV sei überhaupt nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, betonte Spahn. Zuspruch für seine Urteilsinterpretation findet der PKV-Verband überdies bei der Bundesärztekammer (BÄK). Auch hier sieht man das Existenzrecht der PKV klar bestätigt. "Und zwar nicht nur für Zusatzversicherungen, sondern als eigene Säule neben der gesetzlichen Krankenversicherung", so Franz Gadomski, Vorsitzender des Ausschusses "Gebührenordnung" der BÄK. Wer in den Urteilen des BVerfG "grünes Licht für eine Einheitsversicherung" sehe, tue dies aus ideologischen Gründen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.