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Lohnzurückhaltung schafft kaum neue Arbeitsplätze

Von 2000 bis 2007 haben sich die Arbeitnehmerentgelte pro Jahr im Schnitt um 1,1 Prozent erhöht, die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen dagegen um 7,3 Prozent. Dieses Zurückfallen der Lohnentwicklung hinter der Gewinnentwicklung bezeichnet man als Lohnzurückhaltung. Die Zahl der Arbeitsplätze hat sich dadurch – entgegen den Erwartungen – nur minimal erhöht, so das Ergebnis einer Studie. Denn die Lohnzurückhaltung hat die Binnennachfrage geschwächt.

Prof. Dr. Thomas von der Vring, Autor der Studie, hat untersucht, wie sich das Volkseinkommen von 2000 bis 2007 entwickelt hat:

  • Von einem Gesamtzuwachs um 299,2 Mrd. Euro entfielen
  • 217,2 Mrd. Euro auf Unternehmensgewinne und Einkommen aus Vermögen, aber nur
  • 82,1 Mrd. Euro auf Löhne und Gehälter.

Die schwache Lohnsteigerung von durchschnittlich 1,1% jährlich hat zwar dazu geführt, dass die Lohnkosten pro Umsatzeinheit in dieser Zeit um 7,7% gesunken sind. Beschäftigungspolitisch gab es dadurch jedoch keine positiven Effekte, bestenfalls konnten negative vermieden werden. Die Zahl der Arbeitsstellen wuchs im gleichen Zeitraum lediglich um 60.000, also um weniger als 0,2%. Erwartet worden waren jedoch etwa 2 Mio. Arbeitsplätze mehr, was einem Plus von 5 bis 6% entsprochen hätte.

Im produzierenden Gewerbe, wo die Lohnzurückhaltung mit −16,4 Prozent besonders stark ausfiel, gab es sogar einen Rückgang der Beschäftigung um 640.000 Arbeitsplätze.

Ohne Binnennachfrage keine Investitionen

Lohnzurückhaltung würde nur dann zu mehr Beschäftigung führen, so der Autor, wenn die Unternehmen mehr investieren und mehr Arbeitsplätze schaffen würden. "Aber so funktioniert die Marktwirtschaft nicht", weiß von der Vring. Tatsächlich hängen die Investitionen maßgeblich von der Binnennachfrage ab – und die wird durch die Lohnzurückhaltung gedrosselt. Dadurch werden positive Effekte im internationalen Wettbewerb aufgewogen. Sein Fazit: "Unter Beschäftigungsgesichtspunkten war die deutsche Lohnzurückhaltung der letzten Jahre ein Schlag ins Wasser."

Wie wichtig die Binnennachfrage ist, zeigt der hohe Anteil der Arbeitsplätze, die nicht vom Export, sondern von der Kaufkraft der privaten und staatlichen Haushalte abhängen: 75 Prozent. Und mit Blick auf die überschuldeten Staatskassen wird das Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umso maßgeblicher!

 

Quelle 

Thomas von der Vring: Bilanz der Lohnzurückhaltung 2000 – 2007 im volkswirtschaftlichen Kreislauf Deutschlands. WSI-Mitteilungen 6/2009, S. 319 – 323.

 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

 

Kommentar

Wann werden wir Binnennachfrage-Weltmeister?

Wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Jahre die Gürtel enger schnallen müssen, ist das höchstens kurzfristig gut für die einzelnen Betriebe. Mittel- und langfristig ist es schlecht für die gesamte Volkswirtschaft.
Wer seine Approbierten, PTA, PI und PKA gut bezahlt, der stimuliert natürlich zunächst die Nachfrage in anderen Branchen. Aber die Höhe von Tarifabschlüssen, von Löhnen und Gehältern ist ja auch Trends unterworfen. Und wenn in allen Branchen besser gezahlt wird, dann sind auch die Apothekenkunden kauflustiger bei OTC und Zusatzempfehlungen. Je mehr Arbeitgeber und Ökonomen diesen Zusammenhang erkennen bzw. umsetzen, desto stabiler ist die heimische Wirtschaft bei globalen Krisen wie der aktuellen.
Barbara Neusetzer, ADEXA, Erste Vorsitzende

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