Arzneimittel und Therapie

Fampridin verbessert Gehfähigkeit bei jedem Dritten

Für die nachlassende Gehfähigkeit bei multipler Sklerose gibt es bisher außer physiotherapeutischen Maßnahmen keine Behandlungsmöglichkeit. In einer randomisierten, doppelblinden Studie verbesserte der Kaliumkanalblocker Fampridin die Gehfähigkeit bei etwa jedem dritten Betroffenen. Als unerwünschte Wirkung können Krampfanfälle auftreten.
Verbesserte Gehfähigkeit In einer Studie konnte der Kaliumkanalblocker Fampridin die Gehfähigkeit bei etwa jedem dritten Betroffenen bessern. Er gilt als potenzieller Kandidat für eine symptomatische Therapie bei multipler Sklerose. Allerdings traten auch schwere unerwünschte Wirkungen auf.
Foto: Manuel Krug/Media Concept

In den letzten Jahren wurden zahlreiche neue Therapieansätze, die den Verlauf der multiplen Sklerose (MS), die als eine Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems angesehen wird, beeinflussen sollen, in klinischen Studien untersucht. Dagegen gibt es zur symptomatischen Behandlung dieser Erkrankung kaum Untersuchungen.

Der Kaliumkanalblocker Fampridin (4-Aminopyridin) verstärkt die elektrische Signalübertragung in demyelinisierten Nervenbahnen und ist damit ein potenzieller Kandidat für eine symptomatische Therapie bei multipler Sklerose. Der Wirkstoff ist nicht neu, sondern wurde bereits in den 1990 Jahren in kleineren, klinischen Studien untersucht. Ein Review der Cochrane Collaboration kam 2002 zu dem Schluss, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Aminopyridinen zur Symptomverbesserung bei multipler Sklerose bislang noch nicht geklärt ist. Eine vom Hersteller von Fampridin durchgeführte, doppelblinde, randomisierte Studie über 14 Wochen untersuchte die Wirksamkeit einer retardierten Formulierung von Fampridin auf die Gehfähigkeit von MS-Patienten. Die fortschreitende Abnahme der Gehfähigkeit gilt als ein Hauptmerkmal der multiplen Sklerose. 301 Patienten mit multipler Sklerose, die eine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit aufwiesen, erhielten entweder 10 mg retardiertes Fampridin zweimal täglich (n = 229) oder Placebo (n = 72). Eingeschlossen wurden Patienten mit jeglicher Form des MS-Verlaufs, die eine Gehstrecke von 25 Fuß (rund 7,6 Meter) zwischen 8 bis 45 Sekunden zurücklegen konnten. Damit dürfte die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit bei den eingeschlossenen Patienten in einem weiten Bereich variieren. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Krampfneigung in der Vorgeschichte. Zusätzlich wurde ein Elektroenzephalogramm durchgeführt, um Patienten mit epileptoformer Nervenaktivität zu identifizieren. Das Vorliegen einer solchen war ebenfalls ein Ausschlusskriterium. Primärer Studienendpunkt war "Ansprechen auf die Behandlung", gemessen als Verbesserung der Gehgeschwindigkeit unter der Behandlung. Diese wurde anhand wiederholter, standardisierter Messung einer 25-Fuß-Gehstrecke vor, während und nach der Behandlung bestimmt. Zur Validierung des primären Endpunkts wurde zusätzlich die Sicht der Patienten abgefragt: Dazu wurde ein Zwölf-Punkte-Fragebogen, der MS-Walking Scale-12, verwendet.

Ergebnis: klinisch bedeutsame Verbesserung der Gehfähigkeit bei einigen Betroffenen

Die Anzahl der Patienten, die auf die Behandlung ansprachen, betrug in der Fampridin-Gruppe 35% und in der Placebo-Gruppe 8%. Patienten beider Behandlungsgruppen, die auf die Behandlung ansprachen, bewerteten ihre Beeinträchtigung der Gehfähigkeit auf dem Zwölf-Punkte-Fragebogen mit – 6,84 (– 9,65 bis – 4,02), gegenüber einer Beurteilung von + 0,05 (– 1,48 bis 1,57) bei den Patienten, die nicht auf die Behandlung ansprachen.

Bei zwei Patienten der Fampridin-Gruppe kam es zu schweren unerwünschten Wirkungen, die der Studienmedikation zugeschrieben wurden: Ein bereits zuvor wegen Angststörungen behandelter Patient erlitt eine schwere Angstattacke; ein weiterer bekam im Verlauf einer durch eine Lungenentzündung ausgelösten Sepsis einen fokalen Krampfanfall. Eine Zunahme der Krampfneigung bei steigender Fampridin-Dosis war bereits in vorangegangenen Studien beobachtet worden und scheint auch aufgrund der Wirkungsweise von Fampridin plausibel. Eine Stärke dieser Studie ist, dass nicht nur die Verbesserung der Gehfähigkeit gemessen wurde, sondern auch die Patientenperspektive abgefragt wurde. Warum die Behandlung nur bei einem Teil der Patienten wirksam war, ist unklar. Welche Patienten mit multipler Sklerose auf die Behandlung ansprechen, lässt sich nach den Ergebnissen dieser Studie nicht vorhersagen, da sich die Patienten, bei denen sich die Gehfähigkeit verbesserte, in keinem der registrierten Merkmale von den Patienten ohne Verbesserung unterschieden. Es wird vermutet, dass Fampridin eine enge therapeutische Breite hat. Um das möglicherweise mit der Behandlung einhergehende Epilepsierisiko einschätzen zu können, waren die bisherigen Studien zu klein. In der vorliegenden Studie wurden Patienten im Voraus auf eine erhöhte Krampfneigung hin untersucht und bei Vorliegen einer solchen von der Studienteilnahme ausgeschlossen.

Da die Unsicherheiten darüber, welche Patienten von dem Mittel profitieren, erhebliche Unsicherheiten für die Therapie bedeuten, erscheint es notwendig, weitere Studien durchzuführen, bevor Fampridin in Behandlungsregime bei multipler Sklerose integriert werden kann.

 

Quelle
Goodman AD et al. Sustained-release oral fampridine in multiple sclerosis: a randomised, double-blind, controlled trial. Lancet 2009; 373: 732-738.
 Thompson A, Polman C. Improving function: a new treatment era for multiple sclerosis? Lancet 373: 697-698.

 

 

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

 

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