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Die Taktik: am Kochen halten?

"Wir haben nicht verloren. Wir haben nur nicht gewonnen" – Worte eines Verlierers, der es nicht wahrhaben will, dass er vor Gericht unterlag und nun nicht sein Apothekenketten-Imperium aufbauen kann. Celesio-Chef Fritz Oesterle wäre in seiner Zunft wohl ein schlechter Manager, wenn er sich gleich geschlagen geben würde. Er ist im April 2007 mit dem Kauf von DocMorris angetreten, Deutschland mit einer Apothekenkette zu beglücken und Einfluss, Macht und Gewinn für seinen Arbeitgeber Haniel zu mehren. Seitdem will seine Firma Celesio auf allerlei Wegen der Politik und den Bürgern die Apothekenkette in Deutschland nahebringen. Sein Einfluss reicht weit – aber eben nicht bis zum Europäischen Gerichtshof. Mit dem Apothekenurteil vom 19. Mai haben die europäischen Richter zwar festgestellt, dass das deutsche Fremdbesitzverbot bei Apotheken gegen EU-Regeln in Bezug auf Freizügigkeit und freien Wettbewerb verstößt. Gleichzeitig haben sie es jedoch für rechtens erklärt, dass die in Deutschland bestehenden Beschränkungen bei den Besitzverhältnissen im Apothekenwesen zu rechtfertigen sind mit dem Ziel, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dies bedeutet aber auch, dass es in das Ermessen der einzelnen Staaten gestellt ist, wie sie mit der Frage von Beschränkungen bei den Apothekenbesitzverhältnissen umgehen. In Deutschland gibt es derzeit keine politische Mehrheit, daran etwas ändern zu wollen. Parteien aller Couleur mit Ausnahme der Grünen haben sich zu unserem Apothekensystem bekannt.

Die Unterschriften der EuGH-Richter unters Apothekenurteil sind kaum getrocknet, scheint Celesio seine Bemühungen fortzusetzen. Auch wenn man offiziell auf das Franchisekonzept der Markenpartnerschaften setzt und bis 2011 rund 500 Apotheker gewinnen will, die bereit sind, für den grün-weißen Auftritt Monat für Monat mehrere hundert bis tausend Euro an die Konzernzentrale zu bezahlen – der Kettenplan dürfte nicht vom Tisch sein. Oesterle wird wohl weiter an seiner Kettenidee arbeiten, geht es doch um den Einzelhandel, der für ihn die "cash cow" ist. Man zieht an verschiedenen Drähten. Ein Beispiel: In einem Leserbrief in der Pfingstausgabe der "Welt am Sonntag" bedauert Sir Peter Torry, britischer Botschafter a. D. und heute Mitglied des Advisory Boards von Lloyds Pharmacy, die deutschen Apothekenkunden. Sie seien offensichtlich die Verlierer der EuGH-Entscheidung. Denn die Marktöffnung bei den Apotheken in Großbritannien habe den englischen Bürgern nur Vorteile gebracht, mehr Wettbewerb, Preissenkungen und eine erhöhte Servicequalität. (Torry lobt in seinem Leserbrief das Engagement der Firma Celesio aus Deutschland, die in die LloydsPharmacy-Kette investierte, um beispielsweise die Qualität der Geschäftsräume zu verbessern, separate Beratungsräume in den Apotheken zu schaffen und Gesundheitschecks etc. anzubieten. Schön für die britischen Bürger, dass sie dies nun endlich auch haben, möchte man ergänzen – in Deutschland gibt es das schon lange, ohne dass es Ketten gibt.) Großbritannien habe mit der Liberalisierung also durchweg positive Erfahrungen gemacht, schreibt der ehemalige Botschafter, der heute bei der zu Celesio gehörigen Kette LloydsPharmacy tätig ist. Was man noch wissen sollte: Dr. Fritz Oesterle wurde im Januar 2006 zum britischen Honorarkonsul in Baden-Württemberg ernannt. Sir Peter Torry, der seinerzeit noch das Amt des Britischen Botschafters innehatte, eröffnete damals das Honorarkonsulat in Stuttgart in den Räumen von Celesio.

Aber nicht nur Beziehungen und Lobbyarbeit werden eingesetzt, um das Ziel der Kette zu erreichen. Unmittelbar nach der Schließung der Fremdbesitz-Apotheke in Saarbrücken in der vergangenen Woche reichte die Celesio-Tochter DocMorris Klage gegen die Schließung beim Verwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis ein. Will man also die Schließung doch nicht hinnehmen? Wie dieses Verfahren nun weitergeht, hängt von vielen Faktoren ab, auch davon, wie das Gericht das Verfahren im Verhältnis zum Ausgangsverfahren einordnet. Die Frage ist auch, ob Celesio/DocMorris das Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht treiben will. Dieses Gericht müsste dann am Maßstab des Grundgesetzes prüfen, ob ein Fremdbesitzverbot in Deutschland zulässig ist. Eigentlich dürfte die Bewertung dann kaum anders ausfallen als vor dem EuGH. Möglicherweise zählt für Celesio/DocMorris nicht, wie es weitergeht, sondern nur dass es weitergeht. Das Thema soll rechtlich und politisch am Kochen gehalten werden. Umso mehr müssen wir in unseren Apotheken, mit unserer Beratung und mit unserem Service zeigen, dass wir in Deutschland keine Ketten brauchen.


Peter Ditzel

Peter Ditzel

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