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"Wir müssen noch stärker aktiv sein"

BERLIN (diz). Ein Ausruhen auf dem EuGH-Urteil wird es für Apotheken nicht geben. Im Gegenteil. Zwar gibt das Urteil eine gewisse Planungssicherheit, aber die Apothekerinnen und Apotheker müssen die kommenden Herausforderungen annehmen. Beispielsweise auch die Übernahme wirtschaftlicher Verantwortung – sagt ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf im DAZ-Interview.
Heinz-Günter Wolf

Foto: ABDA

DAZ Herr Wolf, das EuGH hat in Sachen Fremdbesitzverbot für das deutsche Apothekenrecht entschieden. Auch die Bundesregierung und die meisten Parteien Deutschlands mit Ausnahme der Grünen haben sich zum Urteil bekannt. Ist jetzt erst einmal Ruhe an der Front? Oder muss man befürchten, dass liberale Kräfte in der Politik doch in Richtung Kette marschieren?

Wolf: Ruhe an der Front wird nicht sein. Dafür ist der Arzneimittelmarkt einfach zu groß und weckt zu viele Begehrlichkeiten für Ketten und Konzerne, die daran teilhaben wollen. Insofern müssen wir höllisch aufpassen. Wir müssen mit unserer Leistung zeigen, dass es überhaupt keinen Grund für die Politik gibt, in der Arzneimittelversorgung etwas verändern zu wollen.

DAZ Und nach der Bundestagswahl, könnte sich da das Blatt wenden hin zu mehr Liberalität? Gemunkelt wird, Josef Hecken, der den Rechtsbruch mit der Fremdbesitzapotheke im Saarland durchsetzte, und heute Präsident des Bundesversicherungsamts ist, könnte Gesundheitsminister werden …

Wolf: Ich halte das für Spekulation. Wenn man jetzt in die Regierungsparteien reinhört, stellt man fest, dass sie sich so eindeutig für den freien Heilberuf des unabhängigen Apothekers geäußert und eingesetzt haben, dass ich mir eine Kehrtwendung schlichtweg nicht vorstellen kann.

DAZ Celesio-Chef Oesterle fühlt sich nicht als Verlierer. Er möchte nun, wie er in Interviews sagt, "mit dem anderen Fuß Gas geben", sprich seine Markenpartnerschaften noch aggressiver ausbauen: 500 DocMorris-Apotheken bis 2011. Sehen Sie die Oesterle-Aktivitäten kritisch?

Wolf: Natürlich wird ein Konzernchef versuchen, in seinem Konzern nicht als Verlierer dazustehen, daher ist es logisch, was er sagt. Aber da passiert dann etwas, wo wir ganz genau hinsehen müssen. Da sind wir als Apothekerorganisation, insbesondere die Kammern, gefragt, genau hinzusehen und jedes Konzept unter die Lupe zu nehmen. Damit nicht durch die Hintertür die Unabhängigkeit der Apotheken untergraben wird. Und das gilt für jede Kooperation und jedes Franchisekonzept.

DAZ Was bedeutet das Urteil nun konkret für die ABDA? Wird es als Verpflichtung gesehen, Qualität weiter voranzutreiben und das im Urteil Geforderte noch stärker umzusetzen? Es gibt da sicher noch einiges zu tun …

Wolf: Dieses Urteil ist für uns eine Chance, eine Herausforderung. Es gibt uns Planungssicherheit und eine sehr gute Plattform, die Qualität der Versorgung durch die unabhängigen Apotheker noch weiter auszubauen und zu leben. Wir müssen weiterhin noch stärker aktiv sein. Es ist ein lebendes System, ein System, das immer in Bewegung ist. Es muss gesteuert werden, es gibt eine Menge an Herausforderungen. Der Deutsche Ärztetag hat beispielsweise gesagt, er möchte mehr mit den Apothekern zusammenarbeiten. Es gibt ein Signal, dass die Ärzte nicht mehr allein die wirtschaftliche Verantwortung für die Arzneiversorgung übernehmen können. Das ist für uns eine Aufforderung zum Tanz. Wir müssen also nicht nur die Qualität sicherstellen. Von uns wird in Zukunft auch die Übernahme wirtschaftlicher Verantwortung verlangt werden. Die Apothekerorganisationen können beispielsweise verstärkt Vertragspartner der Krankenkassen werden. Der Deutsche Apothekerverband ist bereits mit den Krankenkassen im Gespräch, Zielpreisvereinbarungen abzuschließen.

DAZ Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.

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