Selbstmedikation

Guter Rat für werdende Mütter

Welches Arzneimittel kann in der Schwangerschaft empfohlen werden? – Dies ist eine der heikelsten Fragen im Apothekenalltag. Doch oft ist der behandelnde Arzt nicht erreichbar und die Apotheke bleibt als einziger schnell verfügbarer Ort für Ratschläge bei leichteren Beschwerden. Praxisrelevante Tipps für diese wichtigen Beratungssituationen bei Schwangeren sind das eine, doch gerade in dieser besonderen Situation müssen die Grenzen der Selbstmedikation eingehalten werden, um Mutter und Kind zu schützen.

Die Indikation für den Arzneimitteleinsatz sollte in der Schwangerschaft immer streng gestellt werden, aber auch die Krankheit selbst kann die Schwangere stark beeinträchtigen oder dem ungeborenen Kind schaden. Daher ist immer eine Abwägung nötig. Bei der Selbstmedikation gegen akute Erkrankungen in der Schwangerschaft sollten Arzneimittel stets nur für wenige Tage und nur als Monotherapie eingesetzt werden. Apotheker sollten bei ihren Empfehlungen für Schwangere auch die diesbezüglichen Hinweise in den Packungsbeilagen berücksichtigen, weil diese sich auch bei gleichen Wirkstoffen unterscheiden können.

In der Schwangerschaft kann sich das Verteilungsvolumen für Arzneimittel verändern, weil die interstitielle Flüssigkeit um bis zu 30% zunimmt. Durch den hohen Östrogenspiegel können CYP-450-Enzyme induziert werden, sodass die Biotransformation von Arzneistoffen beeinflusst wird. Bis auf sehr große Moleküle überwinden fast alle Arzneistoffe die Plazentaschranke und erreichen daher den fetalen Kreislauf. Der Fetus hat jedoch noch keine wirksame Blut-Hirn-Schranke. Demnach erreichen auch Arzneistoffe, die beim Erwachsenen nicht ins Gehirn gelangen, das Zentralnervensystem des ungeborenen Kindes und können dort neurotoxisch wirken.

Magen und Darm

Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft sollten nicht in der Selbstmedikation behandelt werden, weil mitunter sogar eine Krankenhausbehandlung nötig ist. Antacida gegen die in der Schwangerschaft häufigen Beschwerden durch Säurereflux gelten dagegen als sicher, können aber bei längerer Einnahme zu weichem Stuhl führen. Für die mitunter geäußerten Bedenken gegen aluminiumhaltige Antacida konnte Kojda keinen Beleg in der Literatur finden. Als Laxanzien reichen vielfach gestoßener Leinsamen oder Ballaststoffe aus.

Orthostase

Gegen orthostatische Beschwerden helfen oft Bewegung und Kompressionstrümpfe. Etilefrin sollte nicht verwendet werden, denn es wirkt über eine Drucksteigerung am Herzen und kann einen tachykarden Effekt haben. Es beseitigt daher nicht die ursächliche venöse Problematik und kann sich ungünstig auf den Fetus auswirken.

Kopfschmerz

Plötzlich auftretender und dann über mehrere Tage andauernder Kopfschmerz, insbesondere zu Beginn des zweiten Trimenons, sollte ärztlich abgeklärt werden, weil er ein Warnsignal für Thrombosen, Hypotonie oder Präeklampsie sein kann. Für den kurzfristigen Gebrauch von Paracetamol sind keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko in der Schwangerschaft bekannt. Es kann daher gegen Kopfschmerzen eingesetzt werden. Wenn die Wirkung nicht ausreicht, kann auch Codein verordnet werden, im dritten Trimenon nur mit Vorsicht. Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sollten nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Auch Acetylsalicylsäure empfiehlt Kojda in der Schwangerschaft nicht, im dritten Trimenon ist es kontraindiziert, weil es bei einer vorzeitigen Geburt die Blutungsgefahr erhöhen würde. Wie bei anderen NSAR drohen zudem Komplikationen durch den vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus botalli.

Schnupfen und Husten

Etwa 20 bis 30% der Schwangeren entwickeln eine Rhinopathia gravidarum, bei der die Nasenatmung monatelang behindert ist. Die Ursache ist unklar, es muss keineswegs eine Allergie vorliegen. Zur Behandlung bieten sich die Befeuchtung der Schleimhäute oder ein Nasenflügelheber an. Sympathomimetische Nasensprays können für einige Tage eingesetzt werden, jedoch höchstens zwei bis drei Mal täglich. Oft reicht die Kinderdosis oder die abwechselnde Anwendung in jeweils einem Nasenloch. Orale Retardpräparate mit Sympathomimetika sollen in der Schwangerschaft nicht verwendet werden. Bei Bronchitis sollte viel Flüssigkeit getrunken werden, um den Schleim zu lösen. Als unbedenklich gelten Acetylcystein und Ambroxol, dagegen sollen Guaifenisin und Bromhexin in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden.

Verschreibungspflichtige Arzneimittel

Falls in der Schwangerschaft ein Antibiotikum angewendet werden muss, gelten Amoxicillin und Loracarbef als Mittel der ersten Wahl. Als Ausweichmöglichkeit bietet sich Erythromycin an, aber keine anderen Makrolide. Clarithromycin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Patientinnen mit chronischen Erkrankungen sollten vor der Schwangerschaft auf eine möglichst geeignete Medikation eingestellt werden. Bei Asthma gilt inhalativ eingesetztes Budesonid als sicher. Insbesondere bei Epilepsie kann die Einstellung schwierig sein. Dann bleibt nur die Wahl zwischen verschiedenen kontraindizierten Arzneimitteln, deren Risiko sich aber auch deutlich unterscheiden kann.

 

Quelle

Prof. Dr. Georg Kojda, Düsseldorf: Selbstmedikation in der Schwangerschaft. Niedersächsischer Apothekertag, 9. Mai, Gifhorn.

 

 

Apotheker Dr. Thomas Müller-Bohn

 

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.