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Erleichterung bei Kammern und Verbänden

(du/tmb). "Das ist ein guter Tag für Verbraucherschutz und Patienten". So lässt sich der Grundtenor der Stellungnahmen von Apothekerkammern und -verbänden zusammenfassen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat bei ihnen für große Erleichterung gesorgt. Man sieht sich in seinen Postionen bestärkt. Anders wertet Dr. Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale das Urteil. Er möchte es nicht nur als Erfolg bezeichnen.

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes e.V. (DAV), Fritz Becker, sieht in dem Urteil eine Bestätigung der besonderen gesundheits- und sozialpolitischen Rolle der freiberuflichen Apotheke und ein bedeutendes Signal für Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung insgesamt. Becker: "Die Entscheidung des EuGH bestätigt die Bundesregierung und den Gesetzgeber in ihrem Bekenntnis zum bestehenden Apothekenwesen und den freien Berufen."

Dr. Günter Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, begrüßte das Votum der europäischen Richter zugunsten des bestehenden Apothekensystems, das die Patienten auf hohem Niveau gut und sicher versorge. "Ich verstehe das Urteil auch als europäisches Signal für die Unabdingbarkeit des freien Heilberuflers Apotheker" so Hanke.

Dr. Rainer Bienfait, Vorsitzender des Berliner Apotheker-Vereins, zeigt sich erleichtert, dass die Arzneimittelversorgung nicht den Interessen von Großkonzernen und Finanzhaien geopfert worden ist. "Die Unabhängigkeit bei Arzneimittelabgabe und -beratung wird in Deutschland wie in vielen anderen Ländern durch die uneingeschränkte Verantwortlichkeit des Apothekenleiters sichergestellt", so Bienfait. "Kapitalgesellschaften können und wollen dies von Natur aus nicht leisten, denn mit der Fremdkapitalisierung werden die Renditeinteressen der Kapitalgeber zum bestimmenden Faktor der Unternehmensführung ... "

Nach Einschätzung von Dr. Jörn Graue, dem Vorsitzenden des Hamburger Apothekervereins, bedeutet das Urteil eine schwere Niederlage für den niederländischen Arzneimittelversender DocMorris. Gegenüber der DAZ betonte er: "Mit seiner Entscheidung hat der EuGH das Fremdbesitzverbot und dessen indirekte Rechtfertigung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 1964 für die heutige Zeit bestätigt. Ausgangspunkt dafür bleibt das gesetzlich festgesetzte Berufsbild des Apothekers in seiner Apotheke mit den besonderen Verantwortlichkeiten gegenüber Patienten und Ärzten. Dies ist zugleich ein Argument gegen das Verbot des unbeschränkten Mehrbesitzes."

Verhaltene Freude zeigte Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern. "Das ist kein Grund, die Sektgläser herauszuholen, denn es bleibt die Besorgnis, wie es langfristig weitergeht", so Pudimat.

"Der EuGH hat unsere Position voll umfänglich bestätigt", erklärte Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, "denn der EuGH macht keine Ausnahmen und sieht, dass auch Pacht- und Krankenhausapotheken in diesem Zusammenhang nicht relevant sind." Froese erklärte weiter: "Das ist aber auch ein Auftrag, die Freiberuflichkeit als Versorgungsprinzip weiter zu entwickeln."

Die Landesapothekerkammer Hessen begrüßt die Entscheidung des EuGH, die letztendlich dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dient. Erika Fink, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen konstatiert: "Das ist ein guter Tag für den Patienten- und Verbraucherschutz in Deutschland. Das Fremdbesitzverbot sichert weiterhin die fachlich qualifizierte Betreuung der Patienten in Arzneimittelfragen durch unabhängige und freiberufliche Apothekerinnen und Apotheker."

"Das Urteil schafft Rechtssicherheit und stärkt die Rolle der Apothekerinnen und

Apotheker als unabhängige Gesundheitsberater", so Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und Heinz-Günter Wolf, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen. Gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen sei die Sicherung einer fachlich qualifizierten Arzneimittelversorgung der Patienten – unabhängig von Kapitalmarktinteressen – durch die Apotheke vor Ort unverzichtbar.

Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes betonte, dass der EuGH mit seinem Urteil klar und eindeutig die außergewöhnliche heil- und freiberufliche Verantwortung des Apothekers in den Vordergrund gestellt habe. Damit sei insbesondere auch der Verbraucherschutz in der Europäischen Union gestärkt worden. "Freiberuflichkeit und Gesundheitsschutz auf der einen und share-holder-value auf der anderen Seite passen nicht zusammen ...", so Saar.

Auch der Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) sieht in dem Urteil einen weiteren Sieg für die Patienten. Der Qualitätsgedanke werde in den Vordergrund gestellt, was nur begrüßt werden könne, so Holger Hennig, Präsident der ADKA.

Nach Ansicht des Bundesverbandes klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) hat das Gericht die Linie fortgesetzt, die es schon beim Urteil zur regionalen Krankenhausversorgung begonnen hatte. Die wohnortnahe Beratung durch einen vom Apotheker geleiteten Betrieb erfüllt also nach EuGH-Meinung die qualitativen Anforderungen zur optimalen Arzneiversorgung. Das betrifft auch die Krankenhaus- und Heimversorgung.

Für Barbara Neusetzer, erste Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa, ist das Urteil keine Überraschung. Doch seien vom EuGH für die Zukunft auch keine Optionen ausgeschlossen worden. Sie fordert die Apothekenleiter auf, die Beratungsqualität und Arzneimittelsicherheit in den öffentlichen, inhabergeführten Apotheken weiter zu verbessern. Dazu seien insbesondere auch Investitionen ins Personal notwendig.

Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) zeigt sich erleichtert, warnt aber vor verfrühten Freundentänzen. Potenzielle Kettenbetreiber würden weiterhin versuchen, sich der Arzneimittelversorgung in Deutschland zu bemächtigen.

Auf Zustimmung stieß das Urteil auch bei dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA), dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des BPI Hennig Fahrenkamp hat das EuGH das System der inhabergeführten Apotheke als Garant für eine unabhängige Beratung und Therapiequalität bestätigt. Nach Auffassung des BAH besteht jetzt erst recht nicht die Notwendigkeit, angesichts der bloßen Behauptung, die Arzneimittelversorgung sei außerhalb von Apotheken effizienter und kostengünstiger, das Apothekensystem zu ändern.

Dr. Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband möchte das Urteil aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht unbedingt als Erfolg bezeichnen. Es sei nicht zu erkennen, dass es nach einem Fall des Fremdbesitzverbotes und der Einführung von Ketten zwingend zu einem Einbruch bei der Arzneimittelsicherheit gekommen wäre. Festgestellt werden müsse auch, dass der EuGH lediglich klargestellt hat, dass das Fremdbesitzverbot mit europäischer Rechtsauffassung konform geht. Aber der deutsche Gesetzgeber könnte immer noch anders entscheiden – diese Möglichkeit lasse das Urteil zu. Man kann aus Verbrauchersicht schon die Frage stellen, so Etgeton gegenüber der DAZ, ob die Zulassung von Apothekenketten nicht zu mehr Bewegung bei den Preisen im OTC-Bereich führen würde. Unzweifelhaft sei das vorliegende Urteil eine große Stärkung der freien Heilberufe.

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