Arzneimittel und Therapie

Einheitliche Analgetika-Packungsgrößen – ist das wirklich notwendig?

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat für die nächste Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht am 30. Juni 2009 zwei Punkte auf die Tagesordnung gesetzt, die den Untertitel haben "Konzept zur Begrenzung rezeptfrei erhältlicher Packungsgrößen". Namentlich genannt werden Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen, aber auch andere Analgetika, worunter man sich zum Beispiel noch Naproxen und Phenazon, aber auch Paracetamol vorstellen könnte. Man könnte nun fragen: "Warum diese Diskussion jetzt?"

Mit eine Rolle gespielt hat möglicherweise die Publikation von Professor Brune vom März 2008 in der Deutschen Apotheker Zeitung [DAZ 2008; 148 (15) 1536 ff]. Zum anderen mag aufgefallen sein, dass in Deutschland bezüglich der Verschreibungspflicht der sogenannten kleinen Analgetika unterschiedliche Regelungen bestehen (s. Tab.).

Die gesetzlichen Grundlagen in § 48 AMG sind für alle Arzneimittel, also auch für die Analgetika, dieselben. Die Verschreibungspflicht kann danach begrenzt werden auf Packungsgrößen, Dosierungen, Potenzierungen (Homöopathika), Anwendungsbereiche (das sind Anwendungsgebiete und weitere Tatbestände) sowie auf Fertigarzneimittel (gilt für zentral zugelassene europäische Arzneimittel, wie z.B. Orlistat). Die Unterschiede, die wir heute bei den Arzneimitteln haben, lassen sich zunächst historisch erklären. ASS und Paracetamol unterstanden nie der Verschreibungspflicht (für Paracetamol gibt es jetzt seit 1. April 2009 eine Packungsgrößenbegrenzung auf 10 g). Für die seit Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts entlassenen Stoffe gibt es unterschiedliche Regelungen: z.B. die Begrenzung von Einzel- und Tagesdosis bei Ibuprofen und auch eine Begrenzung der Anwendungsdauer bei Diclofenac. Als Mitglied des Sachverständigenausschusses seit 1982, das alle diese Verhandlungen begleitet hat, kann der Verfasser dieses Artikels – ohne Geheimnisse zu verraten – sagen, dass die einzelnen Regelungen isoliert getroffen wurden bei der Beschlussfassung über die einzelnen Entlassungsanträge und dies teilweise Jahre auseinander lag. Ein systematischer Quervergleich fand nicht statt, abgesehen vielleicht von der Indikation "leichte bis mäßig starke Schmerzen".

 

Die Festlegung von Packungsgrößen ist eine zentrale Aufgabe bereits bei der Arzneimittelzulassung. In § 28 Abs. 2 Nr. 4 wird dem BfArM eine Auflagenbefugnis eingeräumt, um "Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr (zu bringen), die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind". Diese Regelung ist relativ einfach umzusetzen z. B. bei Antibiotika, wo die Packungsgröße dann z. B. einem Anwendungszyklus entspricht (z. B. eine Woche). Kopf- oder Zahnschmerzen treten jedoch überwiegend episodenhaft auf und man nimmt dann ein- oder zweimal je ein bis zwei Tabletten. Die nächste Episode ist dann oft erst wieder in zwei bis drei Wochen. Nun wäre es völlig verfehlt, würde man die einzelne Episode, bei der man zwei bis vier Schmerztabletten einnimmt, mit der vorgesehenen Anwendungsdauer nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG gleichsetzen und Schmerzmittelpackungen auf vier Tabletten begrenzen. Hier muss man pragmatisch entscheiden. Pragmatisch heißt: der Patient kauft sich eine Packung, entnimmt daraus die Menge an Tabletten, die er für seine Episode benötigt und verwahrt den Rest der Packung für die nächsten Episoden in seinem Medikamentenschrank. Diesen Überlegungen hat des BfArM in der Zulassungspraxis stets Rechnung getragen. Kurz nach der Entlassung von Ibuprofen aus der Verschreibungspflicht wurden zunächst Zulassungen in Packungsgrößen von 10 und 20 Tabletten erteilt. Aufgrund der guten Erfahrungen in der Anwendung erteilt das BfArM derzeit auch Zulassungen mit Packungsgrößen von 40 bzw. 50 Tabletten. Dieses Vorgehen ist einsichtig, gibt es dem Verbraucher doch eine gewisse Flexibilität. Keinesfalls soll hier den Großpackungen das Wort geredet werden wie sie in den USA verkauft werden, wo es im Drugstore für ASS, Paracetamol und Ibuprofen Packungen mit 500 und 1000 Tabletten gibt, die teilweise noch nicht einmal kindersicher verschlossen werden.

Dieser Umgang mit größeren Packungen, die nur zum Teil aufgebraucht und dann in der Hausapotheke verwahrt werden, setzt einen verantwortungsbewussten Umgang mit Arzneimitteln voraus. Diesen vernünftigen Umgang mit Schmerzmitteln gibt es tatsächlich in Deutschland. Der Schmerzmittelverbrauch in Deutschland ist seit langem mit etwa 50 Tabletten pro Kopf und Jahr nahezu konstant (Summe aus rezeptpflichtigen und rezeptfreien Analgetika). Wir liegen damit zusammen mit der Schweiz und Österreich am unteren Ende vergleichbarer westlicher Industriestaaten. Dieses ist nachzulesen in der Arbeit von Diener, Schneider und Aicher [Pharm Ztg 2008; 153 72 ff]. Staaten mit weitaus höherem Verbrauch sind Schweden (142 Tabletten pro Kopf und Jahr), Frankreich (141 Tabletten), Australien (106 Tabletten), Kanada (81 Tabletten) und USA (61 Tabletten). Bei diesen Ländern steigt der Verbrauch – im Unterschied zu Deutschland – seit Jahren auch noch an (Ausnahme: USA – trotz 1000er Packungen).

Wenn man dieses Gesamtbild sieht und richtig bewertet, so darf dem deutschen Verbraucher das Zeugnis ausgestellt werden, dass er verantwortungsbewusst mit Analgetika in der Selbstmedikation umgeht.

Auch die Zahlen tatsächlich aufgetretener Risiko-Fälle, die man auf eine möglicherweise zu große Packungsgröße zurückführen kann, sind in Deutschland gering.

In der DDR ging man damals – systembedingt – anders vor: dort gab es rezeptfreie Analgetika ausschließlich in 10er Packungen (siehe DDR-Arzneimittelverzeichnis Ausgabe 1988, 22. Auflage). Ist das ein Vorbild?

Vor dem Hintergrund des verantwortungsvollen Gebrauchs von Analgetika und der tatsächlich vorhandenen Risikosituation kann man vernünftig diskutieren und eine pragmatische Haltung, die sich an der Toxizität orientiert, entwickeln. 

 

Dr. Bernd Eberwein

Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH)

Ubierstr. 71– 73, 53173 Bonn

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.