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Einfach vertrauen

So ein bisschen ist es wie Warten aufs Christkind. Oder Warten auf die Bescherung. Nur noch fünfmal schlafen, dann wissen wir, ob wir uns freuen können oder ob unser Wunschzettel nicht erfüllt wurde und wir uns auf Fremdbesitz und Apothekenketten einstellen müssen. Ich hoffe, wir können Ihnen in einer Woche an dieser Stelle ein Editorial schreiben, das sich mit einer Apothekenzukunft ohne Ketten beschäftigt. Und das auch davon berichten kann, dass unsere Regierung hinter der inhabergeführten Individualapotheke steht. Denn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist die eine Sache. Die andere ist, was unsere Regierung daraus macht. Es könnte nämlich durchaus soweit kommen, dass das Gericht in Luxemburg die Entscheidung in die Hände der Nationalstaaten legt nach dem Motto, ein Fremdbesitzverbot kann, aber muss nicht sein.

Eine Podiumsdiskussion mit Politikern der fünf wichtigsten Parteien auf dem Wirtschaftsforum zeigte erneut, wie die Einstellungen dazu verteilt sind: ein deutliches 4 zu 1 für das Fremdbesitzverbot. Also: CDU/CSU, SPD, FDP und Die Linke sind für den Status quo im Apothekengesetz. Nur die Grünen, vertreten durch die Scharfmacherin Biggi Bender, ließen wissen, dass ein Verbot bestimmter Vertriebswege für Arzneimittel mit ihnen nicht zu machen ist und dass sie nichts gegen Apothekenketten haben. Also, auch Pick-up-Stellen sind voll im Sinne der Grünen. "Wir wollen für den Patienten, was möglich ist", heißt Benders Parole – im Klartext heißt das demnach auch, dass man nichts gegen eine unsichere Arzneimittelversorgung durch Light-Apotheken hat. Die Grünen nehmen in Kauf, dass der Mittelstand von Konzernen überrollt wird (pro Kette), und geben die Fürsorge für den Patienten auf (pro Pick-up und pro Versandhandel).

Ein kleiner Mutmacher vorab: Falls der Europäische Gerichtshof am 19. Mai das Fremdbesitzverbot definitiv zu Fall bringt und die Bundesregierung dazu zwingt, den Fremdbesitz bei Apotheken zuzulassen: dann werden die Behörden wohl kaum am 20. Mai den ersten Antrag auf Kettenzulassung bescheiden, auch wenn Celesio und (Noch-)Phoenix dies möglicherweise gerne hätten. Es wird Übergangsfristen geben, bis die neuen Anforderungen in Gesetzestext gegossen sind. Und diese Zeit bis dahin sollten wir dann nutzen, alles das zu machen, was wir bisher auch schon tun, nur noch besser. Die noch ausstehende Änderung der Apothekenbetriebsordnung könnte beispielsweise unseren Anspruch an eine moderne beratungsintensive Apotheke konkretisieren. Wir könnten unsere Aufgaben auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und in Sachen Prävention ausbauen. Wir könnten auch mehr Einsatz zeigen im OTC-Markt, indem wir unsere Ärzte auf das Grüne Rezept hinweisen und unsere Kunden auf sinnvolle OTC-Arzneimittel aufmerksam machen.

Es gibt aber auch noch andere Baustellen, beispielsweise das Verhältnis zu den Ärzten. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, zeigte sich in einer Diskussionsrunde auf dem Wirtschaftsforum nicht erfreut darüber, wenn Apotheker Blutdruck und Blutwerte messen oder Plakate ins Schaufenster hängen, auf denen sie ankündigen, dass sie sich auf dem Gebiet der Prävention engagieren (Köhler: "ich werfe ihm die Scheiben ein"). Er ließ auch durchblicken, dass sich Apotheker weder als case manager aufspielen noch versuchen sollten, in ärztliche Arbeitsgebiete vorzudringen. Sonst könnte er sich sehr gut vorstellen, "den Apothekern auch etwas Arbeit abzunehmen" und das Dispensierrecht für Ärzte zu fordern. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass diese alten Grabenkämpfe längst überwunden sind und die Ärzte mittlerweile wissen, dass es nicht ihr Schaden ist, wenn ihnen Apotheker potenzielle Diabetiker, Hypertoniker und Hyperlipidämiker, die sie durch Apothekenpräventionsaktionen festgestellt hatten, zuhauf in die Praxis schicken – Patienten, die womöglich nie oder erst viel später den Gang zum Arzt auf sich genommen hätten. Unverständlich auch, dass der KBV-Chef gleich die Keule Dispensierrecht hervorholt, um damit in Neandertaler-Manier zu drohen. Zum Glück ist bekannt, dass die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker auf der Basisebene weit besser läuft, als es die Funktionärsebene zeigt.

Hoffnung machte Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm auf dem Wirtschaftsforum. Es wird eine Welle durch die Gesellschaft gehen, die nach menschlichen Werten und nach Besinnung ruft. Und vor allem nach Vertrauen, so der Minister a. D. Je weniger Vertrauen, umso mehr Reglementierungen. Vielleicht ist das Grundübel in unserer Gesellschaft ein Vertrauensverlust, so Blüm. Er sieht gute Wettbewerbschancen für Apotheker, wenn sie ihrer Apotheke mit ihrer Person ein Gesicht geben und den Kunden signalisieren, dass sie Vertrauen haben können.


Peter Ditzel

Peter Ditzel

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