Prisma

Graue Substanz bei MS in Gefahr

Bei Autoimmunerkrankungen wird körpereigenes Material vom Immunsystem attackiert. Ein Beispiel ist die multiple Sklerose (MS). Lange galt bei ihr das Myelin als wichtigster Angriffspunkt. Wie erst seit Kurzem bekannt ist, wird neben dem Myelin jedoch schon frühzeitig auch die graue Substanz durch das Immunsystem angegriffen.

Die multiple Sklerose verläuft meist in Schüben, wobei Nervenfasern durch Attacken von T-Lymphozyten sukzessive und irreversibel zerstört werden. Zuerst kommt es dabei zu einem unwiderbringlichen Verlust von Myelin, dann zu einem Untergang der betroffenen Neuronen.

Schäden zeigen sich im Zentralnervensystem von MS-Patienten aber auch in der sogenannten grauen Substanz, die Nervenzellkörper enthält. Die Entwicklung der Behinderung der Patienten hängt offenbar wesentlich von der Schädigung dieser grauen Substanz ab. Ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Dr. Edgar Meinl, Ludwig-Maximilians-Universität München, konnte nun eine mögliche Verbindung nachweisen: Das Protein Contactin-2 wird sowohl in der Myelinschicht als auch von den Nervenzellen in der grauen Substanz produziert – und von fehlgeleiteten Immunfaktoren attackiert.

"Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass diese Prozesse auch bei MS-Patienten eine Rolle spielen", sagt Meinl. Möglicherweise seien Proteine, die gleichzeitig im Myelin und in der grauen Substanz vorkommen, sogar die entscheidenden Angriffspunkte. Im Tiermodell reagierten autoreaktive T-Zellen auf TAG-1, das dem menschlichen Contactin-2 entsprechende Protein. Sie lösten eine Entzündung im Gehirn aus und zwar vorwiegend in der grauen Substanz. Zudem öffneten diese Immunzellen die Blut-Hirn-Schranke. "Ohne dieses Hindernis konnten die Antikörper in großer Zahl in das Gehirn eindringen, wo sie schwere Schäden an der grauen Substanz verursachten", so Meinl. "Nun ist zu klären, ob diese Mechanismen auch bei menschlichen MS-Patienten auftreten und welche Rolle Antigene spielen, die im Myelin und in den Neuronen vorkommen." ral

Quelle: Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 29. 4.

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