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Visionen für ein intelligenteres Gesundheitssystem

BERLIN (ks). Die Diskussionen um die Zukunft des Gesundheitswesens ranken sich noch immer vornehmlich um Kostenaspekte. Dabei ist es höchste Zeit, den Fokus auf Qualität und eine sektorübergreifende Versorgung zu legen, bei der der Patient endlich im Zentrum steht. Diese Auffassung äußerten jedenfalls die Teilnehmer des 4. Berliner Roche Forums am 22. April in Berlin. Unter dem Motto "Vom Kästchendenken zur Systemintelligenz" diskutierten hier Unternehmer, Gesundheitsökonomen, Patienten- und Ärztevertreter sowie Politiker Visionen für das Gesundheitssystem.

Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG, sprach sich dafür aus, die Qualität der Versorgung in den Mittelpunkt des Wettbewerbs im Gesundheitswesen zu stellen. Dazu bedürfe es allerdings eines "tiefgreifenden Bewusstseinswandels aller Beteiligten". Von der Knappheitsfixierung müsse man zu einer größeren Bedürfnisorientierung und Verantwortung der Bürger kommen. Nötig seien auch konkret definierte Gesundheitsziele. Diese gebe es jedoch bislang nur auf Ebene der Länder, weshalb sie auch höchst unterschiedlich seien. Eine "Basis für eine intelligente Ressourcenallokation" sieht Pfundner daher noch nicht gegeben.

Auch der Gesundheitsökonom Prof. Friedrich-Wilhelm Schwartz von der Medizinischen Hochschule Hannover monierte, dass es an inhaltlichen Visionen für das Gesundheitswesen mangelt. Die Debatte drehe sich immer wieder um die Geldverteilung und Kostendämpfung. Das Präventionsgesetz sei dagegen bereits zwei Mal gescheitert. Erschwert werde die Debatte zudem durch die vielen unterschiedlichen Interessengruppen im Gesundheitswesen – sie alle wollen "besonders viel vom Kuchen". Erreicht werde letztlich nur, dass die Kosten weiter stiegen ohne eine Qualitätsverbesserung zu erzielen. "Die Kostendebatte führt zu versteckter Rationierung und einer Politik des explodierenden Deckels", so Schwartz. Die Politik- und Wirtschaftsberaterin Prof. Gertrud Höhler beklagte ebenfalls die andauernden Machtkämpfe, die durch die Kostendebatte entfacht werden: "Herren und Knechte jagen einander Pfründe ab, anstatt gemeinsam an einer besseren Versorgung zu arbeiten". Höhler betonte, dass das "Projekt Gesundheit" nicht einzelnen Interessengruppen gehöre. Nötig sei, sich auf ein gemeinsames Ziel zu einigen: Mit Krankheit dürfe dauerhaft nicht mehr Geld verdient werden, als mit Gesundheit.

In der Politik sieht man durchaus, dass man mit den bestehenden Strukturen die heutigen Probleme im Gesundheitswesen kaum lösen kann. Um wirklich herauszufinden, was für die Patienten von Nutzen ist, muss noch viel getan werden. Marlies Volkmer (SPD) sieht erste Ansätze in den nunmehr zu veröffentlichen Qualitätsberichten der Krankenhäuser. Auch das geplante Krebsregister soll künftig zeigen, was etwa die Vorsorge tatsächlich bringt. Jens Spahn (CDU) verwies auf Qualitätsvereinbarungen, wie sie derzeit in Selektivverträgen geschlossen werden. Allerdings bedeuteten diese in der Regel auch mehr bürokratischen Aufwand, weshalb nicht alle Player mit ihnen glücklich sind. Auch die Forderung nach mehr Datentransparenz, mit dem die Outcomes der medizinischen Versorgung abgelesen werden können, wirft eine Reihe von Problemen auf – dies sieht man bereits an der nicht enden wollenden Kritik an der elektronischen Gesundheitskarte. Einig ist man sich jedoch: Das Gesundheitswesen muss ein lernendes System sein. Dazu müssen Ziele formuliert und unterschiedliche Modelle ausprobiert werden.

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