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Neue Verträge – aber wie?

BAD ZWISCHENAHN (tmb). Als Folge des GKV-WSG haben die gesetzlichen Krankenkassen mehr Vertragsfreiheit bekommen. Wie die Krankenkassen damit umgehen und welche Verträge sich daraus entwickeln können, erläuterte Birgit Fischer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, beim Zwischenahner Dialog am 23. April.
Win Win Win Neue Versorgungsverträge sind Birgit Fischer zufolge nur erfolgreich, wenn Patienten, Leistungserbringer und Krankenkassen davon gleichermaßen profitieren.
Foto: Barmer

Der Gesundheitsfonds hat die Rahmenbedingungen für die Krankenkassen wesentlich verändert. Neu sind insbesondere der einheitliche Beitragssatz, der Steuerzuschuss, der Morbi-RSA und der kassenindividuelle Zusatzbeitrag. Da der Fonds langfristig nur 95 Prozent der Ausgaben decken soll, werde es solche Zusatzbeiträge geben müssen. Dies wird zu großer Preissensibilität führen, erwartet Fischer. In der öffentlichen Wahrnehmung werde leider der Eindruck entstehen, dass eine gute Kasse an einem möglichst kleinen Zusatzbeitrag zu erkennen ist.

Qualität und Wirtschaftlichkeit

Innovative Behandlungsmöglichkeiten erfordern nach Einschätzung von Fischer auch neue organisatorische Formen der Versorgung. Die neue Entwicklung vergrößere den Wettbewerb bei Krankenkassen und Leistungserbringern und bringe große Gestaltungsmöglichkeiten. "Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Versorgung werden die entscheidenden Ziele im Wettbewerb", so Fischer. Beide könnten nicht voneinander getrennt werden. Neue Verträge könnten nur Erfolg haben, wenn sie eine "Win-win-win-Situation" sind, also allen Beteiligten Vorteile bringen. Mit der Vertragsfreiheit werde das Versorgungsmanagement zunehmend zur Aufgabe der Krankenkassen. Sie werden zum "Netzwerker", müssen die Akteure koordinieren, die Versicherten zur aktiven Beteiligung motivieren und zwischen allen Beteiligten vermitteln, so Fischer. Dies mache zugleich die gesellschaftliche Leistung der GKV im Vergleich zu privaten Versicherungen deutlich. Unabhängig von den vielen Gestaltungsmöglichkeiten erklärte Fischer: "Wir brauchen Kollektivverträge". Neues könne dagegen nur in Selektivverträgen umgesetzt werden, die dann später zu kollektiven Verträgen werden könnten. "Das ist der Garant für den Fortschritt", so Fischer. Andererseits forderte sie Selektivverträge für planbare Leistungen im stationären Bereich.

Fortschritt hat seinen Preis

Als weitere mögliche Aspekte der Steuerung nannte Fischer Leistungsprozesse und -strukturen, Anreize für Versicherte und Vergütungssysteme. Rationalisierungsmöglichkeiten sieht sie in der Kapazitätssteuerung, im Qualitätswettbewerb, in Regelungen zu "Me-too-Arzneimitteln" und in der Kosten-Nutzen-Bewertung. Bezüglich der Rabattverträge setzt die Barmer auf Komplettverträge über ganze Sortimente, um die Compliance und die Umsetzbarkeit zu sichern. Trotz aller Einsparungsmöglichkeiten habe der Fortschritt seinen Preis. Dies müsse offen diskutiert werden.

Vor- und Nachteileder Vertragsmodelle

In der Diskussion ging es um Vor- und Nachteile verschiedener Vertragsmodelle. Dr. Ulrich Vorderwülbecke, Verband forschender Arzneimittelhersteller, lobte den Wettbewerb, weil er für Systemoffenheit, Flexibilität und Effizienz sorge. Doch beklagte er die ungeheure Vielfalt der Regelungsinstrumente. Er forderte eine Deregulierung und die Gestaltung eines sauberen Ordnungsrahmens. Dr. Volker Steitz, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, hält eine kollektivvertragliche Ordnung für nötig, um die Zersplitterung der Versorgung zu verhindern. Zugleich forderte er, die Kassenärztlichen Vereinigungen als Anbieter am Vertragswettbewerb zu beteiligen. Steitz betonte die Bereitschaft der Ärzte, auf übergeordneter Ebene wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen und für Transparenz zu sorgen, aber die einzelnen Leistungen dürften nicht durch Regresse bedroht werden.

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf warnte vor einem möglichen "Drehtüreffekt" zwischen Krankenhäusern und angeschlossenen medizinischen Versorgungszentren, bei denen die gleichen Ärzte ambulant und stationär tätig sind und die Patienten zwischen den Versorgungsbereichen hin und her überweisen können. "Das ist eine Lizenz zum Gelddrucken", so Wolf. Als konstruktiven Vorschlag der Apotheker empfahl Wolf Zeitraumverordnungen, bei denen die Apotheker die Arzneimittelversorgung für einen vom Arzt festgelegten Zeitraum organisieren und bei Problemen mit dem Arzt Rücksprache halten. Mit einem gemeinsamen Medikationsmanagement sei letztlich Geld zu sparen.

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