Recht

Was bringt die neue BtM-Änderungsverordnung?

Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den in der Modedroge "Spice" enthaltenen Wirkstoff JWH-018 (1-Pentyl-3-[1-Naphthoyl] indol) im Eilverfahren durch die 22. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (BtMÄndV) mit Wirkung vom 22. 1. 2009 verboten hatte (DAZ 5, S. 114), hat es die 23. BtMÄndV vom 19. 3. 2009 (DAZ 14, S. 117) im üblichen Verfahrensgang mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Die Änderungen betreffen die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV): Insbesondere wurde die Verschreibungshöchstmenge für Fentanyl auf 500 mg heraufgesetzt, und zwei Probleme der Substitutionspraxis wurden entschärft.

Ohne große praktische Bedeutung sind einige redaktionelle Änderungen der Umstufungen durch die 21. BtMÄndV vom 18. 2. 2008 (DAZ 10/2008, S. 128), wie die Streichung von Modafinil und Phenmetrazin in §§ 2, 3 und 4 BtMVV. Modafinil ist nunmehr als schlichtes Arzneimittel betäubungsmittelrechtlichen Regelungen nicht mehr unterworfen; Phenmetrazin darf nicht mehr verordnet werden.

Eine weitere Streichung betrifft Levacetylmethadol als Substitutionsmittel in § 5 Absatz 4 Satz 2 BtMVV, das seine Zulassung bereits im Jahre 2002 verloren hatte. Weitere redaktionelle Folgeänderungen der weiteren Regelungen wurden in §§ 7 und 9 BtMVV und in der Bußgeldnorm § 17 vorgenommen.

Abkürzungen

BtMVV BetäubungsmittelVerschreibungsverordnung

BtMÄndV BetäubungsmittelrechtsÄnderungsverordnung

BGBl. Bundesgesetzblatt

Höchstmenge für Fentanyl heraufgesetzt

Von großer Bedeutung ist eine Änderung in § 2 Abs. 1 Buchstabe a BtMVV: Die Verschreibungshöchstmenge für Fentanyl wurde von 340 mg auf 500 mg heraufgesetzt. Damit wurde der früher begonnene Weg fortgesetzt, Fentanyl besser verfügbar zu machen.

In der Urfassung der BtMVV (vom 16. 12. 1981; BGBl. I S. 1427) war Fentanyl beschränkt auf die Prämedikation und Anästhesie einschließlich der Neuroleptanalgesie zu diagnostischen Zwecken und der Intensivmedizin bei einer Höchstmenge von 10 mg/Tag. Diese Grenzmenge wurde bereits durch die 2. BtMÄndV (vom 23. 7. 1986; BGBl. I S. 1099) auf 40 mg angehoben, bevor die Verwendungseinschränkung durch die 4. BtMÄndV (vom 23. 12. 1992; BGBl. I S. 2483) aufgehoben wurde. Damit wurde der Stoff, der mittlerweile als transdermales therapeutisches System (Membranpflaster) verfügbar war, in einer Höchstmenge von 120 mg/Tag und Patient auch bei ambulanter periduraler Infusionsbehandlung allgemeiner verfügbar. Die 10. BtMÄndV (vom 20. 1. 1998; BGBl. I S. 74) setzte die Höchstverschreibungsmenge auf 1000 mg für eine Zeitdauer von 30 Tagen fest. Die zuletzt gültige Höchstmenge von 340 mg/30 Tage wurde durch die 19. BtMÄndV (vom 10. 3. 2005; BGBl. I S. 757) festgelegt; sie sollte bei durchschnittlicher Dosierung ausreichend sein (Bundesrats-Drucksache 958/04 S. 5).

Die jetzt erfolgte Korrektur der Höchstmenge trägt dem Umstand Rechnung, dass die Fortentwicklung transdermaler therapeutischer Systeme zu Pflastern geführt hat, die zwar höhere Fentanylmengen enthalten, diese aber nicht vollständig freisetzen. Die bisher zulässige Höchstmenge behinderte daher den Therapieerfolg bei solchen Pflastern, und Ärzte, die deshalb mehr als 340 mg Fentanyl für 30 Tage verordneten, mussten das Rezept mit dem Kennbuchstaben "A" kennzeichnen (§ 2 Abs. 2 BtMVV); dies ist nun nur noch dann erforderlich, wenn die Grenzmenge von 500 mg/30 Tage überschritten wird.

Vertretung des substituierenden Arztes

Der Schwerpunkt der 23. BtMÄndV liegt bei den Vorschriften über die Substitution (§ 5 BtMVV). Zwei seit Langem ungelöste praktische Probleme erforderten ein Eingreifen des Gesetzgebers.

Eines der praktischen Probleme betrifft die Vertretung des substituierenden Arztes. Dieser Bereich war bislang in § 5 BtMVV überhaupt nicht angesprochen, sodass unklar blieb, ob z. B. in einer Gemeinschaftspraxis eine schlichte Vertretung auch dann möglich ist, wenn kein zweiter Arzt über die für die Substitution an sich vorausgesetzte besondere Fachkunde verfügt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BtMVV). Erst recht konnte es schwierig werden in den Fällen, in denen für die Substitution ausnahmsweise auf diese Fachkunde verzichtet wird (§ 5 Abs. 3 BtMVV), weil auch dazu keinerlei rechtliche Vorgaben bestanden. Zwar ist die Anzahl der Ärzte mit suchtmedizinischer Qualifikation seit Einführung dieses Kriteriums ständig gestiegen (2003: 5146; 2007: 6449), doch ist die Versorgungsdichte noch immer sehr unterschiedlich, und im Jahr 2006 hatten 16,1% der substituierenden Ärzte keine spezifische Qualifikation erworben (Bundestags-Drucksache 16/6655 S. 3). Deshalb wurde auch von Politikern eine rechtliche Verbesserung angemahnt (Bundestags-Drucksache 16/6795), die nunmehr vorliegt.

Betrachtet man die Änderungen in § 5 Abs. 3 BtMVV, so wirken sie auf den ersten Blick kompliziert und sprachlich gedrechselt, was u. a. daran liegt, dass die angesprochenen Personen "substituierender", "vertretener" und "vertretender" Arzt genannt werden; zudem wird auch noch ein "anderer" Arzt im Text genannt. Der Sinn der Vorschrift folgt indes dem einmal eingerichteten System: Grundsätzlich muss ein Arzt für die Substitution die besondere Qualifikation nachgewiesen haben. Ein solcher Arzt kann jederzeit als Vertreter in Urlaubs- und Krankheitsfällen einspringen. Das wird in größeren Substitutionspraxen – wie in der Vergangenheit – keine Schwierigkeiten machen. In den eher ländlich geprägten Gegenden sieht das schon anders aus.

Wenn kein qualifizierter Vertreter gefunden wird (d. h. dass er wenigstens gesucht werden muss!), kann auch ein anderer Arzt ohne suchtmedizinische Zusatzqualifikation nach vorheriger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt dessen Vertretung übernehmen. Der Einbindung des Konsiliarius bedarf es zunächst nicht. Allerdings ist der Zeitraum der Vertretung in solchen Fällen auf vier Wochen am Stück und für das Kalenderjahr insgesamt auf zwölf Wochen begrenzt. Unvorhergesehene Änderungen der Therapie darf der Vertreter nicht ohne Abstimmung mit dem behandelnden Arzt vornehmen; notfalls muss er einen suchtmedizinisch qualifizierten Arzt konsiliarisch einbinden.

In allen Notfällen gelten übrigens diese Vertretungsregeln nicht.

Die neue Verordnung bestimmt weiterhin, dass auch der den Vertretungsfall betreffende Schriftwechsel zur Dokumentation nach § 5 Abs. 10 BtMVV gehört.

Substitutionsmedikation für Wochenenden und Feiertage

Drängender noch als das Vertretungsproblem war für die Substitutionspraxis die Schwierigkeit, die Medikation an Wochenenden und Feiertagen aufrecht zu erhalten. Nicht überall und schon gar nicht auf dem Land stehen Apotheken zur Verfügung, die das Mittel unter Aufsicht einnehmen lassen. Die Hilfe von Krankenhäusern und speziellen Suchtambulanzen ist ebenfalls keineswegs flächendeckend und mit zumutbarem Aufwand zu erreichen.

Bei entsprechendem Behandlungsfortschritt darf jetzt der Arzt dem Patienten ein für zwei Tage ausreichendes Rezept mitgeben, das der Patient selbst einlöst. Die eigenverantwortliche Einnahme des Mittels kann dem Patienten gestattet werden, falls Risiken der Eigen- oder Fremdgefährdung "soweit wie möglich ausgeschlossen" sind und mit einer Weitergabe des Mittels an Unberechtigte nicht zu rechnen ist. Das alles setzt aber auch voraus, dass die Kontinuität der Substitution sonst nicht gewährleistet werden kann. Die Verschreibung muss zusätzlich mit dem Buchstaben "Z" gekennzeichnet werden. Damit erweist sich diese Lockerung der an sich strengen Vorschriften auch als Vorstufe zu späteren Take-home-Verschreibungen, die damit besser abgesichert sind, weil sie auf tragfähigerer Grundlage stehen.

Hinsichtlich der Verschreibungen für Auslandsaufenthalte gelten dieselben Regeln wie für Take-home-Verschreibungen; jedoch ist die Notwendigkeit des "begründeten Ausnahmefalles" gestrichen worden.

 

Autor: 

Karl-Rudolf Winkler, 

Leitender Oberstaatsanwalt a. D.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.