Arzneimittel und Therapie

Neuer Therapieansatz mit Octreotid und Everolimus

Mit etwa 1600 Neuerkrankungen pro Jahr zählen neuroendokrine Tumoren zu den eher seltenen Krebserkrankungen, allerdings mit steigender Inzidenz. Im fortgeschrittenen Stadium steht die medikamentöse Therapie im Vordergrund, deren Spektrum durch das Somatostatin-Analogon Octreotid und den mTor-Inhibitor Everolimus erweitert wird. Für beide Substanzen liegen positive Studiendaten vor.

Unter dem Begriff neuroendokrine Tumore (NET) werden unterschiedliche Krebserkrankungen zusammengefasst, die sich in ihrer Lokalisation (pankreatisch und nicht-pankreatisch), Biologie (funktionell aktiv oder inaktiv) und ihrem Krankheitsbild unterscheiden. Sie treten an einer Schnittstelle zwischen dem hormonproduzierenden System und dem Nervensystem auf und sind teilweise hormonell aktiv. Je nach Art der Hormonproduktion unterscheidet man Karzinoide, Gastrinome, Insulinome, Glukagonome und Somatostatinome. Am häufigsten ist das Karzinoid-Syndrom, das durch Diarrhöen und ausgeprägte Flush-Episoden gekennzeichnet ist. Es wird durch einen meist im Magen-Darm-Trakt lokalisierten, serotoninsezernierenden Tumor hervorgerufen. Ein anderes Beispiel ist das Insulinom, das durch eine exzessive Insulinproduktion charakterisiert ist und schwere Hypoglykämien auslösen kann. Eine weitere Einteilung der neuroendokrinen Tumoren erfolgt nach ihrer Dignidität, die von benigne bis hoch maligne reicht.

Die Symptomatik ist oft unspezifisch und in der Regel verstreichen Jahre, bis eine exakte Diagnose gestellt wird. In vielen Fällen ist dann eine kurative operative Entfernung des Tumors nicht mehr möglich. Da neuroendokrine Tumore in der Regel langsam wachsen, ist eine konventionelle Chemotherapie in der Regel nicht erfolgreich und es werden andere Therapieoptionen gesucht. Eine Möglichkeit ist die Gabe von Sandostatin® zur Tumor- und Symptomkontrolle; ein neuer Ansatz ist die zielgerichtete Therapie mit dem mTor-Inhibitor Everolimus. Beide Möglichkeiten wurden in der Promid- und in der RAD001-Studie untersucht.

Promid-Studie

Die Promid-Studie (Placebo-controlled, double-blind, prospective randomized study of the effect of Octreotide LAR in the control of tumor growth in patients with metastatic neuroendocrine midgut tumors) ist eine randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Phase-III-Studie, die den Antitumor-Effekt des Somatostatin-Analogons Octreotid (Sandostatin® LAR® Monatsdepot) bei Patienten mit metastasierten neuroendokrinen Tumoren des Mitteldarms untersuchte. An ihr nahmen 85 Patienten mit nicht operablen oder metastasierten Mitteldarm-Tumoren an insgesamt 18 deutschen Zentren teil. Sie erhielten Octreotid 30 mg i.m. oder ein Placebo alle vier Wochen bis zur Tumorprogression. Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zur Tumorprogression. Sekundäre Endpunkte waren das Tumoransprechen, das biochemische Ansprechen, Symptomkontrolle, Lebensqualität und Therapiesicherheit.

Nach sechs Monaten war unter der Verumtherapie das Risiko der Krankheitsprogression signifikant um 66% (p = 0,000072) gesunken und das progressionsfreie Überleben war signifikant von sechs Monaten unter der Placebogabe auf median 14,3 Monate (p = 0,000072) gestiegen. Außerdem wurde nach sechs Monaten eine Tumorkontrolle (Stable disease und Partialresponse) bei 69% der Patienten in der Verumgruppe vs. 39,5% unter Placebo beobachtet. Eine Stabilisierung der Erkrankung wurde bei 66,7% der Verumgruppe (vs. 37,2% in der Placebogruppe) ermittelt. Dieses Kriterium weist auf die antiproliferative Wirkung des Somatostatin-Analogons hin. Daten zum Gesamtüberleben konnten bislang noch nicht erhoben werden.

Kurzcharakteristika der eingesetzten Wirkstoffe

  • Everolimus (RAD001) ist ein oraler mTOR-Inhibitor. Durch die Hemmung des mTOR-Proteins soll unkontrolliertes Zellwachstum in Tumorzellen beeinträchtigt werden. In Europa wurde die Zulassung des Wirkstoffs für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms beantragt. Everolimus ist unter dem Handelsnamen Certican® bereits für die Prävention einer Organabstoßung bei Herz- und Nierentransplantationen zugelassen.
  • Octreotid ist ein synthetisches Somatostatin-Analogon. Im Vergleich zum nativem Somatostatin weist es eine qualitativ gleichartige pharmakologische Wirkung mit einer wesentlich längeren Wirkdauer auf. Es wird zur Behandlung verschiedener NET (Karzinoide mit den Merkmalen des Karzinoid-Syndroms, VIPome, Glukagonome) und zur Therapie der Akromegalie eingesetzt. Seine Applikation erfolgt entweder als monatliche Depot-Injektion (Sandostatin® LAR® -Monatsdepot) oder dreimal täglich in seiner kurz wirksamen Form (Sandostatin®).

Radiant-Studien

Bei neuroendokrinen Tumoren wird der mTOR-Inhibitor Everolimus derzeit in dem Radiant-Studienprogramm (Radiant = RAD001 in advances neuroendocrine tumors) untersucht. In der Radiant-1-Studie wurde der klinische Nutzen der oralen Therapie mit Everolimus (10 mg/d) nach Versagen einer Chemotherapie bei insgesamt 160 Patienten mit progredienten pankreatischen neuroendokrinen Tumoren geprüft. 45 Patienten erhielten zusätzlich Octreotid. Unter der Monotherapie mit Everolimus wurde ein progressionsfreies Überleben von durchschnittlich 9,3 Monaten erreicht. Bei 77% der Patienten verringerte sich die Tumorgröße oder blieb stabil. Unter der Kombinationstherapie lag die Tumorkontrolle bei 82%, das progressionsfreie Überleben bei 12,9 Monaten.

 

Quelle 

Prof. Dr. Matthias Weber, Mainz; Prof. Dr. Rudolf Arnold, München; Priv.-Doz. Dr. Marianne Pavel, Berlin: Pressegespräch: "Sandostatin® LAR® und RAD001: zwei starke Substanzen in der NET-Therapie", am 26. Februar 2009, München, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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