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Holzklassen-Medizin à la SPD?

Die SPD träumt von einem Sondervertriebsweg für die Pille: die Bundestagsfraktion der sozialdemokratischen Partei brachte bereits einen Änderungsantrag für einen solchen Weg für Kontrazeptiva in die Beratungen zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes ein. Diese Partei, die bei der "Sonntagsfrage" derzeit nur einen Wert von etwa 26 Prozent erreicht, möchte mit diesem populistischen Vorstoß erreichen, dass an Frauen, die sich in besonderen finanziellen Notlagen befinden, bestimmte Schwangerschaftsverhütungsmittel kostenlos oder zu vergünstigten Preisen abgegeben werden können. Wie es in der Begründung zum Antrag heißt, stellt sich die SPD vor, dass Arzneimittel wie die Pille, die Drei-Monatsspritze, Hormonimplantate oder Intrauterinpessare vom Hersteller oder vom Großhandel – an der Apotheke vorbei – an Gesundheitsämter und Beratungsstellen geliefert werden, wo sie dann beispielsweise an Hartz-IV-Empfängerinnen ausgegeben werden. Die Kosten dafür sollen Sozialversicherungsträger übernehmen. Mit dieser Idee sollen vor allem die Kosten für die Distributionsstufe Apotheke eingespart werden. Damit rüttelt dieser Vorstoß massiv an der Apothekenpflicht für diese Präparate. Deshalb wird dieser Vorschlag von der CDU/CSU-Fraktion übrigens nicht mitgetragen. Die Unionsparteien wollen die Apothekenpflicht für diese Präparate nicht umgehen oder aushebeln.

Die SPD dagegen scheint wild entschlossen, an diesem Antrag festzuhalten. Aber warum will man sozial schwachen Frauen einen solchen Vertriebsweg zumuten? ABDA-Präsident Wolf spricht von einem Spießrutenlauf für diese Personengruppe. Da Gesundheitsämter und Beratungsstellen nicht flächendeckend verfügbar und nicht ständig geöffnet sind, müssten sozial schwache Frauen längere Anfahrtswege in Kauf nehmen und Öffnungszeiten der Ämter berücksichtigen. Mit Recht spricht Wolf davon, dass Frauen aus der laufenden Versorgung ausgegrenzt werden. Ganz abgesehen von den logistischen Herausforderungen für solche Pillenabgabestellen: sie müssten mehrere Dutzend unterschiedlicher Kontrazeptiva vorrätig haben und entsprechend lagern. Und was ist mit der Beratung zu Neben- und Wechselwirkungen bei Kontrazeptiva und Hormonpräparaten?

Oder nutzt die SPD diesen Vorstoß nur als Vorwand und Druckmittel gegen die Apotheken und als Einstiegsmodell, höhere Einsparungen und Sonderkonditionen zu erreichen? So soll bereits der Vorschlag laut geworden sein, man könne den Vertriebsweg Apotheke beibehalten, wenn die Apotheker im Gegenzug etwa eine Halbierung des Apothekenhonorars von 8,10 Euro auf etwa 4 Euro bei diesen Präparaten hinnähmen. Vor solchen Spielchen ist dringend zu warnen. Dadurch würde das System unserer Arzneimittelpreisverordnung, der Arzneimittelpreise generell und nicht zuletzt das System der Apothekenpflicht über den Haufen geworfen.

Also, keine Frage: Käme ein solcher Antrag durch und fände er Eingang in die AMG-Novelle, würde dadurch der Vertriebsweg Apotheke aufgeweicht. Man sollte sich vor Augen halten: Die Begehrlichkeiten der Politik sind grenzenlos. Warum sollte man nur die Pille für Hartz-IV-Empfängerinnen an der Apotheke vorbeischleusen? Da könnte der eine oder andere SPD-Politiker auch auf ganz andere Ideen kommen. Warum nicht gleich Sozialapotheken – oder besser gesagt soziale Arzneimittelabgabestellen – für diesen Personenkreis bei Gesundheitsämtern oder Sozialversicherungseinrichtungen installieren? SPD-Politiker aufgepasst! Treiben wir es auf die Spitze: Sollten nicht alle sozial Schwachen (und hoffentlich SPD-Wähler) die Möglichkeit haben, ihre Grundversorgung mit Arzneimitteln ohne Kosten und Gebühren an der Apotheke vorbei bei Gesundheitsämtern oder warum nicht gleich bei SPD-Geschäftsstellen zu decken? Das bisschen Pharmazie, das eine Apotheke leistet, macht doch jede SPD-Geschäftsstelle mit links gleich mit.

Nein, im Ernst: solchen Entwicklungen wie dem SPD-Antrag zur AMG-Novelle muss energisch widersprochen werden. Damit würde eine Aushebelung der Apothekenpflicht einsetzen. Für die Betroffenen wäre es die Einführung einer Drittklass- oder Holzklassen-Medizin, sie dürften nicht an der hochwertigen und sicheren Arzneimittelversorgung durch die öffentliche Apotheke teilnehmen, wie es jeder andere Bürger in diesem Land darf. Ganz abgesehen davon, dass mit solchen abstrusen Vorstellungen kaum Kosten eingespart würden, im Gegenteil: unterm Strich fallen Mehraufwand und Mehrkosten zulasten der Sozialkassen an. Auf diese populistischen SPD-Spielchen dürfen wir uns nicht einlassen!


Peter Ditzel

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