Testkäufe

Apothekentester im Test

Stiftung Warentest, Verbraucherzentralen und Rundfunkmagazine fühlen sich in regelmäßigen Abständen berufen, die Beratung in Apotheken zu testen. Auch wenn wir unsere Leistungen nicht für Tester, sondern für unsere Kunden optimieren wollen, ist es für die Entwicklung von QM-Werkzeugen doch sinnvoll, die Vorgehensweise und Erwartungshaltung solcher Pseudokunden zu kennen. Eine Analyse der im Internet publizierten Testergebnisse der letzten Jahre liefert zum Teil überraschende Resultate.
Jeder Fall von Selbstmedikation ist eine Herausforderung für den Apotheker. Die Beratungsqualität zu testen, ist allerdings auch nicht so einfach.
Foto: Sket

Die vorliegende Arbeit ist die Auswertung von Publikationen über Apothekentests u. a. der Stiftung Warentest, der Zeitschrift "stern " und der Rundfunkmagazine "Wiso" und "Niedersachsen 19.30", die bei Recherchen in der Suchmaschine Google gefunden wurden. Bei den Fragestellungen zeigte sich ein überraschend hoher Anteil von Fragen zu Arzneimittelinteraktionen, die folglich auch in unserer Auswertung den Schwerpunkt bilden. Die von den Testern erwarteten Antworten haben wir mithilfe der amerikanischen Datenbank Drugdex [1] und der Fachinformationen der jeweiligen Arzneimittel hinterfragt.

Stiftung Warentest 2005

Im Februar 2005 testete die Stiftung Warentest neben logistischen Leistungen wie Lieferzeiten zwanzig Beratungshotlines von Versandapotheken und befand die Hälfte davon als mangelhaft (Quelle: www.test.de, test 05/2005). Folgende Fragen wurden gestellt (alle Zitate – Fragen sowie die von den Testern erwarteten Antworten – sind kursiv gesetzt):

1. Eine Testpatientin leidet unter Depressionen. Sie möchte ihre Stimmung mit Johanniskraut aufhellen. Gleichzeitig nimmt sie die Pille. Auskunft vieler Versandapotheken: "Johanniskraut, kein Problem." Falsch. Johanniskraut kann die Wirkung der Pille schwächen. Zwischenblutungen sind möglich. Die Frau könnte ungewollt schwanger werden.

Unser Kommentar: Aus heutiger Sicht ist das einer der Klassiker unter den Interaktionen, aber auch 2005 war die Problematik von Schmierblutungen, die bei Kombination oraler Kontrazeptiva mit dem Enzyminduktor Johanniskraut gehäuft auftraten, bereits in den Fachinformationen erwähnt. Auch dass der beschleunigte Abbau der Sexualhormone in Einzelfällen ungewollte Schwangerschaften zur Folge haben kann, war 2005 bereits unumstritten. Drugdex zitiert sieben Fälle von ungewollten Schwangerschaften in Großbritannien, die in den Jahren 2000 bis 2002 auf die Kombination der "Pille" mit Johanniskraut zurückgeführt wurden [1].

2./3. Siebenmal riefen Testpatienten bei jeder Versandapotheke an. Mit Standardfragen zu Risiken und Nebenwirkungen wie: "Vertragen sich Grippemittel und Betablocker?" oder "Soll Talcid gegen Sodbrennen vor oder nach dem Essen eingenommen werden?". Richtige Antworten: "Talcid nach dem Essen einnehmen. Grippemittel und Betablocker nicht kombinieren: Blutdruck kann steigen."

 

 

 

Unser Kommentar: Es bleibt offen, welches Grippemittel hier mit einem Betablocker kombiniert werden sollte. Cyclooxygenase-Inhibitoren wie ASS oder Ibuprofen können die Wirkung aller Antihypertensiva abschwächen, eine klinische Relevanz erlangt diese Interaktion aber bei kurzfristiger Einnahme, insbesondere während einer Erkältung selten. Drugdex zitiert eine Studie, in der die Einnahme von dreimal täglich 400 mg Ibuprofen nach drei Wochen zu einer Blutdruckerhöhung um durchschnittlich 6 mm Hg führte [1]. Eine engmaschigere Blutdruckkontrolle sollte dennoch empfohlen werden. Paracetamol kommt als Alternative ohne Auswirkung auf den Blutdruck in Betracht.

Bei der Einnahmeempfehlung für Talcid liegt Stiftung Warentest falsch. Der Charme der Antacida liegt in ihrem sofortigen Wirkungseintritt. Sie werden folglich im Bedarfsfall eingenommen, der nach einer Mahlzeit jedoch praktisch nicht eintritt. Nahrung hebt den gastralen pH-Wert für geraume Zeit von ca. 2 auf 4 bis 5,5 an. Reflux tritt in der Regel dann auf, wenn der pH-Wert wieder auf seinen Ausgangswert absinkt, also eine bis mehrere Stunden nach einer Mahlzeit. Die Fachinformation von Talcid empfiehlt infolgedessen die Einnahme zwischen den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen [2].

4. Die Stiftung Warentest orderte etwa Eisen- und Kalziumtabletten. Sie sollten im Abstand von mindestens zwei Stunden eingenommen werden. Eisen und Kalzium behindern sich sonst bei der Aufnahme im Darm. Keine Versandapotheke wies darauf hin.

 

 

 

Unser Kommentar: Drugdex zitiert Arbeiten, nach denen die Verfügbarkeit oraler Eisenpräparate durch Calcium um 30 bis 40% sinkt, in einem Fallbericht sogar um 97%. Die Interaktion scheint zudem von gleichzeitiger Nahrungsaufnahme abhängig zu sein. Auf nüchternen Magen hemmt Calciumcarbonat die Eisenaufnahme nicht, Calciumphosphat dagegen um 62%. Mit Nahrung eingenommen, hemmen alle Calciumverbindungen die Eisenresorption. Drugdex empfiehlt einen Abstand von ein bis zwei Stunden auch für aluminium- und magnesiumhaltige Produkte [1].

5. Ein Tester fragte zum Beispiel am Telefon, ob er neben seinem Antidepressivum Paroxetin zur Stimmungsaufhellung Johanniskraut einnehmen könne. Die Antwort müsste lauten: Nein. Das könne Nebenwirkungen verstärken und zum Beispiel zu Schwitzen, Übelkeit, Durchfall und Zittern führen.

 

Unser Kommentar: Gemeint ist hier ein Serotoninsyndrom, Folge einer Überstimulation durch die additive pharmakodynamische Wirkung zweier serotoninerger Arzneistoffe. Mit einer Reihe anderer Antidepressiva (Substrate von CYP 3A4) kann Johanniskraut auch pharmakokinetisch interagieren. Dies äußert sich darin, dass es etwa eine Woche nach dem Ansetzen des Phytopharmakons zu einer Wirkungsabschwächung des vom Arzt verordneten Antidepressivums kommt. Die Kombination von Johanniskraut mit anderen Psychopharmaka ist daher grundsätzlich problematisch und häufig kontraindiziert [3].

Stiftung Warentest 2008

Im Sommer 2008 suchten Testkäufer der Stiftung Warentest für eine weitere Testreihe 20 Apotheken in Berlin mit folgenden Fragen heim (Quelle: www.test.de):

1. Beispiel: Fosamax gegen Osteoporose und Kalzium-Vitamin-D 3 -Tabletten für die Knochen. Beide Mittel sollten nicht zeitgleich eingenommen werden, weil sie sonst nicht richtig wirken. Fosamax wirkt außerdem nur, wenn es mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen wird. Besser zwei Stunden vorher. Nur vier von 20 Apothekern wiesen im Test auf diese Einnahmeregeln hin. Trotz Nachfrage der Tester.

 

Unser Kommentar: Hauptproblem im Apothekenalltag – allerdings nicht bei konkreten Rückfragen – ist hier wohl die Befürchtung, dem Kunden mit penetrant wiederholten Hinweisen auf das Einnahmeritual der Bisphosphonate (90 Minuten vor dem Frühstück mit Leitungswasser einnehmen, nach der Einnahme nicht wieder hinlegen) auf die Nerven zu gehen. Hier ist zwischen informierter Stammkundschaft und Laufkundschaft mit unklarem Informationsstand zu unterscheiden. Im letzteren Fall ist die Frage angebracht, ob dem Kunden die Einnahmehinweise bekannt sind, die Voraussetzung für die Wirksamkeit sind und ihn vor Nebenwirkungen schützen. Eine schnelle Möglichkeit, die Einnahmehinweise oraler Arzneimittel in kürzester Zeit präsent zu haben, ist eine Tabelle (pdf-Format), die als download auf der Homepage des WIPIG zur Verfügung steht [4].

2. Auch die Kombination des Schmerzmittels Voltaren Dolo 25 mg mit dem Blutdruckmittel Delix wird in vielen Apotheken nicht als kritisch erkannt. Beide Medikamente gehen ohne den richtigen Hinweis über den Ladentisch. Nur sechs Apotheker berieten korrekt: Der Voltaren-Wirkstoff Diclofenac kann bei dauerhafter Einnahme die Wirkung des Blutdrucksenkers Delix mindern. Der Blutdruck sollte deshalb noch häufiger kontrolliert werden.

 

Unser Kommentar: Eine Variante der bereits oben (bei Betablockern und Grippemitteln) diskutierten Frage. Die Erhöhung des Blutdrucks ist in den meisten Fällen von geringer klinischer Relevanz. Neben dem Hinweis auf die engmaschigeren Messungen sollte die Frage nach der Dauer der NSAR-Einnahme gestellt werden.

3. Vier Apotheken patzten auch bei der kritischen Kombination von Marcumar und Johanniskraut. Johanniskraut erhöht das Thromboserisiko, weil es die Wirkung des Blutverdünners Marcumar vermindert.

 

Unser Kommentar: Tückisch an dieser Interaktion ist, dass sie sich oft mit mehreren Tagen Verzögerung bemerkbar macht. Dies ist die Zeitspanne, in der die Leber die Synthese metabolisierender Enzyme ankurbelt, die für den Phenprocoumonabbau verantwortlich sind. Die engmaschige Kontrolle der Gerinnungsparameter darf also nicht nach einer Woche wieder beendet werden, was in der Fachinformation von Marcumar in diesem Zusammenhang nicht explizit erwähnt wird [5]. Bevor man diesen Kontrollaufwand in Kauf nimmt, sollte man die Indikationsstellung hinterfragen bzw. zu einem Arztbesuch und zur Einstellung auf ein anderes Antidepressivum raten.

Es sei angemerkt, dass offenbar 80% (16 von 20) der getesteten Apotheken korrekt vor der Kombination warnten, während diese Trefferquote bei einem im Drogeriemarkt gekauften Johanniskraut-präparat bei 0% liegen dürfte.

Zeitschrift stern

Mit einem Rezept für das verschreibungspflichtige Antidepressivum Saroten besuchten die Tester vom stern sechs Apotheken in Großstädten. Zusätzlich verlangten sie ein Stärkungsmittel für den antriebsarmen Patienten. Gefragt wurde nach alkoholhaltigen Mitteln wie Buerlecithin, Doppelherz oder Activanad N Saft. […] Das bei Depressionen vielfach verschriebene Medikament Saroten darf auf keinen Fall in Zusammenhang mit Alkohol eingenommen werden.

 

 

 

Unser Kommentar: Die Problematik besteht hier darin, dass Tonika mit einem vergleichsweise geringen Alkoholgehalt als harmlos eingestuft wurden. Als die Tester in einer Münchner Apotheke zu Saroten Klosterfrau Melissengeist (Ethanolgehalt: 79%) orderten, wurde sofort richtig auf die Interaktion hingewiesen. Die Fachinformationen von Saroten verbieten jedoch die Kombination mit Alkohol ohne jegliche Mengenbegrenzung [6]. Auch wenn die wenigen Gramm Ethanol, die mit Tonika zugeführt werden, bei den meisten Patienten keine klinisch relevanten Interaktionen mit Trizyklika auslösen würden, darf doch nicht vergessen werden, dass die Reaktion auf Alkohol und damit das Interaktionsrisiko interindividuell hohen Schwankungen unterliegt.

Niedersachsen 19.30 (NDR)

Das TV-Magazin schickte im Sommer und im Dezember 2008 den emeritierten Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Prof. Dr. Jürgen Frölich, in die Apotheken. Die von ihm gestellten Fragen waren uns nur über den Apotheken-Nachrichtenservice apotheke adhoc zugänglich.

1. Gefragt wurde nach dem Antazidum Maaloxan in Kombination mit einem Calciumcitrat-haltigen Produkt, bei dem die Apotheker laut Frölich nach der Nierenfunktion hätten fragen sollen.

 

 

 

Unser Kommentar: Es ist weithin üblich, vor der gleichzeitigen Einnahme aluminiumhaltiger Antacida und Fruchtsäften zu warnen, weil die darin enthaltenen Säuren die Resorption von Aluminium so stark fördern können, dass bei eingeschränkter Nierenfunktion toxische Werte erreicht werden können. Diese Warnung auf citrathaltige Brausetabletten auszudehnen, ist vielfach vernachlässigt worden. Sie ist jedoch Bestandteil der Fachinformationen von aluminiumhaltigen Antacida [2]. Die Aufforderung, einen zeitlichen Abstand einzuhalten, liegt hier allerdings näher als die Frage nach der Nierenfunktion.

2. Im zweiten Fall wurde ASS als Blutverdünner zusammen mit Ibuprofen gekauft; hier hätte vor einer Abschwächung der Blutverdünnung gewarnt werden müssen.

 

Unser Kommentar: Die Beurteilung der klinischen Relevanz dieser Interaktion im Einzelfall ist schwierig. Sie ist auf die Besetzung der Bindungsstellen von ASS an den Thrombozyten durch Ibuprofen zurückzuführen und kann vermieden werden, wenn Ibuprofen mehr als acht Stunden vor oder mehr als 30 Minuten nach ASS eingenommen wird, was allerdings nur für schnell freisetzende ASS-Präparate gilt, nicht für magensaftresistente. In den 2006 publizierten Empfehlungen der amerikanischen FDA wird das Interaktionsrisiko einer gelegentlichen Ibuprofen-Einnahme und von Ibuprofendosen unter 400 mg als minimal eingestuft. Die gleichzeitige Einnahme von ASS und höher dosiertem Ibuprofen über längere Zeiträume erhöht allerdings die Sterblichkeit von Koronarpatienten [7]. Zumindest ist dem Kunden also die Frage nach Menge und Dauer bzw. Häufigkeit der Einnahme von Ibuprofen zu stellen.

3. Für einen TV-Beitrag, über dessen Ausstrahlung der Sender in den kommenden Wochen entscheiden will, verlangte Frölich in den Apotheken das Migränemittel Formigran (Naratriptan). Hier hätten die Apotheker aus Sicht des emeritierten Direktors des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover gleich auf mehrere Wechselwirkungen und Kontraindikationen hinweisen müssen – von Schlaganfall bis koronaren Vasospasmen.

 

Unser Kommentar: Für Triptane gibt es eine Reihe von Kontraindikationen, insbesondere alle ischämischen Gefäßerkrankungen, aber auch Hypertonie, Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Ebenso wichtig wie die Kontraindikationen KHK, pAVK und Schlaganfall (in der Vorgeschichte) ist der Hinweis auf die stark gefäßverengende Wirkung der Kombination von Triptanen und Ergotaminderivaten (z. B. auch Dihydroergotamin oder Methysergid). Viele Migränepatienten haben noch solche älteren Präparate in der Hausapotheke und sollten wissen, dass sie Formigran nicht nehmen dürfen, wenn sie im gleichen Zeitraum (innerhalb von 24 Stunden) Ergotamin(derivat)-haltige Tabletten oder Zäpfchen eingesetzt haben. Grundsätzlich ist bei Triptanen die Frage nach anderen Arzneimitteln angebracht, auch z. B. wegen des Risikos eines Serotoninsyndroms mit SSRI [8].

Weitere Tester

Viele Apothekentests der letzten Jahre bezogen sich auf Ernährung oder Nahrungsergänzung. Bei älteren Kunden (Testkäufern der Verbraucherzentrale Bremen, 2005), die sich nach Multivitaminpräparaten erkundigten, hätte nach ihren Ernährungsgewohnheiten gefragt werden müssen – mit dem Ergebnis, dass die Nahrungsergänzungen überflüssig sind. Diese Fragestellung zielt darauf ab, den Apotheker in Konflikt zwischen Beratungspflicht und Gewinnstreben zu bringen. Der Test wäre in den Augen der Verbraucherzentrale dann bestanden worden, wenn der Kunde nach einem viertelstündigen Gespräch die Apotheke ohne Einkauf wieder verlassen hätte. Unserer Meinung nach ist es grundsätzlich legitim, dergleichen zu fordern – wenn man vorher das Honorierungssystem für Pharmazeuten völlig neu geregelt hat.

In Österreich erregte im Frühjahr 2006 ein Apothekentest des Vereins für Konsumenteninformation Aufsehen, bei dem eine übergewichtige Person je 30 Apotheken in Wien Schlankheitspräparate nachfragte. Sie hätte nach ihren Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten befragt werden müssen, was kaum geschah. Dagegen schnitten die Apotheken bei Reiseberatung (dreimonatige Individualreise nach Tansania, allein wegen der Malariaprophylaxe ist ein Arztbesuch unvermeidlich) und beim Fall eines fiebernden Kindes relativ gut ab.

Ebenfalls gut beraten fühlten sich die Testkäufer des TV-Magazins Quivive (Radio Berlin Brandenburg), als sie Anfang 2009 in 17 Berliner Apotheken mit versteckter Kamera Hustenmittel kauften. Das Spektrum der abgegebenen Präparate wurde als überraschend groß beurteilt, die Problematik der Indikationen hinsichtlich Schleimlösung oder Hustenstillung war jedoch offenbar gut herausgearbeitet worden. Nur auf den Alkoholgehalt wurde wieder nicht hingewiesen.

Schlussfolgerungen und Kritik

Die Beurteilung von Stärken und Schwächen deutscher Apotheken aufgrund der Aktionen externer Tester ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Tests sind Momentaufnahmen, die Stichproben sind klein und die Methoden lassen jede Standardisierung vermissen, denn sie sind nicht als Werkzeug des Qualitätsmanagements konzipiert. Ihre Zielgruppe ist die Öffentlichkeit, das Ergebnis muss als Nachricht "verkauft" werden. Wer den Journalismus von heute kennt, weiß: Only bad news are good news. Folglich besteht eine Tendenz, die Aktion so anzulegen, dass eine fundierte Beratung möglichst unterbleibt.

Das krasseste Beispiel ist hier vermutlich der Einsatz des klinischen Pharmakologen Professor Frölich für den NDR. Apotheke adhoc bescheinigte seinen Fernsehauftritten ein "Gschmäckle" (auf hochdeutsch: einen üblen Beigeschmack), einerseits wegen seiner Testmethoden, die das Apothekenpersonal möglicherweise von einer vermeintlich penetranten Beratung abhielten (man legt ja ein professorales Auftreten nicht durch die Emeritierung ab), andererseits wegen dessen vertriebs- und berufspolitischer Hintergründe. Mehr dazu im Kasten "Apothekentests und Berufspolitik".

Dennoch sind wir der Meinung, dass aus den Apothekentests etwas gelernt werden kann:

  • Die getesteten Apotheken schnitten tendenziell besser ab, wenn sie mit einer klassischen Indikation für die Selbstmedikation (z. B. Husten, fieberndes Kind) und einem für Empfehlungen offenen Patienten konfrontiert waren. Dies deutet darauf hin, dass die meisten Apotheken gut auf diese Beratungen vorbereitet sind, indikationsbezogen ihr individuelles Spektrum an Arzneimitteln haben und über diese Präparate gut Bescheid wissen.
  • Problematisch sind Ernährungsfragen, insbesondere wenn die Tester statt eines Verkaufs eine kostenlose Ernährungsberatung erwarten. Die Markteinführung des beratungsintensiven und erst ab 18 Jahren und einem BMI über 28 zugelassenen Abmagerungsmittels alli® 60 mg (Orlistat) bietet den Testern übrigens wieder einen schönen Anlass für eine Aktion. Erwarten Sie schlanke Minderjährige!
  • Erkennbare Beratungslücken offenbarten sich bei Interaktionen, insbesondere mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, und bei Einnahmehinweisen (die ebenfalls als Interaktionen, nämlich mit der Nahrung, interpretiert werden können). Hier stellt sich die Frage, was zur Qualitätsverbesserung unternommen werden kann. Eine vordringliche Maßnahme ist sicher die konsequente Schulung des Personals hinsichtlich der Nutzung von Quellen, die auf jedem Rechner in der Offizin verfügbar sein müssen, allen voran die ABDA-Datenbank. Zudem müssen Dateien auf dem Bildschirm am HV-Tisch zur Verfügung stehen und während des Beratungsgesprächs mit einem Mausklick aufrufbar sein, sodass deren Inhalte ins Beratungsgespräch einfließen, ohne dass die Recherche für den Kunden sichtbar ist. Solche Inhalte können durchaus auch apothekenindividuell gestaltet werden und z. B. alle relevanten Daten zu den in der jeweiligen Apotheke bevorzugt abgegebenen Selbstmedikationsarzneimitteln abbilden. Eine Windows-Oberfläche bietet diese Möglichkeit ohne großen Programmieraufwand.

 

Literatur

 [1] Drugdex, Thomson Micromedex; Vertrieb: Wiss. Verlagsges. Stuttgart. 

[2] Fachinformation Talcid, Bayer Vital GmbH. 

[3] Fachinformation Jarsin, cassella-med GmbH & Co KG. 

[4] WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen; www.wipig.de

[5] Fachinformation Marcumar, Meda Pharma GmbH & Co KG. 

[6] Fachinformation Saroten Tabs 50 mg, Bayer Vital GmbH. 

[7] MacDonald TM, Wei L. Effect of ibuprofen on cardioprotective effect of aspirin. Lancet 2003;361:573 – 574. 

[6] Fachinformation Formigran, GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co KG. 

 

 

Autoren: 

Dr. Markus Zieglmeier, Olching 

m_zieglmeier@web.de

Claudia Goller, Starnberg

claudia.goller@gmx.net

 

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