Interpharm 2009

Schmerzen im Alter – ein unterschätztes Problem?

Wie sich die Bevölkerungsstruktur in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, ist vielfach prognostiziert worden. "Dennoch haben wir noch zu wenige Konzepte zur sozialen und gesundheitlichen Versorgung der älteren Menschen in der Zukunft", konstatierte Dr. Thomas Brabant, Bremen.
Dr. Thomas Brabant

Vor allem Schmerzen sind ein relevantes Gesundheitsproblem im höheren Lebensalter, dem man sich stellen muss. Denn obwohl für viele ältere Patienten Schmerzen allgegenwärtig sind, ist deren Behandlung oft nur unzureichend, was verschiedene Ursachen hat. Dazu zählt, dass ältere Patienten ihre Schmerzen sehr unterschiedlich zum Ausdruck bringen, was letztendlich auch das Erkennen des Schmerzpatienten als solchen erschwert. Viele Ältere haben nicht den Mut, über ihre Schmerzen zu sprechen, da sie diese als natürliche Konsequenz des Alterns, als Schwäche oder sogar als "Sühne" für vergangene Taten deuten, nach dem Motto: "Ein guter Mensch klagt nicht über Schmerzen."

Ängste spielen große Rolle

Andererseits werden Schmerzen auch manchmal in den Vordergrund gestellt, beispielsweise um von Familienangehörigen mehr Zuwendung zu erlangen. Auch Ängste spielen eine Rolle: Angst vor Arztbesuchen, vor Krankenhausaufenthalt, vor den Nebenwirkungen einer Therapie oder vor Abhängigkeit.

Ein weiterer Faktor im Umgang mit Schmerzen, der bedacht werden muss, ist die im höheren Lebensalter veränderte Sensibilität gegenüber dem Schmerzreiz. Viele ältere Menschen konzentrieren sich sehr ausgiebig auf den eigenen Körperzustand, weil ihnen Ablenkungsmöglichkeiten im Alltag, die sie früher noch hatten, nun fehlen: die berufliche Tätigkeit, vielfältige soziale Kontakte und Aktivitäten.

Probleme beim NSAR-Einsatz

Gegen chronische Schmerzen im Bewegungsapparat werden heute überwiegend nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) verordnet. Ob diese Therapie im Einzelfall sinnvoll ist, muss ärztlicherseits genau abgewogen werden, denn das Risiko für schwere gastrointestinale Komplikationen steigt im höheren Lebensalter stark an. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Patienten über 70 aufgrund ihrer eingeschränkten Sensorik vor einer gastrointestinalen Komplikation wie beispielsweise einer Ulcusblutung kaum Symptome bemerken und deshalb auch nicht den Arzt aufsuchen.

Es wird daher empfohlen, bei der Therapie von chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates im höheren Lebensalter eine individuelle Risiko-Stratifizierung vorzunehmen, in die auch das kardiovaskuläre Risiko eingeht. Kernpunkt entsprechender Therapieempfehlungen ist die Anwendung der niedrigst möglichen Dosis und der kürzest möglichen Therapiedauer. Patienten ohne kardiovaskuläres und gastrointestinales Risiko kann eine NSAR-Einnahme empfohlen werden. Besteht ein kardiovaskuläres Risiko (z. B. wegen einer Bypass-OP oder einem Myokardinfarkt in der Anamnese) wird diesen Patienten zusätzlich niedrigdosierte Acetylsalicylsäure (ASS) verordnet. Besteht kein kardiovaskuläres, jedoch ein gastrointestinales Risiko, empfiehlt sich – unter Beachtung der Kontraindikationen – die Verordnung eines Coxibs oder einer Kombination aus traditionellem NSAR und Protonenpumpenhemmer (PPI). Bei Patienten, bei denen sowohl ein kardiovaskuläres als auch ein gastrointestinales Risiko vorliegt, muss in jedem Fall mit einem Protonenpumpenhemmer kombiniert und zusätzlich niedrigdosierte ASS verordnet werden.

Compliance bei Protonenpumpenhemmern zu gering

Wie Brabant weiter ausführte, nimmt jedoch bei vielen Patienten die Compliance, Protonenpumpenhemmer einzunehmen, mit der Zeit ab, parallel dazu steigt das gastrointestinale Risiko an. Eine Untersuchung hat ergeben, dass für eine signifikante Reduktion des GI-Risikos eine PPI-Compliance von ≥ 80% notwendig ist. Nach Brabants Erfahrung verordnen jedoch auch Ärzte die Protonenpumpenhemmer selten so lange, wie es zum Schutz vor gastrointestinalen Komplikationen notwendig wäre – nach vier bis sechs Wochen nimmt die Verordnungshäufigkeit rapide ab.

Alternative Therapien bei Kniegelenkarthrose

Zu den alternativen Therapiemöglichkeiten bei Kniegelenkarthrose (Gonarthrose) zählen Hyaluronsäure und Glucosamin. Es hat sich gezeigt, dass sich bei leichter bis moderater Ausprägung der Erkrankung mit Hyaluronsäure gute Behandlungserfolge erzielen lassen. "Bei schwerer Gonarthose lässt sich damit jedoch nichts ausrichten", erläuterte Brabant.

Zum Einsatz von Glucosamin bei Arthrose gibt es nach seiner Aussage zwar viele Studien, jedoch meist von schlechter Qualität und mit nur kleinen Patientenzahlen. Eine eindeutige Wirksamkeit konnte bisher in diesen Studien nicht gezeigt werden, wenngleich einige Patienten eine Schmerzreduktion über den Placeboeffekt hinaus berichtet hatten.

Osteoporosepatienten unzureichend behandelt

Die Behandlung der Osteoporose stützt sich auf die drei Säulen Bewegung/körperliche Aktivität, Ernährung/Lebensstil und medikamentöse Therapie, die gleichwertig ineinandergreifen müssen (siehe Abb.). Erhebungen zufolge sind jedoch derzeit nur etwa 23% der Osteoporose-patienten in Deutschland medikamentös versorgt, eine Therapie mit Bisphosphonaten erhalten nur 10% von ihnen. Der Einsatz von Bisphosphonaten wird jedoch oft schon nach einem Jahr wieder beendet, wenn die Knochendichte auf akzeptable Werte angestiegen ist. "Die Compliance des Patienten, aber auch die des Arztes, ist hier wichtig", bemerkte Brabant.

Er wies auch darauf hin, das die Calciumsupplementation, die zur Osteoporoseprophylaxe propagiert wird, heute differenziert betrachtet werden muss. Die Gesamt-Calciumaufnahme (Nahrung plus Supplemente) sollte 2200 mg pro Tag nicht überschreiten da es Studiendaten gibt, die auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter Calciumsupplementation berichten. Patienten, die viele Milchprodukte zu sich nehmen, müssen daher nicht unbedingt zusätzlich Calcium supplementieren.


cb

Dreiklang der Therapie Alle drei Säulen der Osteoporosetherapie müssen gleichwertig ineinandergreifen.

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