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Wo bleibt die Einsicht?

Mein lieber Schwanitz, wo bleibt die Einsicht? – das hätten so manche Apothekerinnen und Apotheker dem Parlamentarischen Staatssekretär Rolf Schwanitz vom Bundesgesundheitsministerium nach der Diskussionsrunde auf der Interpharm am vergangenen Wochenende gerne zugerufen. "Der weiße Tisch", an dem die beiden Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, Klaus G. Brauer und Christian Rotta, mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Rolf Schwanitz arzneimittel- und apothekenpolitische Streitfragen diskutierten, war nach der Diskussionsrunde nicht mehr ganz blütenweiß. Der Grund: Für Schwanitz ist der Versandhandel mit Arzneimitteln eingeführt und "ausgeurteilt". Wer glaube, dass es in der Regierungskoalition eine Mehrheit für das Verbot des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Arzneimittel gebe, unterliege einer "völligen politischen Fehleinschätzung", so der Staatssekretär. Nach Schwanitz hat die Bundesregierung den Versandhandel bewusst eingeführt, also nicht aus vorauseilendem Gehorsam zum Europäischen Gerichtshof, wie es immer wieder heißt. Man wollte den älteren und chronisch kranken Menschen, die, so Schwanitz, "nur noch begrenzt durch öffentliche Apotheken versorgt werden können", eine bequeme Möglichkeit geben, an Arzneimittel zu kommen. Argumente, dass diese Aufgabe eine niedergelassene Apotheke durch Botendienste und Home-Service viel schneller und besser erledigen könne (und erledigt!), ließ Schwanitz an sich abperlen. Auch der Bundesrat wird den Versandhandel nicht zurückschrauben können, so Schwanitz: Man werde peinlichst darauf achten, dass das Gesetzesvorhaben der Länder nicht zustimmungspflichtig durch den Bundesrat sei. Man kann es mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen, warum das Bundesgesundheitsministerium bis heute so hartnäckig und kompromisslos am Versandhandel mit Arzneimitteln festhält.

Unnachgiebig die Haltung von Schwanitz auch bei Pick-up-Stellen für Arzneimittel. Immerhin räumte der Staatssekretär hier ein, dass man diese Auswüchse bei der Zulassung des Versandhandels so nicht gesehen habe. Aber, da sie nun schon mal da seien und gerichtlich bestätigt worden seien, könne man sie nicht mehr verbieten, sondern wolle stattdessen Pick-up-Qualitätsgesichtspunkte definieren. Im Klartext: Die Bundesregierung akzeptiert die Arzneimittelaushändigung bei dm, Schlecker und Co. Und will nichts tun, um sie abzuschaffen. Die Gefahr, dass so eine "Apotheke light" entsteht, sieht Schwanitz nicht: das sei bloße "Kampfrhetorik". Die Drogeriediscounter, die fast täglich neue Pick-up-points für Arzneimittel einrichten, lachen sich ins Fäustchen. Sie werden nicht locker lassen, bis sie auch das OTC-Sortiment in ihren Regalen stehen haben.

Immerhin positiv: Auf der Interpharm bekräftigte Schwanitz noch einmal die Haltung von Bundesregierung und Bundesgesundheitsministerium, das in Deutschland geltende Fremdbesitzverbot bei Apotheken mit allen politischen und rechtlichen Mitteln zu verteidigen. Auch beim Mehrbesitz strebe man keine Änderungen an.

Auf die geplante Novellierung der Apothekenbetriebsordnung angesprochen, gab Schwanitz zu erkennen, dass nur behutsame Änderungen geplant seien. In Rede stehen neue Regelungen zur Verblisterung, zur Beratung in der Apotheke, möglicherweise auch zum Versandhandel und zu Pick-up-Stellen.

Entwarnung gab Schwanitz schließlich in der Frage zur Apothekerhonorierung und zum Kassenzwangsrabatt. Sein Ministerium werde sich hier nicht einmischen. Die Beteiligten, also Kassen und Apotheker, sollten die Höhe des Kassenrabatts selbst regeln.

Trotz dieser sanfteren Töne – einige Flecken auf dem weißen Tisch bleiben. So erfreulich das klare Nein von Schwanitz zum apothekenrechtlichen Fremdbesitz war, so unverständlich ist sein Ja zum ungehemmten Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln und zur Etablierung von Arzneimittelabholstellen in Drogeriemärkten und anderswo. Wer die Gefahren, die von Pick-up-Stellen ausgehen, verharmlost, spielt in Sachen Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz ein gefährliches Spiel. Eine "Apotheke light" darf es nicht geben.


Peter Ditzel

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