Feuilleton

Rund ums (Oster-) Ei

In Oschatz und in Schleife werden in Sonderausstellungen Eier als österliche Kleinkunstträger, Kultobjekte und Amulette aus der Sammlung des Leipziger Völkerkundlers Erhard Schwerin gezeigt.
"Floh-Ei" aus Ecuador Solche aus den Schalen einer Tagua (Samen der Steinnuss­palme, Phytelephas macrocarpa) gefertigten, hohlen "Eier" dienen in Ecuador als Flohfallen: Sie werden mit einem blutgetränkten Köder gefüllt. Durch winzige, in Ornamenten angeordnete Löcher wandern die lästigen Insekten hinein zu der Nahrungsquelle. Wenn sie sich mit Blut vollgesogen haben, können sie die Falle nicht mehr verlassen.
Fotos: Reinhard Wylegalla

Schwerin ist Konservator am Museum für Völkerkunde Leipzig und hat sich Anfang der 90er Jahre auf das Sammeln von Eiern kapriziert. Auf Reisen fahndet er nach eiförmigen Kleinkunstträgern und Kultobjekten. Auch besucht er in der Vorosterzeit Eiermärkte in Hamburg, Nürnberg, Berlin, Dresden und anderswo. Mittlerweile hat er knapp 3000 Objekte zusammengetragen, die interessante Einblicke in Sitten und Bräuche verschiedener Kulturen gewähren.

Regionale Vielfalt

Aus dem slawischen Raum verbreitete sich der Brauch, zum Osterfest Eier zu verzieren, einst bis nach Mitteleuropa. In der Slowakei beispielsweise werden Eier in Batiktechnik mit Linienornamenten dekoriert. Auch wird dort das Sonnenmotiv in mannigfaltigen Variationen mit Bändern kombiniert. Dominierende Farben sind Rot, Schwarz und Gelb.

In Böhmen und Mähren wiederum werden aus dunkel gefärbten Eiern florale Muster herausgekratzt. Darüber hinaus verzieren mährische "Künstler" die Eier gern mit geometrischen Strohapplikationen. Auch in Polen hat die künstlerische Gestaltung von Eiern eine lange Tradition. Werden im südlichen und südwestlichen Teil des Landes die Objekte überwiegend in Kratz- und Batiktechnik verziert, so sind im Osten Weidenkätzchen ein populäres Motiv. In Zentralpolen werden Eier mit stilisierten floralen Dekoren versehen und in Ostpreußen, Pommern und Schlesien entdecken Sammler sogar Objekte mit Städteansichten.

Auch in Deutschland haben sich regional sehr unterschiedliche Techniken und Motive entwickelt. In Hessen beispielsweise teilt eine Mittelbanderole mit Sprüchen und Glückssymbolen das Ei in zwei Schauseiten. Weiße Bauernhausschmuckmotive zeichnen Ostereier aus dem Wendland aus und in Salzwedel werden die Symbole des Lebens mit gepressten Blumen und Gräsern beklebt. Die Gestaltung sächsischer Ostereier wird häufig durch das Töpferhandwerk inspiriert: Bürgelmuster und Bunzlauer Dekor werden hier ebenso angewandt wie Motive aus der Meißener Porzellanmanufaktur.

Unabhängig vom Osterfest entwickelte sich im ungarischen Schmiedehandwerk der Brauch, Eier zu beschlagen oder zu benageln. Mit ihren fragilen Kunstwerken beweisen heiratswillige Handwerker den Umworbenen, dass sie nicht nur mit dem Hammer, sondern auch mit "zarten Geschöpfen" virtuos umgehen können.

Quelle des Lebens

Als Quelle des Lebens hat das Ei aber auch in zahlreichen anderen Kulturkreisen symbolhafte Bedeutung. In Peru zum Beispiel wurde mit der Christianisierung der Schöpfungsmythos auf die Weihnachtsbotschaft übertragen. Gips, Ton, Stein und Teig, zuweilen aber auch Natureier sind hier das Material für Krippenszenen in einer schützenden "Eihülle".

Nach hinduistischer Überlieferung entstand das Universum aus einem goldenen Ei, das der göttliche Vogel Garuda in grauer Vorzeit auf das Urwasser legte. Dieser Mythos wird dargestellt in einem Welten-Ei. Es wurde aus Speckstein als "Rankenkäfig" geschnitzt, in dessen Innerem sich der Göttervogel befindet.

Im Reich der Mitte ist es Tradition, ein Ei vom Dekolleté der Braut in ihren Schoß rollen zu lassen. Anschließend wird es an die Hochzeitsgäste weitergereicht. Auch in Nordeuropa lässt man zuweilen beim Flirten Eier sprechen. Seit dem 17. Jahrhundert beschenkten gutsituierte Adelige und Bürger – wohl nicht nur zu Ostern – ihre Angebeteten mit "Überraschungseiern" aus edlen Materialien und nicht minder kostbarem Inhalt. Der wohl prominenteste Hersteller solcher "Liebesgaben" war der russische Hofjuwelier Fabergé.

Aborigines und Makonde: Eier für Touristen

Die australischen Aborigines stellen auf Emu- oder Holz-Eiern Naturereignisse und Alltagsszenen dar. Sie benutzen abstrakt gemalte Dekore mit Engerlingen und Ameisen inmitten blühender Pflanzenpolster wie Landkarten als Orientierungshilfe beim Nahrungsammeln. Eine Szene mit einem Salzwasserkrokodil, das gerade einen Weg zum Lagerplatz kreuzt, soll möglicherweise als Warnung verstanden werden. In den magisch-religiösen Bräuchen der Ureinwohner Australiens spielte das Ei allerdings keine Rolle. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich hier der Brauch, Eier mit traditionellen Symbolen zu bemalen und an Touristen zu verkaufen.

Durch den Kontakt mit Reisenden hat sich auch bei den Makonde in Kenia mittlerweile eine "Eier-Industrie" entwickelt. So werden aus Speckstein eiförmige Fruchtbarkeitssymbole gefertigt und mit Tieren bemalt.

Amulett gegen Krankheit und Tod

In manchen Kulturen sollten Eier als Keimzellen des Lebens auch Krankheit und Tod abwehren. So entdeckte Erhard Schwerin in einem marokkanischen Berberdorf Hühnereier und Stachelschweinborsten, die mit Kuhdung an eine Mauer geklebt worden waren. Um nicht in den Verdacht des Aberglaubens zu geraten, wollten die Einheimischen den Grund zunächst nicht preisgeben. Durch behutsame Recherchen fand der Sammler aber schließlich heraus, dass Eier und Stachelschweinborsten Unglück von den Hausbewohnern fernhalten sollten. Die "Replik" eines solchen Amuletts ist gegenwärtig in Oschatz zu sehen.


Reinhard Wylegalla

Museen

Stadt- und Waagenmuseum Oschatz

Frongasse 1, 04758 Oschatz
Tel. (0 34 35) 92 02 85
Geöffnet: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag 14 bis 17 Uhr; Ausstellung "Ei, Ei … Rund um‘s Ei" bis 3. Mai
Sorbisches Kulturzentrum Schleife

Friedensstr. 65, 02959 Schleife
Tel. (03 57 73) 7 72 30
Geöffnet: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag 13 bis 17 Uhr
Ostereier-Ausstellung bis 26. April; Sorbischer Ostereiermarkt am 29. März
Welten-Ei aus Indien mit dem Vogel Garuda im Innern.
Emu-Ei aus Australien Ein Salzwasserkrokodil kreuzt den Weg der Sammler.
Hühnereier und Stachelschweinborsten Replik eines marokkanischen Amuletts an einer Hausmauer.
Ungarische Schmiedekunst In Eisen gefasstes und mit Miniaturgegenständen benageltes Hühnerei.
Weihnachts-Ei aus Peru Die heilige Familie im Stall von Bethlehem.

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