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Das größte Übel sind dispensierende Ärzte

TRIER (diz). Einen kritischen Blick warf Dr. Max Brentano, ehemals Präsident des Schweizerischen Apothekerverbands, in seinem Vortrag auf dem Rheinland-Pfälzischen Apothekertag auf das Apothekensystem seines Landes. Nebeneinander existieren dort Ketten, Kooperationen und die inhabergeführte Einzelapotheke. Der Versandhandel ist verboten, aber es gibt Ausnahmen für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Positiv: Der Apotheker in der Schweiz wird für bestimmte Dienstleistungen gesondert honoriert. Das größte Übel im Alpenland: das Dispensierrecht der Ärzte.
Dr. Max Brentano: Bauen Sie einen Schutzwall gegen die Schweiz auf!
Foto: DAZ/Sket

Die Veranstalter des Rheinland-Pfälzischen Apothekertags, der am 21. und 22. März 2009 in Trier stattfand, boten mit Brentanos Vortrag eine gute Grundlage für die Diskussion darüber, wohin der Apothekerberuf in Deutschland steuern soll. Zum Glück steht ein Dispensierrecht für Ärzte in Deutschland nicht zur Disposition. Für den Schweizer Apotheker ist dies eines der größten Übel, wie der Vortrag zeigte. Wenn der Arzt selbst Arzneimittel in seiner Praxis abgibt, so tritt er damit in unmittelbare Konkurrenz zum Apotheker. In der inneren Schweiz, dort, wo es sehr viele selbst dispensierende Ärzte gibt, gibt es immer weniger Apotheken. Mitunter kommt dort nur noch eine Apotheke auf 20.000 Einwohner. Für den Patienten bedeutet das nicht immer die beste Versorgung, die flächendeckende Versorgung ist da nicht mehr gegeben. Außerdem steht der Arzt unter dem Druck seines Warenlagers: Wenn das Verfalldatum der Arzneimittel abzulaufen droht, werden häufiger Arzneimittel abgegeben: "Die Ware muss sich drehen", so Brentano. "Das ärztliche Dispensierrecht ist ein Mittel für die Bereicherung der Ärzte", fügte er hinzu.

Mit Sorge sieht Brentano, dass die Regierung jetzt die Labortarife der Ärzte absenken und im Gegenzug den Ärzten vermehrt das Dispensierrecht erteilen will, damit sie ihre Ertragsverluste kompensieren können.

Honorarbildung

Seinen Abgabepreis kann der Hersteller in der Schweiz frei festsetzen. Auf diesen Preis erhält die Apotheke einen Fixzuschlag, aus dem Personal, Miete etc. bezahlt werden können. Außerdem bekommt die Apotheke noch einen Kapitalzuschlag von 12 bis 15 Prozent, von dem allerdings auch der Großhandel bezahlt werden muss. Der Großhandel selbst erhält keine Marge, er wird von der Apotheke bezahlt.

In der Schweiz gelten für Arzneimittel staatlich festgelegte Höchstpreise für die Arzneimittel, die der Positivliste unterliegen. Alle anderen Arzneimittel können frei kalkuliert werden. Dabei achtet der Staat mittels Wettbewerbsrecht darauf, dass die Schweizer Apotheken unterschiedliche Preise festsetzen; Preisabsprachen sind nicht erlaubt. Daneben erhält der Apotheker noch Sondervergütungen für Dienstleistungen (Tab. 1). Für den Einsatz im Notdienst darf er beispielsweise 16 Franken verlangen.

Tab. 1: Tarife für pharmazeutische Leistungen

Taxpunktwert = Fr. 1,08
Grundleistungen
Medikamenten-Check
4 Taxpunkte
Bezugs-Check
3 Taxpunkte
Einzelleistungen
Notfalldienst
16 Taxpunkte
Einnahme in der Apotheke
10 Taxpunkte
Methadonabgabe
Fr. 310 pro Monat
Substitution
40 Prozent der Preisdifferenz
Wochen-Dosiersystem
20 Taxpunkte
Polymediaktions-Check
45 Taxpunkte
Leitung Qualitätszirkel
Mehrere tausend Franken

Die meisten der rund 1700 Apotheken der Schweiz haben sich Gruppierungen angeschlossen (43 Prozent). Ungebunden und vollkommen selbstständig arbeiten etwa 31 Prozent der Apotheken. 25 Prozent sind in der Hand von Ketten (Tab. 2). Die größten Apothekenketten in der Schweiz befinden sich in Großhandelshand (Tab. 3).

Tab. 2: Apothekentypen in der Schweiz

Stand 2008
Apothekentyp
Anzahl Apotheken
Ungebundene Apotheken
531 (31 %)
Apotheken in Gruppierungen
731 (43 %)
Apotheken in Ketten
438 (25 %)
Versandapotheken
3 (1 %)
Apotheken total
1703 (100 %)

Tab. 3: Apothekenketten 2008

(mehr als 5 Apotheken pro Eigentümer)
Apothekenketten
Anzahl Apotheken
Amavita (Großhandel)
132
Sun Store (Großhandel)
97
Groupe Capitole (Großhandel)
71
Dr. Bähler (Apotheker)
40
Coop Vitality (Handelskette)
35
Pharmacies Populaires (Kassen)
21
Topwell (Kassen)
20
Group Pill (Apotheker)
15
Pharmacie Principale (Apotheker)
7
gesamt
438

Versandhandel verboten, aber…

In der Schweiz ist der Versandhandel mit Arzneimitteln verboten. Eine Ausnahme existiert jedoch bei vom Arzt verordneten Arzneimitteln. Der Patient darf sein Rezept an eine der drei Versandapotheken schicken. Der Versand von OTC-Arzneimitteln ist jedoch nicht erlaubt. Denn, so die Philosophie dahinter: Der Patient muss von einer Medizinalperson (Arzt oder Apotheker) beim Arzneimittelerwerb beraten werden. Beim Bezug von OTC-Arzneimitteln auf dem Weg des Versandhandels wäre eine direkte Beratung nicht möglich, daher ist der OTC-Versand in der Schweiz verboten.

Forciert wird der Versandhandel dadurch, dass Krankenkassen ihren Patienten nahelegen, ihre Rezepte bei der Versandapotheke einzureichen. Krankenkassen erhalten dafür einen Rabatt vom Versandhändler. Ebenso bekommen Ärzte von den Versandapotheken pro Rezeptzeile bis zu 5 Franken "Kick-back", wenn sie die Rezepte der Patienten an Versandapotheken weiterleiten – insbesondere eine zusätzliche Einnahmequelle für Ärzte, die nicht das Dispensierrecht haben.

Dennoch, die Schweizer Apotheker lassen sich nicht entmutigen. Sie verstärken ihre qualitätsverbessernden Anstrengungen (QMS), bauen Qualitätszirkel auf und bemühen sich um innovative Leistungen. Neu ist, dass Apotheker in einem bestimmten Rahmen Wiederholungsrezepte für Patienten mit Dauermedikation ausstellen dürfen. Brentanos Fazit: Auch wenn vieles nicht bequem für Apotheken in der Schweiz ist, "Apotheker sind auch bei uns gefragt, beliebt – und meistens erfolgreich."

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