Arzneimittel und Therapie

Perioperative Betablockade birgt Risiken

Der perioperative Einsatz von Metoprolol bei kardiovaskulären Risikopatienten, die sich einer nicht-kardialen Operation unterziehen, ist nicht unproblematisch: Einer großen kanadischen Studie zufolge steht der Senkung der Myokardrate eine erhöhten Rate der Gesamtmortalität und einer Zunahme an Schlaganfällen gegenüber.
Bei nicht-kardialen Operationen konnte zwar durch die Gabe des Betablockers die Rate der Herzinfarkte gesenkt werden, gleichzeitig stieg aber die Zahl der Todesfälle um etwa 33% an und die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, verdoppelte sich.
Foto: Aktion Meditech

Kardiovaskuläre Risikopatienten haben bei nicht-kardialen Operationen ein erhöhtes Risiko für peri- oder postoperative kardiale Ereignisse, da im Rahmen des chirurgischen Eingriffs vermehrt blutdrucksteigernde Katecholamine ausgeschüttet werden. Daher hofft man, durch die blutdruck- und herzfrequenzsenkende Wirkung eines Betablockers einen protektiven Effekt zu erzielen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wurde in einer großen kanadischen Studie, der Poise-Studie (perioperative ischemic evaluation trial) untersucht.

Studie mit KHK-Risikopatienten

An der multizentrischen, randomisierten und placebokontrollierten Studie nahmen 8351 Patienten (medianes Alter 69 Jahre) teil, die sich einem nicht-kardialen chirurgischen Eingriff unterziehen mussten. Die Probanden hatten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, da bei ihnen innerhalb der letzten drei Jahre eine Atherosklerose, eine periphere vaskuläre Erkrankung, ein Schlaganfall oder eine Herzinsuffizienz diagnostiziert worden war oder ein Gefäßeingriff vorgenommen wurde. 4174 Patienten wurden der Metoprolol-Gruppe, 4177 der Placebo-Gruppe zugeteilt. Das Studienprotokoll sah die Einnahme von 100 mg Metoprololsuccinat in einer retardierten Form (bzw. Placebo) zwei bis vier Stunden vor und null bis sechs Stunden nach dem Eingriff vor. Zwölf Stunden nach der Operation erfolgte dann während 30 Tagen die tägliche Einnahme von 200 mg Metoprolol (bzw. Placebo). War keine orale Einnahme möglich, wurde eine äquivalente Dosis i. v. verabreicht. Der primäre kombinierte Studienendpunkt setzte sich aus dem kardiovaskulären Tod, dem nicht-tödlichen Herzinfarkt und einem nicht-tödlichen Herzstillstand innerhalb von 30 Tagen nach der Operation zusammen. Sekundäre Studienendpunkte ermittelten unter anderem die Gesamtmortalität, das Auftreten von Schlaganfällen, Bradykardien, Hypotension und die Notwendigkeit einer kardialen Revaskularisation.

Einige Ergebnisse der Poise-Studie
 

Metoprolol

n = 4174

Placebo

n = 4177

HRp-Wert
primärer kombinierter Endpunkt244 (5,8%)290 (6,9%)0,84 (0,7-0,99)0,0399
nicht-tödlicher Myokardinfarkt152 (3,6%)215 (5,1%)0,70 (0,57-0,86)0,0008
Myokardinfarkt176 (4,2%)239 (5,7%)0,73 (0,60-0,89)0,0017
Gesamtmortalität129 (3,1%)97 (2,3%)1,33 (1,03-1,74)0,0317
kardiale Revaskularisation11 (0,3%)27 (0,6%)0,41 (0,20-0,82)0,0123
Schlaganfall41 (1,0%)19 (0,5%)2,17 (1,26-3,740,0053
klinisch signifikante Hypotension625 (15%)404 (9,7%)1,55 (1,38-1,74)<0,0001
klinisch signifikante Bradykardie277 (6,6%)101 (2,4%)2,74 (2,19-3,43)<0,0001

Mehr Schaden als Nutzen

Beinahe alle Patienten (99,8%) beendeten die dreißigtägige Therapie. Durch die Gabe des Betablockers konnte zwar die Rate der Herzinfarkte um 27% gesenkt werden, gleichzeitig stieg aber die Zahl der Todesfälle um etwa 33% an und die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, verdoppelte sich. Das Risiko für Vorhofflimmern und für eine koronare Revaskularisation konnte durch die perioperative Metoprololgabe reduziert werden, jedoch stieg das Risiko für eine klinisch signifikante Hypotonie und für das Auftreten einer Bradykardie (siehe Tabelle).

Ein Mitglied der Studienkommission rechnet diese Ergebnisse um und kommt zum Schluss, dass von 1000 perioperativ mit einem Betablocker behandelten Patienten 15 vor einem Myokardinfarkt und drei vor einer kardialen Revaskularisation bewahrt werden können. Auf der anderen Seite sterben acht von 1000 Patienten, fünf erleiden einen Schlaganfall, 53 einen kritischen Blutdruckabfall und 42 eine therapiepflichtige Bradykardie.

Individuell entscheiden

Ein Kommentator weist auf die relativ hohe Dosis an Metoprolol hin, die in der Studie verwendet wurde und erwähnt die Decrease-Trials (Dutch echocardiographic wcardic risk evaluation applying stress echo), in denen mit niedrig dosiertem Bisoprolol günstige Ergebnisse erzielt wurden. Auf jeden Fall sollten Patienten, die aufgrund einer klaren Indikation seit Längerem mit Betablockern behandelt werden, ihre Medikation beibehalten. Somit muss letztendlich der mögliche Nutzen gegen das potenzielle Risiko im Einzelfall abgewogen werden.

 

Quelle
Poise-Study Group: Effects of extended-release metoprolol succinate in patients undergoing non-cardiac surgery (Poise trial): a randomised controlled trial. Lancet 371, 1839 –1847 (2008).

Fleisher L., et al.: Perioperative β blockade: where do we go from here? Lancet 371, 1813 –1814 (2008).

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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