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Der öffentliche Versorgungsauftrag

Manche Dinge sind so selbstverständlich geworden, dass man sie nicht mehr hinterfragt. Die tägliche, meist mehrmalige Belieferung der Apotheke durch einen vollsortierten Großhandel ist zum Beispiel so eine Selbstverständlichkeit. Genauso wie die Tatsache, dass der Großhandel wiederum von allen Arzneimittelherstellern mit Waren beliefert wird. Erst als sich vor einiger Zeit Pharmahersteller weigerten, den Großhandel in die Versorgungskette mit einzubinden und begannen, lieber direkt an die Apotheken auszuliefern, oder sich nur noch für einen Großhändler entschieden und damit die anderen Großhandlungen spüren mussten, dass sie keine Vollsortimenter mehr sind, musste man feststellen, dass man rechtlich gesehen nur wenig Handhabe dagegen hat. Die jetzt in der Beratung stehende 15. Novelle zum Arzneimittelgesetz will dies ändern. Durch die Änderung soll pharmazeutischen Unternehmern und Arzneimittelgroßhändlern im erforderlichen Umfang ein öffentlicher Sicherstellungsauftrag für die Versorgung mit Arzneimitteln zugewiesen werden. Dies bedeutet aber auch: Bis jetzt gab es für Hersteller und Großhändler noch keinen Sicherstellungsauftrag, sondern nur für die Apotheken.

Die beabsichtigte Regelung soll den Veränderungen des Arzneimittelmarktes, dem gestiegenen Bedürfnis der Patienten nach einer schnellen Verfügbarkeit der von ihnen benötigten Arzneimittel sowie der Bedeutung der Rolle der pharmazeutischen Unternehmen und des Großhandels bei der Arzneimittelversorgung Rechnung tragen. Hersteller sollen in Zukunft also den Großhandel beliefern müssen und Großhändler die Apotheken. Der Gesetzgeber erkennt damit an, dass Apotheken auf eine kontinuierliche Belieferung mit Arzneimitteln und eine funktionierende Infrastruktur zur Distribution und Lagerung von Arzneimitteln angewiesen sind, wenn sie ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag nach Paragraph 1 des Apothekengesetzes erfüllen sollen. Apotheken sollen einen Belieferungsanspruch gegenüber dem vollversorgenden Arzneimittelgroßhandel haben. Damit dürfte es nicht möglich sein (wie heute in England zum Teil üblich), dass ein Hersteller nur mit einem Großhandel zusammenarbeitet. Und es dürfte auch nicht mehr möglich sein, dass Apotheken bestimmte Arzneimittel nur noch direkt vom Hersteller beziehen können.

Diese neuen Regelungen einer Belieferungspflicht wollen den Unternehmen nicht so recht schmecken. Sie glaubten über eigene Logistiknetze und Direktbelieferungen der Apotheken die Versorgung sicherstellen zu können. Doch dies erwies sich bisher in der Regel als Nachteil für die Apotheken und die Patienten: Die Präparate waren in den Apotheken nicht an Lager, konnten nur direkt und damit meist nicht rasch beschafft werden, die Direktlieferwege funktionierten nicht richtig und die Fakturierung erwies sich als umständlich. Dabei steht im Hintergrund des Interesses der Hersteller an den Direktbelieferungen die Kontrolle über ihre Produkte, am liebsten bis zum Patienten, und die Vermeidung eines Parallelhandels.

Der Großhandel jedoch wird mit diesen angestrebten Regelungen der AMG-Novelle zufrieden sein, zumal damit auch seine gewünschten Änderungen zur Neugestaltung seiner Großhandelsspanne einhergehen werden. Er hofft darauf, dass das Bundesgesundheitsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium in ihrer Ausarbeitung einer neuen Großhandelsspanne weitgehend dem Vorschlag seines Großhandelsverbands Phagro folgen: einen Fixzuschlag von 93 Cent pro Packung und einen Höchstzuschlag von drei Prozent. Für Apotheken wichtig: Rabattfähig soll dabei nur der dreiprozentige Höchstzuschlag sein. Das wird die Großhandelskonditionen einiger Apotheken verschlechtern. Doch ob die Ausgestaltung dieser Regelung so kommt, ist noch offen – hier werden Gesundheits- und Wirtschaftsministerium das letzte Wort haben.

Bleibt das Fazit aus Apothekersicht: Die Einbindung des Herstellers und des Großhandels in den Versorgungsauftrag ist überfällig. Wenn die Apotheke ihren Versorgungsauftrag erfüllen soll, dann muss auch die kontinuierliche und rasche Belieferung mit Ware sichergestellt sein. Die Apotheke muss sich nicht mit Direktlieferungen herumärgern und kann darauf zählen, dass sie alle Arzneimittel von ihrem vollsortierten Großhandel bekommt. Die vom Großhandelsverband angestrebte Änderung der Großhandelsspanne könnte allerdings zu einer Verschlechterung der Großhandelskonditionen führen.

Die AMG-Novelle soll voraussichtlich im zweiten Quartal verabschiedet werden, die Änderung der Großhandelsspanne könnte zum 1. Januar 2010 in Kraft treten.


Peter Ditzel

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