Arzneimittel und Therapie

Zeitgerechte Behandlung der Morgensteifigkeit

Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis versucht man, neue Erkenntnisse über zirkadiane Schwankungen pro- und antiinflammatorischer Hormone stärker als bisher zur Therapieoptimierung zu nutzen. So wurde eine orale Prednison-Formulierung entwickelt, aus der der Wirkstoff nach abendlicher Gabe erst in den frühen Morgenstunden freigesetzt wird. Damit lässt sich die Dauer der Morgensteifigkeit – ein Leitsymptom der rheumatoiden Arthritis – deutlich reduzieren. Lodotra hat soeben die Zulassungsempfehlung der europäischen Arzneimittelbehörden erhalten.

Schon seit Längerem ist bekannt, dass die Cortisol-Sekretion beim Menschen tageszeitlichen Schwankungen unterliegt, ebenso die Konzentrationen von Entzündungsmediatoren wie beispielsweise Interleukin 6 (IL 6) und Tumornekrosefaktor alpha (TNF α). In Studien fand man darüber hinaus Unterschiede in den Konzentrationen dieser Hormone zwischen Gesunden und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA).

 

Anstieg proinflammatorischer Zytokine am frühen Morgen

 

Bei Gesunden und bei Patienten mit rheumatoider Arthritis mit geringer Krankheitsaktivität erreicht die Cortisolsekretion um Mitternacht ein Minimum und in den frühen Morgenstunden gegen 8 Uhr ein Maximum. Ganz anders verhält es sich bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität – bei ihnen beobachtete man zwei Cortisol-Maxima, eines am Morgen und eines am Nachmittag. Bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung reichen die Konzentrationen der antiinflammatorischen Hormone jedoch nicht aus, um die Entzündung wirksam zu bekämpfen. Eine Ursache dafür sieht man in den hohen Spiegeln der proinflammatorischen Zytokine – die TNF-α- und IL-6-Konzentrationen sind bei Patienten mit rheumatoider Arthritis im Vergleich zu Gesunden bis zu zehnfach erhöht. Der Unterschied in der zirkadianen Rhythmik zwischen Gesunden und Patienten mit rheumatoider Arthritis besteht darin, dass die TNF-α- und IL-6-Blutspiegel nach dem Anstieg gegen 2 Uhr nachts bei Gesunden morgens zwischen 6 und 9 Uhr bereits stark abfallen, während sie bei Patienten mit rheumatoider Arthritis bis 10 oder sogar 11 Uhr auf hohem Niveau bleiben (siehe Grafik).

 

Konsequenzen für die Therapie

 

Glucocorticoide (Prednison, Prednisolon) werden Patienten mit rheumatoider Arthritis in der Regel morgens nach dem Aufwachen, das heißt zwischen 6 und 8 Uhr verabreicht, da eine Einnahme am Abend wegen der kurzen Halbwertszeit der Substanzen wenig sinnvoll erscheint. Die Untersuchungen zur den zirkadianen Konzentrationsänderungen sowohl der Entzündungsmediatoren als auch des endogenen Cortisols legten jedoch die Vermutung nahe, dass diese Applikation zu spät erfolgt, um morgendliche Gelenkbeschwerden ausreichend zu reduzieren. Ideal wäre eigentlich eine Cortisolgabe in der Nacht – gegen 2 Uhr – da um diese Zeit die Konzentration proinflammatorischer Zytokine anzusteigen beginnt und die Glucocorticoidgabe dem entgegenwirken könnte. Auf den erholsamen Schlaf der Patienten würde sich dieser Applikationszeitpunkt jedoch sehr ungünstig auswirken.

 

Aus diesem Grund wurde eine orale galenische Formulierung (patentierter Name: Tempus-Tablette) entwickelt, die den Wirkstoff – in diesem Fall Prednison – mit einer Verzögerung von vier Stunden freisetzt. Wird diese Tablette abends vor dem Zubettgehen, also beispielsweise gegen 22 Uhr, eingenommen, erfolgt die Wirkstofffreisetzung genau in dem Zeitraum, in dem auch die Konzentration proinflammatorischer Zytokine im Ansteigen begriffen ist.

 

Morgensteifigkeit deutlich reduziert

 

Die Wirksamkeit und Sicherheit dieser neuartigen Prednison-Formulierung (Prednison MR, modified release) wurde in der Zulassungsstudie Capra 1 (Circadian Administration of Prednisone in Rheumatoid Arthritis) untersucht. Darin verkürzte sich nach zwölfwöchiger Behandlung (doppelblinde Phase) mit dem Prednison MR-Präparat die Dauer der Morgensteifigkeit der Gelenke bei den Patienten (n = 121) im Vergleich zum Ausgangswert um durchschnittlich 44 Minuten (entspricht 23%) und damit wesentlich stärker als nach der morgendlichen konventionellen Prednison-Gabe (Prednison IR, n = 130, p = 0,045). Die absolute Differenz zwischen den beiden Behandlungsgruppen lag bei 29,2 Minuten (p = 0,072) zugunsten der verzögerten Freisetzung. Unterschiede im Sicherheitsprofil wurden nicht beobachtet.

 

Effekt auch im Follow up erhalten

 

Alle Patienten, die die zwölfwöchige doppelblinde Phase der Capra-1-Studie abgeschlossen hatten erhielten anschließend die Möglichkeit, die Behandlung mit Prednison MR mit einer Dosis zwischen 2 und 10 mg pro Tag über weitere neun Monate fortzusetzen. In dieser offenen Follow-up-Phase zeigten die Patienten der vormaligen konventionellen Behandlungsgruppe eine vergleichbare Reduktion der Morgensteifigkeit wie die mit Prednison MR Behandelten. Es traten dabei keine anderen Nebenwirkungen auf als sie von Prednison-Formulierungen mit sofortiger Wirkstofffreisetzung bekannt sind. Am Ende dieser Behandlungsphase verkürzte sich die mittlere Dauer der Morgensteifigkeit bei allen Patienten um 84 Minuten, das entspricht einer Verkürzung um ca. 46,1% im Vergleich zum Ausgangswert (p < 0,0001).

 

Damit konnte gezeigt werden, dass die Prednison MR-Formulierung einen deutlichen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität der Patienten zu leisten vermag. Die Zulassung des Präparats (Lodotra) wird Anfang 2009 erwartet, eine positive Empfehlung wurde bereits ausgesprochen.

 

Nutzen-Risiko-Verhältnis abschätzen

 

Sollen Glucocorticoide über einen längeren Zeitraum gegeben werden, so ist zur Abschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine intensive Auseinandersetzung mit den möglichen Nebenwirkungen dieser Therapie unerlässlich. Daher wurde in der Capra-1-Studie bei einer Patienten-Subgruppe mithilfe eines CRH-Tests (CRH = corticoid releasing hormon) der mögliche Einfluss der Prednison MR-Gabe auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Funktion (HHN-Achse) untersucht. Bei insgesamt 64 CRH-Tests (32 unter Prednison MR, 32 unter Prednison IR) zeigten sich im Dosisbereich von 5 bis 10 mg pro Tag bei einer Behandlungsdauer bis zu einem Jahr keine Anzeichen für eine Störung der Funktion HHN-Achse sowie keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungen.

 

Quelle
Prof. John Kirwan, Bristol, UK, Prof. Frank Buttgereit, Berlin, Dr. Rieke Alten, Berlin, Prof. Markus Gaubitz, Münster: "Moderne Glucocorticoidtherapie in der Rheumatologie", Symposium im Rahmen des 36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Berlin, 25. September 2008, veranstaltet von der Merck Pharma GmbH, Darmstadt. Buttgereit, F., et al.: Efficacy of modified-release versus standard prednisone to reduce duration of morning stiffness of the joints in rheumatoid arthritis (CAPRA-1): a double-blind, randomised controlled trial. Lancet 371: 205-214 (2008) ,Buttgereit, F., et al.: New modified-release (MR) prednisone tablet shows sustained reduction of morning stiffness and interleukin-6 (IL-6) in patients with rheumatoid arthritis (RA). EULAR 2008, Paris, oral presentation (OP-0042).

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

 

Wie entsteht Morgensteifigkeit bei RA?

 

Morgensteifigkeit ist die Folge der entzündlichen Prozesse in den Gelenken, vor allem der Ödembildung. Die austretende Flüssigkeit sammelt sich im Gewebe, im Gelenkspalt sowie in den beteiligten Kapseln und Sehnen an und führt zur Einschränkung der Beweglichkeit bei rheumatoider Arthritis, die bis zu fünf Stunden anhalten kann.

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