Arzneimittel und Therapie

Impfung verhindert multiple Sklerose

Bei der multiplen Sklerose attackiert und zerstört das Immunsystem gesundes Nervengewebe. Jetzt ist es Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gelungen, Mäuse mit speziell präparierten, körpereigenen Immunzellen zu impfen und die Erkrankung an einer der multiplen Sklerose ähnlichen Nervenentzündung zu verhindern.

Im Rahmen ihrer Forschung zur Organabstoßung hatten die Wissenschaftler im Tierversuch Immunzellen, die sogenannten dendritischen Zellen, eines Spendertieres mit dem Chemotherapeutikum Mitomycin behandelt und diese vor der Transplantation dem Organempfänger injiziert – mit Erfolg: Die veränderten Zellen wurden nicht angegriffen. Später akzeptierte das Immunsystem des Transplantatempfängers auch das Gewebe des Spendertiers.

 

Immunantwort gegen Myelin unterdrücken

 

Nun wurde dieses Verfahren auch dazu eingesetzt, die schädliche Immunantwort bei multipler Sklerose zu unterdrücken. Die multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der vor allem körpereigenes Myelin, ein Bestandteil des Nervensystems, angegriffen wird und dadurch die Funktion der Nerven leidet. Dendritische Zellen von Mäusen wurden mit dem myelinbasischen Protein beladen, das bei der multiplen Sklerose der Angriffspunkt der schädlichen Immunreaktion ist, dann mit Mitomycin behandelt, um die Immunabwehr zu unterdrücken und den Spendertieren wieder injiziert.

 

Mit Mitomycin behandelte dendritische Zellen

 

Die behandelten Zellen präsentierten jetzt dem Immunsystem das Zieleiweiß und unterdrückten gleichzeitig die Immunantwort mit Mitomycin. Dadurch gewöhnten sich die T-Zellen der Immunabwehr an das myelinbasische Protein und attackierten es später auch ohne Hemmstoff nicht mehr. T-Zellen von Patienten mit multipler Sklerose, die mit diesen präparierten dendritischen Zellen in vitro in Berührung kamen, konnten sich nicht mehr vermehren. Ebenso wurden auch die T-Zellen von Mäusen gehemmt, und Mäuse, die mit diesen Zellen geimpft wurden, waren immun gegen eine experimentelle autoimmune Enzephalitis (EAE), dem Pendant der multiplen Sklerose beim Menschen. Demnach kann der Impfstoff Mäuse vor der Entwicklung einer multiplen Sklerose schützen.

 

Die Wissenschaftler wollen nun untersuchen, ob diese Methode auch bei bereits bestehender multipler Sklerose wirksam ist. Im Tierversuch soll getestet werden, ob die Impfung mit behandelten, körpereigenen Zellen nicht nur eine vorbeugende, sondern auch eine therapeutische Wirkung besitzt.

 

Bestrahlte T-Zellen

 

Weitere Impfstoffe gegen die multiple Sklerose richten sich direkt gegen die T-Zellen. So arbeitet das texanische Pharmaunternehmen PharmaFrontiers an einem Impfstoff gegen multiple Sklerose, der inaktive myelin-spezifische T-Zellen enthält.

 

Für die Herstellung dieses Impfstoffs wird dem Patienten eine Blutprobe abgenommen. Die myelinspezifischen T-Zellen werden extrahiert, im Labor vervielfacht und radioaktiv bestrahlt, bevor sie dem Patienten wieder injiziert werden.

 

Das Immunsystem des Körpers erkennt die veränderten T-Zellen als beschädigt und greift sie an. Außerdem erkennt es in der Folge auch unbestrahlte gleichartige T-Zellen desselben Patienten als fremd und vernichtet sie, da sie an ihrer Oberfläche über die gleichen Marker verfügen. Dadurch werden die T-Zellen zerstört, die bei der multiplen Sklerose körpereigenes Myelin angreifen.

 

Bei einem Test mit 15 Patienten verringerte der Impfstoff die Häufigkeit, in der die Krankheit erneut auftrat, um bis zu 92%. Jetzt laufen größere Studien. Der Impfstoff muss vier- bis fünfmal jährlich gespritzt werden.

 

Trivalenter Impfstoff

 

Eine weitere Möglichkeit der Impfung gegen multiple Sklerose bieten die Impfstoffe Tovaxin und Neurovax, die sich beide am Anfang der Entwicklung befinden. Diese Impfstoffe wirken wahrscheinlich über zwei Mechanismen: Sie lösen eine T-Zell-zytotoxische und eine regulatorische Immunantwort gegen krankhafte T-Zellen aus.

 

Tovaxin des Herstellers Opexa Therapeutics enthält myelinspezifische T-Zellen aus peripherem Blut von MS-Patienten. Die bisherigen Ergebnisse aus Phase-II-Studien waren jedoch nicht aussagekräftig.

 

Der trivalente Peptid-Impfstoff Neurovax von Orchestra Therapeutics enthält drei für T-Zell-Rezeptoren spezifische Peptide, die bei vielen MS-Erkrankten überrepräsentiert sind. Für Neurovax gibt es bereits Daten aus einer doppelblinden placebokontrollierten Phase-II-Studie mit 200 Patienten mit schubförmig-remittierendem Verlauf. Demnach erhöhten monatliche Impfungen mit Neurovax über ein Jahr hinweg die Zahl der regulatorischen T-Zellen, welche Immunangriffe verhindern. 

 

Quelle 
Pressemitteilung der Universität Heidelberg, 27. November 2008. Terness, P., et al.: Mitomycin C-treated dendritic cells inactivate autoreactive T cells: Toward the development of a tolerogenic vaccine in autoimmune diseases. Proc Natl Acad Sci USA 2008; 105 (47): 18442-7..

 

Pressemitteilungen der Firmen Opexa Therapeutics und Orchestra Therapeutics.

 

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