Feuilleton

Apothekenbüchse mit Wolfsangeln

Ab Ende des 15. Jahrhunderts wurden Apothekenbüchsen, die zur Aufbewahrung von Drogen dienten, mit Wappen bemalt. Dieser Brauch dauerte nur wenige Jahrzehnte, sein Sinn ist ­rätselhaft – und gibt Anlass zu Spekulationen.

 

Eine Apothekenszene

In dem "Buch der Cirurgia" (Chirurgie), das der Straßburger Wundarzt Hieronymus Brunschwig im Jahr 1497 veröffentlichte, geben zwei Holzschnitte Einblick in das Innere einer Apotheke. Dass es sich bei dem Raum um eine Offizin handelt, geht aus dem spärlichen Mobiliar hervor. An den beiden sichtbaren Wänden sind übereinander zwei Regale angebracht, auf denen mit Deckeln verschlossene Büchsen stehen, die typisch für die damaligen Apotheken sind; zudem hängt an dem linken oberen Regal eine Handwaage, ein bei der Rezeptur unverzichtbares Utensil. Ferner werden die beiden gezackten Scheiben mit einem Adler im Zentrum als Berufszeichen der Apotheker gedeutet [1].

Zwei weitere Büchsen, von denen die eine geöffnet ist, stehen auf einem Tisch, an dem ein junger Mann vor einem aufgeschlagenen Buch sitzt. Rechts von ihm steht ein etwas älterer und etwas vornehmer gekleideter Mann mit einem Zeigestock in der Hand. Ob es sich bei ihnen um einen Apotheker und einen Arzt handelt oder ob die am Tisch sitzende Person ein Medizinstudent ist, ob hier ein fachliches Gespräch unter Kollegen oder eine Unterweisung dargestellt ist, geht aus der Szene nicht eindeutig hervor. Sicher ist hingegen, dass das Buch ein Arznei- oder Rezeptbuch ist.

Es fällt auf, dass sämtliche 29 Büchsen mit Wappen versehen sind, während eine Beschriftung nicht zu erkennen ist. Die Wappen zeigen keine Figuren, sondern geometrische Formen wie Sparren oder Schrägbalken, die man in der Heraldik als Heroldsbilder bezeichnet. Diese Tatsache muss allerdings keinen tieferen Sinn haben; sie könnte sich allein daraus erklären, dass der Holzschneider sich seine Arbeit erleichtern wollte, denn solche Wappen sind leichter darzustellen als figürliche Wappen.

Glücklicherweise haben sich einige Apothekenbüchsen mit Wappendarstellungen aus jener Zeit erhalten, beispielsweise im Deutschen Apotheken-Museum in Heidelberg [2]. Zwei dieser Büchsen zierten ein Blatt im Apotheker Kalender 2008 und sind hier nochmals abgebildet: Die rote Büchse zeigt ein goldenes Einhorn auf schwarzem Grund, die grüne Büchse drei Wolfsangeln übereinander auf weißem (silbernem) Grund.

Ein altes Jagdgerät

Die Wolfsangel war ein bügel- oder halbmondförmiges, mit einer Kette und einem Widerhaken versehenes Jagdgerät. Nachdem am Widerhaken ein Köder angebracht worden war, wurde die Wolfsangel so in einen Baum gehängt, dass ein Wolf im Sprung den Köder schnappen konnte; wenn ihm dies gelungen war, blieb er mit geöffnetem Rachen am Widerhaken hängen und verendete qualvoll. Die heraldische Wolfsangel beschränkt sich auf einen Teil des Ganzen, in diesem Fall auf den Bügel mit der Öse [3].

Während das Einhorn zu den häufigeren Wappentieren zählt und hier nicht eindeutig zuzuordnen ist, waren drei halbmondförmige Wolfsangeln übereinander das exklusive Erkennungszeichen von drei miteinander verwandten schwäbischen Familien, den Herren von Pflummern, von Stadion und vom Stain, wobei nur die Farben differierten. Das Wappen der Herren von Stadion hatte schwarze Wolfsangeln auf goldenem Grund und dürfte ursprünglich auf dieser Büchse angebracht worden sein, das heißt, dass irgendwann bei einer Restaurierung der Goldgrund weiß übermalt wurde.

Wozu Wappen auf Apothekenbüchsen?

Ein Wappen an einem Haus oder Gegenstand zeigt an, wer der Besitzer ist. In diesem Fall gilt das nicht nur für die Büchsen, sondern auch für deren Inhalt. Wenn in derselben Apotheke Büchsen mit verschiedenen Wappen vorhanden sind, lässt sich daraus schließen, dass mehrere Herren gemeinsam das Corpus pharmaceuticum der Apotheke finanziert haben – sicher, um bei Bedarf die Dienste des Apothekers in Anspruch nehmen zu können. Demnach hätte der Apotheker mit fremdem Kapital gearbeitet, könnte aber durchaus selbstständiger Eigentümer seiner Apotheke gewesen sein.

Ob es sich wirklich so verhalten hat, ist allerdings fraglich, denn entsprechende archivalische Belege gibt es nicht. 

 

Quellen

 [1] Mosch, Erwin: Asteriscus – eine Spekulation. Zur Geschichte der Pharmazie 16 , 17 – 19 (1964). [2] Huwer, Elisabeth: Das Deutsche Apotheken-Museum – Schätze aus zwei Jahrtausenden Kultur- und Pharmaziegeschichte. Regensburg 2006, S. 184 – 186.  [3] www.dr-bernhard-peter.de/Heraldik/wolfsangel.htm.

 

W. Caesar

 

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