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Adolf Merckle ist tot

ULM (diz). Der Unternehmer und Milliardär Adolf Merckle ist tot. Am Abend des 5. Januar ließ sich der 74-Jährige von einem Zug in der Nähe seines Heimatortes Blaubeuren-Weiler überrollen. Zu Merckles Unternehmen gehören u. a. der Pharmahersteller Ratiopharm, der Pharmagroßhandel Phoenix, der Baustoffhersteller HeidelbergerCement, der Fahrzeughersteller Kässbohrer und die VEM Vermögensverwaltung. Merckle hinterlässt seine Frau Ruth, seine drei Söhne Ludwig, Philipp Daniel und Tobias sowie seine Tochter Jutta.

Nach Informationen von "Spiegel online" wurde ein Abschiedsbrief gefunden, in dem Merckle keine Gründe und kein Motiv nannte, sondern sich für seinen Schritt nur entschuldigte. Bahnmitarbeiter haben Merckle gegen 19.30 Uhr auf den Gleisen gefunden, nur 300 Meter von seiner Villa in Blaubeuren-Weiler entfernt. Die Polizei geht nicht von Fremdverschulden aus, sondern von Selbstmord; Merckle habe sich auf die Gleise gelegt. Die Leiche konnte zunächst nicht identifiziert werden, erst durch weitere Hinweise wurde offenbar, dass es sich um Merckle handelt. Ein DNA-Abgleich soll im Lauf der Woche Gewissheit bringen.

In einer persönlichen Erklärung teilt die Familie mit, dass die schwere Krise seiner Firmengruppe den "leidenschaftlichen Familienunternehmer" gebrochen habe. Noch vor wenigen Wochen gab Merckle der FAZ ein Interview, aus dem hervorging, wie verbittert der Unternehmer gewesen sein muss über das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte. "Es macht mich traurig, dass in solchen Zeiten wie der jetzigen Finanzkrise die öffentliche Meinung über Handlungen und Personen schlagartig umschwingen kann", sagte Merckle auf die Frage, ob er etwas zu bereuen hätte. Wertpapiergeschäfte habe er in den früheren Jahren mit der gleichen Motivation gemacht wie im vergangenen Jahr, aber jetzt werde er persönlich angegriffen und als Zocker dargestellt. Laut Bild-Zeitung sah sich Merckle vom Vorzeigeunternehmer zum Finanz-Jongleur degradiert. In einem Nachruf schreibt das Blatt, der Selbstmord sei "wie alte Schule" gewesen, " …wenn der Verlust der Ehre schrecklicher ist als der Verlust von Millionen, wenn der Blick in den Spiegel mehr schmerzt als der Blick auf die Konten".

Die zur Merckle-Gruppe gehörende VEM Vermögensverwaltung GmbH würdigte in einer Pressemitteilung das Werk ihres Unternehmers. Der am 18. März 1934 in Dresden geborene Jurist habe "als Familienunternehmer zahlreiche Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum geführt und damit die Voraussetzungen für eine dynamische Entwicklung von Wirtschaftsstandorten in ganz Deutschland geschaffen". Die VEM VV war im Rahmen der Finanzkrise zuletzt in einen Liquiditätsengpass geraten.

Merckle, Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, war in den vergangenen Monaten u. a. durch Fehlspekulationen mit VW-Aktien in finanzielle Engpässe geraten. Außerdem war das Unternehmen HeidelbergerCement nach dem Kauf des britischen Konkurrenten Hanson mit mehreren Milliarden Euro ins Minus gerutscht. Mit dem Bankenkonsortium wurde bereits eine Stillhaltevereinbarung getroffen. In den letzten Tagen hatte es Verhandlungen mit den Gläubigerbanken über einen Überbrückungskredit in Höhe von 400 Millionen Euro gegeben, der Zeitungsberichten zufolge bis März bereitgestellt werden soll. Ein Sanierungsplan, zu dem ein längerfristiger Kredit gehöre, solle folgen. Nach Angaben der VEM VV habe der Tod des Unternehmers keine Auswirkungen auf den weiteren Sanierungsprozess.

Der Aktienkurs von HeidelbergerCement brach am 6. Januar um zeitweise bis zu zwölf Prozent ein. Vermutet wird, Anleger seien in Sorge, dass es niemanden gebe, der in der angespannten Lage die Verhandlungen für das Unternehmen fortführen könne.

Bereits am 7. Januar meldete die VEM Vermögensverwaltung GmbH, dass die Verhandlungen mit den Gläubigerbanken zu einem weiteren positiven Ergebnis gekommen seien: die VEM VV erhalte von dem Bankenkonsortium den notwendigen Überbrückungskredit. Der Liquiditätsengpass des Unternehmens habe damit abgewendet werden können. "Wir sind sehr froh, eine Lösung gefunden zu haben", sagt Ludwig Merckle. Um die Finanzierungssituation der Gruppe nachhaltig neu zu strukturieren, sind die Familie Merckle und die Banken übereingekommen, den Generikahersteller Ratiopharm zu veräußern, heißt es in der Mitteilung weiter. "Bei Ratiopharm wie bei den weiteren Beteiligungsunternehmen der VEM ist das operative Geschäft grundsätzlich gesund", so Merckle. "Die Unternehmen hatten ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2008 und auch die Aussichten für das nächste Jahr sind gut." Teil der Vereinbarung mit den Banken ist auch, dass Ludwig Merckle seine Tätigkeit in der Geschäftsführung der VEM VV nicht weiter fortführen wird. Wie aus der Presssemitteilung weiter hervorgeht, wird der Verkaufsprozess der Ratiopharm durch einen Treuhänder, der von den Banken und der VEM VV gemeinsam bestimmt wird, zusammen mit der Geschäftsführung der Ratiopharm gesteuert. Das operative Tagesgeschäft der Ratiopharm wird weiterhin von der bisherigen Geschäftsführung fortgeführt.


 

Erklärung der Familie Merckle
 

Adolf Merckle ist tot

Adolf Merckle hat für seine Familie und seine Firmen gelebt und gearbeitet. Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen, und er hat sein Leben beendet.

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